Dass sich im Allgäu Touristen aus allen Ecken der Republik und der Welt tummeln, ist bekannt. Um sie kümmern sich jede Menge Hoteliers, Gastwirte und weitere Geschäftsleute. Neuerdings taucht in der Alpenregion zwischen Lindau und Kempten aber zunehmend eine Art von Reisenden auf, für die sich besonders Polizei und Zollfahndung interessieren.
Die Beamten in Lindau haben es mit einer ganz speziellen Klientel zu tun: Wohlhabende Menschen, die Schwarzgeld von ihren Schweizer Konten nach Deutschland schmuggeln. Schon immer waren die Schweiz, Österreich oder das Fürstentum Liechtenstein eine Oase für Steuerflüchtlinge, und gelegentlich holten die Herrschaften dann auch einmal einen Teil ihres Geldes zurück, in der Hoffnung, unerkannt zu bleiben.
Doch heuer hat die Polizei mit den Schwarzgeld-Schmugglern plötzlich alle Hände voll zu tun. Auslöser dieser noch nie da gewesenen Geldtransport-Lawine sind Steuer-CDs mit brisanten Daten, die nach Deutschland geschickt wurden - und vor allem der Fall Uli Hoeneß. Der Manager des FC Bayern war am 13. März wegen Steuerhinterziehung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Was danach kam, bezeichnet Hagen Kohlmann vom Hauptzollamt Ulm als "wirklich unglaublich": "Im April hatten wir die krasseste Spitze, da hatten wir bei zehn Fahrzeugkontrollen locker drei, vier Treffer."
Zahl der Schmuggler fast verdoppelt
In einem Jahr hat sich in der Region Lindau die Zahl der ertappten Geldschmuggler fast verdoppelt: 2012 gab es 44 Fälle, 2013 waren es 85. Und die Zollfahnder rechnen mit einem weiteren Anstieg im Lauf des Jahres. "Die Banken in Österreich, Schweiz und Liechtenstein haben ihre Kunden angeschrieben und ihnen, vereinfacht gesagt, mitgeteilt, dass sie bis Ende 2014 ihre Finanzen ordnen sollten", berichtet Hagen Kohlmann. "Das zwingt die Leute jetzt zum Handeln."
Zöllner im Dreiländereck:Der Bodensee soll sauber bleiben
Tatort Bodensee: An der Grenze zur Schweiz finden die Zöllner um Wolfgang Simonsen immer wieder teure Uhren und schicke Boote, die die Besitzer an der Steuer vorbei ins Land bringen wollen. Die Fahnder haben noch andere Aufgaben - lebensgefährliche.
Denn vom kommenden Jahr an wollen die Banken in den Noch-Steueroasen den deutschen Finanzbehörden die Daten ihrer Kunden übermitteln. "Wegen des Drucks von allen Seiten ist zurzeit sehr viel Geld in Bewegung", sagt Kohlmann.
Der Fahnder und seine Kollegen treffen auf ihren Kontrollfahrten in der Allgäuer Grenzregion auf allerlei skurrile Personen. Prominentestes Beispiel ist der Kunstsammler Cornelius Gurlitt, der in seiner Schwabinger Wohnung Gemälde im Wert von mehreren Millionen verwahrte. Die Zollfahnder waren auf ihn aufmerksam geworden, weil er im Jahr 2010 bei einer Routinekontrolle im Eurocity von Zürich nach München 9000 Euro Bargeld dabei hatte. Das ist an sich nicht strafbar, bis zu 10 000 Euro undeklariertes Bargeld darf man in die EU einführen. Doch die Nervosität des älteren Herrn erregte Verdacht, die Ermittlungen nahmen ihren Lauf.
Zuletzt sorgte ein Mann für Aufsehen, der vor den Augen der Polizisten kurzerhand ein Blatt Papier zerriss und verspeiste. Ob er dies tat, weil beschriftete Zettel so gut schmecken oder weil er ein Beweismittel vernichten wollte, macht für Kohlmann keinen Unterschied. "Dass der Mann spontan so großen Appetit entwickelt hat, hilft ihm wenig", sagt er schmunzelnd. "Das Finanzamt bekommt seine Daten dennoch übermittelt."
Andere aufgegriffene Steuerflüchtlinge hätten sich schwergetan, belastendes Material mit einem Spontan-Happen zu vertilgen: Zwei Männer aus Hamburg wurden auf dem Bahnhof Lindau mit einer halben Million Euro in bar erwischt. Der Vater und sein Sohn hatten das Geld in druckfrischen 500-Euro-Scheinen in Bauchtaschen unter ihren Designer-Hemden versteckt. Sie fühlten sich besonders schlau, weil sie auf der Heimfahrt von Zürich nach Hamburg ausschließlich Bummelzüge besteigen wollten. Sie dachten, die Polizei kontrolliere nur auf den Hauptverkehrsachsen. "Aber wir sind auch auf Seitenstrecken unterwegs", stellt Hagen Kohlmann klar. Also nicht nur im Eurocity Zürich - München, in Polizeikreisen auch "Schwarzgeld-Express" genannt.
Viele Geld-Touristen wollen sich dem Zugriff der Behörden entziehen, indem sie ihr Schwarzgeld wie Cornelius Gurlitt in kleinen Portionen nach Hause schaffen. "Ameisenverkehr" heißt das bei den Ermittlern. Dies hat zur Folge, dass die Fahnder zum Beispiel auf vier Rentner in einem Auto stoßen, die jeweils 9900 Euro in der Tasche haben. Dadurch entgehen die Geldboten zwar einem Bußgeld, wie Kohlmann erklärt, aber nicht der Steuerfahndung. "Es ist vom Gesetzgeber ausdrücklich erwünscht, dass wir die Finanzbehörden informieren, wenn wir Anhaltspunkte auf Auslandsvermögen haben."
Auch "Ameisenverkehr" wird geprüft
So geschah es auch bei einer Seniorin, die Goldbarren und Münzen im Wert von 70 000 Euro in einer Tasche dabeihatte. Und bei jenem Herren, dessen große Scheine in der Vorweihnachtszeit im doppelten Boden eines Lebkuchenhauses entdeckt wurden. Wenn Kohlmann und seine Kollegen Verdacht schöpfen, schrecken sie auch nicht davor zurück, liebevoll verpackte Geschenke aufzureißen. Die betroffenen Frauen im Alter von 79 und 85 Jahren zeigten sich entrüstet angesichts der forschen Polizisten. Als diese aber Geldscheine im Wert von 25 500 Euro hervorzogen, waren die Damen aus Bad Reichenhall plötzlich sehr still.
"Wir finden immer höhere Summen", sagt Hagen Kohlmann. Ganz neu für die Fahnder ist auch, dass sie plötzlich viele Schließfach-Schlüssel finden. "Das war früher kein Thema", sagt Kohlmann. "Kürzlich haben wir einen Herren mit gleich vier Schlüsseln angetroffen." Dies sind vier Hinweise, dass er seine Konten leer geräumt und das Geld in Schließfächer gesteckt hat. Auch seine Personalien landeten bei den Steuerbehörden.
Die Steuerhinterzieher dürfen ihre Heimreise fortsetzen. "Manche von ihnen sind sehr blass", sagt Hagen Kohlmann. Aber erst wenn sich herausstellt, dass der Erwischte mehr als eine Million hinterzogen hat, muss er mit einer Haftstrafe rechnen.