Trauerfeier:Ein tödlicher Bürofehler

Andacht für Fünfjährigen

In der Sankt-Martins-Kirche in Arnschwang fand die Trauerfeier für den toten Buben statt.

(Foto: Timm Schamberger/dpa)

In Arnschwang trauern die Menschen um den fünfjährigen Samir, der vor einer Woche erstochen wurde. Innenminister Joachim Herrmann sieht Versäumnisse der Behörden bei der Einschätzung des späteren Täters

Von Lisa Schnell und Ute Wessels, München/Arnschwang

Seit einer Woche ist Samir tot. Er wurde erstochen, weil er das tat, was Fünfjährige tun: Er hatte etwas lauter gespielt. Nur deshalb brachte der Täter, Mostafa K., Samir wohl um. In Bayern löste die Tat Entsetzen aus.

Und sie warf auch viele Fragen auf: Warum ein Gewaltverbrecher wie Mostafa K. zusammen mit Frauen und Kindern in einer Unterkunft lebte? Warum die Behörden davon nichts wussten? Am Freitag, beim Abschiedsgottesdienst in Arnschwang, überwiegt zunächst die Trauer. Kinder stehen in der Kirchenbank, Rosen und Gerbera in den Händen. Sie legen die Blumen vor ein regenbogenfarbenes Herz über dem Alter, auf dem der Name ihres toten Freundes steht. "Es wäre gelogen, wenn wir sagen, alles wird wieder gut", sagt Pfarrer Joseph Kata. "Samir wird uns unendlich fehlen." Manche Erwachsene haben Tränen in den Augen, als sie die Kirche verlassen. "So eine schreckliche Tat erschüttert jeden", sagt Bürgermeister Michael Multerer. An diesem Tag stehe die Trauer im Vordergrund. Danach müsse es eine Aufarbeitung geben. "Wenn die Gesetzeslage es hergibt, dass sich dieser Mann ohne unser Wissen unter uns aufhält, dann ist das ein Skandal", sagt Multerer.

Dass man in der Oberpfalz über die Gefährlichkeit von Mostafa K. nicht Bescheid wusste, sei kein "Systemfehler", sondern wohl ein "Bürofehler", sagt Innenminister Joachim Herrmann am Freitag. Zuvor hatte die Regierung der Oberpfalz angegeben, ihr sei ein Urteil des Verwaltungsgerichts München von 2014 nicht vorgelegen. Die Richter gingen davon aus, dass K. eine Gefahr für die Allgemeinheit sei. "Jedes Urteil, das einen Asylbewerber betrifft, ist in seine Ausländerakte aufzunehmen, damit hat jede weitere Behörde, die später mit dem Ausländer zu tun hat, automatisch alle entsprechenden Vorgänge in den Akten", sagt Herrmann.

Die Regierung der Oberpfalz teilt dazu mit, dass ihr die Ausländerakte in der Regel nicht vorliege. Es gebe kaum einen Datenaustausch. Man habe nur gewusst, dass K. eine elektronische Fußfessel tragen musste, da er seine Ex-Frau in München bedroht habe. Von einer Gefahr für andere sei man nicht ausgegangen. Täter, die eine Beziehungstat begingen, müssten nicht eine Gefahr für andere seien, sagt Herrmann. Trotzdem: Eine Fußfessel bekomme jemand, weil er gefährlich sei. Die Staatsregierung will nun als Konsequenz eine bessere Verzahnung der Sozialverwaltung, der Ausländerbehörden, der Polizei und der Justiz prüfen. Insgesamt gebe es in Bayern noch vier Flüchtlinge mit Fußfesseln, die nicht abgeschoben werden können. Sie begingen laut Herrmann erhebliche Straftaten wie Totschlag. Einer, der wegen Vergewaltigung verurteilt wurde, befinde sich in einer Asylunterkunft nur für Männer. K. konnte nicht abgeschoben werden, weil er zum Christentum übergetreten war. Bei den anderen liege es an ihren Herkunftsländern: In einem Fall stelle das Heimatland in Westafrika keinen Pass aus. Drei der Straftäter kommen aus dem Irak, in den seit knapp zehn Jahren nicht mehr abgeschoben werde.

Das will Herrmann ändern. Nächste Woche werde er sich bei der Innenministerkonferenz dafür einsetzen, die Sicherheitslage im Irak neu zu überprüfen, damit Straftäter dorthin abgeschoben werden könnten.

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