Missbrauch in der katholischen Kirche:Traunstein: Kommission soll Rolle von Papst Benedikt XVI. untersuchen

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In diesem Gebäude in Traunstein war früher die Schule, in die der inzwischen emeritierte Papst Benedikt XVI. gegangen ist. Seit 2005 ist Joseph Ratzinger Ehrenbürger der Stadt - ihm wurde der Papst-Benedikt-XVI-Platz gewidmet. (Foto: Diether Endlicher/dpa)

Der Geistliche hat die Stadt wiederholt als seine Heimat bezeichnet - und sogar ein Denkmal bekommen. Nun prüfen Traunstein und andere Kommunen, ob so eine Würdigung nach den Erkenntnissen des Missbrauchsgutachtens noch angemessen ist.

Von Matthias Köpf, Traunstein

Die Stadt und der Landkreis Traunstein haben zusammen mit mehreren Kommunen aus der Umgebung eine gemeinsame Kommission eingesetzt, die das Verhalten des emeritierten Papstes Benedikt XVI. im Missbrauchsskandal der katholischen Kirche untersuchen und bewerten soll. Die Kommission werde sich "mit dem Thema aus historischer, juristischer und theologischer Sicht befassen", teilte das Traunsteiner Landratsamt am späteren Freitagabend mit.

Zusammensetzen soll sich die Kommission aus je einem "fachkundigen Vertreter" des federführenden Landkreises, der Städte Traunstein und Tittmoning sowie der Gemeinde Surberg. Bisher führen alle drei Kommunen den emeritierten Papst in der Liste ihrer Ehrenbürger.

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Der aus Marktl am Inn stammende Benedikt hatte Traunstein wiederholt als seine Heimat bezeichnet. Er hat als Kind einige Jahre in der Stadt verbracht und dort das erzbischöfliche Studienseminar St. Michael besucht, wo es in der Vergangenheit ebenfalls gewalttätige Übergriffe auf Zöglinge gegeben haben soll.

Die Erzdiözese München und Freising hat vor wenigen Tagen ein Gutachten veröffentlicht, das den jahrelangen Missbrauch von Gläubigen und Schutzbefohlenen durch katholische Kleriker sowie den Umgang der Kirchenführung mit dem Thema beleuchtet. Benedikt war von 1977 bis 1982 als Erzbischof für das Bistum München und Freising verantwortlich. Er hatte in einer ersten Reaktion auf das Gutachten abgestritten, an einer bestimmten Sitzung zum Umgang mit dem pädophilen Priester H. teilgenommen zu haben. Später hat er diese Angabe korrigiert.

Die Inhalte dieses Gutachtens müssten "sehr ernst genommen werden", heißt es nun aus dem Landratsamt Traunstein. Ziel der Kommission sei es, "die im Gutachten geäußerten Vorwürfe und damit verbundene Verantwortlichkeiten in Hinblick auf die örtliche Erinnerungs- und Würdigungskultur sachlich und fachlich einzuordnen und - falls angezeigt - entsprechende Handlungsempfehlungen zu erarbeiten".

Schon früher haben Kritiker die lokale Würdigungskultur auf eigene Weise kommentiert und etwa das Benedikt-Denkmal am Traunsteiner Stadtplatz wiederholt mit Farbe übergossen. Die Grüne Jugend aus Traunstein hat für Montag eine Veranstaltung an dem Denkmal angekündigt.

Auch anderswo im Freistaat hat der emeritierte bayerische Papst schwer an Ansehen verloren. So wird unter anderen in Regensburg und Freising darüber diskutiert, ihm die Ehrenbürgerwürde abzuerkennen.

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