Touristenziel Nürnberg:Weg vom Bratwurst-Image

Streit um verschenkte Bratwurst

Nur Bratwurst? Nürnberg will an seinem Image arbeiten. Mit einer Kampagne gegen das fränkische Understatement.

(Foto: dpa)
  • Ein Marktforschungsinstitut hat herausgefunden, dass die Region Nürnberg eher als "nette Tante" denn als "scharfe Cousine" gilt.
  • Trotzdem macht kaum eine Metropolregion in Deutschlandum ihren Ruf so einen Bohei wie die Nürnberger.
  • Die Region wird allem als Touristen-Ziel wahrgenommen, aber beispielsweise nicht als Wirtschaftsstandort.
  • Das soll sich nun mit einer Kampagne ändern.

Von Uwe Ritzer, Nürnberg

Quittenpunsch aus der Fränkischen Schweiz, Holunder-Glühwein aus dem Landkreis Roth, Apfelglühwein aus der Forchheimer Gegend. Dazu Marmelade aus heimischem Obst und Wurst von fränkischen Lämmern. Nicht nur kulinarisch geht es heimelig zu an den vier Holzbuden der Initiative "Original Regional" auf dem Nürnberger Christkindlesmarkt. Auch die Weihnachtsbäume und die Dekoration kommen aus der Region. Mehr als 1000 nordbayerische Direktvermarkter gehören der Initiative an, die wiederum von der Metropolregion Nürnberg als eines ihrer Highlights vermarktet wird. Die Qualität der Produkte ist hoch; kulinarisch kann sich die Metropolregion problemlos mit anderen messen. Aber sonst?

Elf Metropolregionen gibt es in Deutschland, doch kaum eine macht um das Prädikat so viel Bohei wie die Nürnberger. Das hat Gründe. Bis zum Zusammenschluss 2005 herrschte in Nordbayern Kleinstaaterei. Jahrhunderte unter kleinen, mehr oder weniger häufig wechselnden Regional- und Kirchenfürsten haben den Landstrich geprägt und zersplittert. Der Zusammenschluss zur Metropolregion Nürnberg war strukturpolitisch und mental ein großer Fortschritt in Sachen regionale Identität.

"Wir gelten eher als die nette Tante, aber nicht als die scharfe Cousine."

Neun Jahre nach seiner Gründung ist das Gebilde über Franken hinausgewachsen. Es reicht vom thüringischen Sonneberg im Norden bis nach Solnhofen im Altmühltal, vom mainfränkischen Landkreis Kitzingen im Westen bis nach Waidhaus an der Grenze zu Tschechien. Ein heterogenes Gebilde, mit von Abwanderung gekennzeichneten Landkreisen wie Wunsiedel bis zum boomenden Hochschul-, Forschungs- und Siemens-Standort Erlangen. Als touristische Destination wird die Metropolregion immer mehr wahrgenommen. Nur eben nicht als Wirtschaftsstandort. "Dabei läge die Metropolregion Nürnberg verglichen mit den 28 EU-Ländern auf Platz 18, was ihre Wirtschaftskraft angeht", sagt der Nürnberger Messechef und Metropolregion-Aktivist Peter Ottmann.

Dass diesbezüglich Handlungsbedarf besteht, haben die Verantwortlichen seit Kurzem schwarz auf weiß. Vom Marktforschungsinstitut Icon Added Value ließ die Metropolregion ihr Image untersuchen. Das Ergebnis fasst Ottmann plakativ zusammen: "Wir gelten eher als die nette Tante, aber nicht als die scharfe Cousine."

Bodenständig, heimelig, zurückhaltend, geprägt von hoher Lebensqualität, zufriedenen Menschen, schönen Landschaften - das sind einige der Haupteigenschaften, die der Metropolregion nachgesagt werden. Nicht jedoch, dass sie weltoffen, modern, innovativ oder erfolgreich sei.

Letzteres ist kein Wunder. Bis vor 30 Jahren war Nürnberg das industrielle Zentrum Süddeutschlands. Dann ging ein Gigant nach dem anderen in die Knie: Grundig, Triumph Adler, zuletzt AEG und Quelle. Vor allem die Stadt Nürnberg hatte einen gewaltigen Aderlass an Arbeitsplätzen zu verkraften. Die Hiobsbotschaften setzten sich in den Köpfen außerhalb fest. Nicht aber die Erfolgsgeschichten, von denen es auch viele gibt.

Nun will die Metropolregion gegensteuern und ihr Glühwein- und Bratwurst-Image um andere Merkmale ergänzen. "Die Einsicht, dass wir da etwas tun müssen, ist bei den Verantwortlichen weit verbreitet", sagt Christa Standecker, Geschäftsführerin der Metropolregion. Hohe Lebensqualität, breites Freizeit- und Kulturangebot - schön, gut und erfreulich. "Dass wir ein High-Tech-Standort sind, ist aber eher unterbelichtet", sagt Standecker.

