Tradition:Proviant für die armen Seelen

Der Gedenktag Allerheiligen ist auch ein Hochfest des Süßgebäcks

Von Hans Kratzer, Ingolstadt

Dass der November mit den katholischen Gedenktagen Allerheiligen und Allerseelen beginnt, spielt in unserer säkularisierten Gesellschaft nur noch eine untergeordnete Rolle. Trotzdem ist das lebensfrohe Brauchtum, das solche Festtage umrankt, noch einigermaßen vital. Aus diesem Grund bieten eine Reihe von Bäckereien und Konditoreien an Allerheiligen sogenannte Seelenwecken feil, eine vorzügliche Süßspeise. Wie alt dieser Brauch ist, belegt eine Schrift des Aufklärers Andreas Zaupser, wonach die Paten schon in der Zeit um 1789 dem Patenkind einen Seelenwecken schenkten.

Die Veldener Bäckerin Rosi Spross sagt, sie verwende für die Herstellung der Seelenwecken (Sellaweck) seit jeher rautenförmige Blechformen. Der Wecken werde durchgeschnitten und mit Creme bestrichen, als Verzierung dienen Cremetupfen, Cremebordüren und Marzipanrosen. Auf Wunsch macht sie oben in den Wecken einen Schlitz, in den der Pate einen Geldschein hineinstecken kann.

Auch der Dorfener Bäcker Hans Kern fertigt Seelenwecken an. Früher, sagt er, sei aus Semmelteig ein Flechtgebäck geformt worden. Mit dem wachsenden Wohlstand hätten sich die Ansprüche geändert, weshalb seit gut 50 Jahren süße Biskuitkuchen gebacken werden. Auch er verwendet ovale Blechformen. Den Kuchen füllt er mit Creme oder Punschmarmelade, zuletzt wird er mit Zuckerglasur und Nougat verziert. Kern sagt, es sei wieder eine gewisse Rückbesinnung zu beobachten. "Es werden wieder vermehrt Sellerwecken bestellt, die dem Patenkind an Allerheiligen übergeben werden."

Dieser Brauch sei regional sehr unterschiedlich geprägt, sagen die Seelenwecken-Expertinnen Johanna und Christina Loquai aus Ingolstadt. Die rautenförmige Kuchenform kennen sie gar nicht. Im Schwäbischen haben sie dafür Seelenbrezn (-brezgä) und Seelenzöpfe entdeckt. Diese seien einst auf die Fensterbank gelegt worden, als Gabe für die armen Seelen. Die armen Leute haben sich die wertvolle Gabe dann geholt. Im Bayerischen Wald sei der Allerseelenzopf als Hefezopf bekannt. Im Großraum Ingolstadt aber dominieren an Allerheiligen die Tortenspitzln, die in mindestens 33 Varianten mit aufwendigen Verzierungen feilgeboten werden. Am 31. Oktober, dem Tag vor Allerheiligen, gibt es sogar eigene Spitzlmärkte, etwa in Kelheim (8-17 Uhr) und in Hemau (10-17 Uhr), wo man Spitzln kaufen kann.

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