"Wir können alles außer angeben"

Um Argumente zu sammeln, hat Standeckers Team nachgezählt. Es kam auf 150 Unternehmen, die Weltmarktführer sind. Experten der Metropolregion analysierten Strukturdaten und fanden heraus, dass die Städteachse Erlangen-Forchheim-Bamberg wirtschaftlich boomt wie selten zuvor. Sie kamen zum Schluss, "dass es unheimlich viele, sehr starke und innovative Mittelständler gibt, die aber nach dem Motto agieren: Wir können alles außer angeben", wie Standecker sagt.

Understatement mag typisch fränkisch und sympathisch sein, doch taugt es nur bedingt, um von Entscheidern außerhalb als Region mit ökonomischer Substanz und Perspektive wahrgenommen zu werden. Auch dafür liefert die Icon-Studie den Beleg. Entscheidungsträger verbinden demnach mit der Metropolregion Frankfurt das Thema Banken und Flughafen oder mit Stuttgart die Autoindustrie. Auch München oder Rhein/Ruhr werden vorwiegend als Wirtschaftsräume wahrgenommen.

Nürnberg spielt der Studie zufolge vom Image her die zweite Geige. "Ein Nachteil ist sicher auch, dass Nürnberg keine Landeshauptstadt ist", sagt Standecker. Das wird sich nicht ändern lassen, wohl aber gibt es einige politische Handlungsfelder. Den schwächelnden Nürnberger Flughafen zum Beispiel. Vor allem aber müsse man "die Metropolregion als Marke weitaus stärker etablieren", sagt Klaus Wübbenhorst. Der langjährige Chef des größten deutschen Marktforschers GfK ist Vorsitzender des Fördervereins der Metropolregion, der die Wirtschaft einbindet. Der Slogan, mit dem die Metropolregion Nürnberg für sich wirbt, soll der Schlüssel werden: Heimat für Kreative. "So müssen wir uns auch als Marke positionieren", sagt Wübbenhorst.

Klar ist: Will sich die Metropolregion Nürnberg nicht mehr nur mit Christkindlesmarkt, mittelfränkischen Obstbränden und oberfränkischem Bier profilieren, sondern als attraktiver Standort mit Konzernen wie Siemens, Schaeffler oder Adidas, muss an vielen Stellschrauben gedreht werden. Wissenschaftstage sollen die Aufmerksamkeit auf jene 20 Hochschulen und 35 Forschungseinrichtungen lenken, die es in der Metropolregion gibt. Die vor allem im Ballungsraum Nürnberg gute Straßen- und Schienenanbindung soll herausgearbeitet werden und der erfolgreiche Messestandort, überhaupt die Internationalität, die man so im betulichen Franken nicht erwartet.

Wübbenhorst hofft, dass sich auch die großen, prägenden Unternehmen stärker in der Metropolregion engagieren werden, wie dies andernorts bereits der Fall ist. Das dürfte nicht einfach werden; Weltunternehmen wie Siemens definieren sich nicht unbedingt über ihre Standorte. Und die erfolgreichen fränkischen Familienunternehmer haben es von Haus aus nicht so mit öffentlicher Selbstdarstellung.

Klaus Wübbenhorst und seine Mitstreiter gehen das Thema daher pragmatisch an. Eine Imagekampagne ist im Gespräch, aber: "Wir müssen schauen, wie viel Geld am Ende zusammenkommt und was wir aus dem begrenzten Budget machen können", sagt er. Hoffnung auf "tägliche TV-Werbung in den fünf Minuten vor der Tagesschau" habe er jedenfalls noch nicht.

"Man sollte die lokalen Grabenkämpfe beenden"

Die Metropolregion müsse ihr Image auch mit harten wirtschaftspolitischen Taten schärfen, fordert Dirk von Vopelius, Präsident der Nürnberger Industrie- und Handelskammer (IHK). Er gehört zu den "absoluten Überzeugungstätern in Sachen Metropolregion". Der Sprecher von fast 145 000 Unternehmen sieht die Politik gefordert, vor allem im Hinblick auf die Verkehrs-Infrastruktur. "Voller Stolz rühmen wir uns als herausragende Logistikregion, eine Erweiterung des zentralen Logistikgebietes im Hafen wird jedoch strikt abgelehnt", kritisierte er unlängst im IHK-Magazin Wirtschaft in Mittelfranken. Auch das Schwächeln des Flughafens beklage man, doch dessen bessere Autobahnanbindung werde "ohne Alternativlösung einfach beerdigt".

Quartalszahlen adidas

Die Region Nürnberg will sich profilieren - zum Beispiel als Standort für Konzerne wie Siemens oder Adidas.

(Foto: dpa)

Vopelius sieht die Kommunalpolitiker in der Verantwortung. "Wir müssen die Schlagkraft des Nürnberger Ballungszentrums als Kern der Metropolregion enorm erhöhen", sagt er. Er schlägt vor, dass sich die unmittelbar aneinander grenzenden Städte Nürnberg, Fürth und Erlangen in der Standortpolitik nicht länger Konkurrenz machen, sondern zusammentun.

"Man sollte die lokalen Grabenkämpfe beenden und einen Gewerbesteuerverbund schaffen", fordert der IHK-Präsident. Einheitliche Steuerhebesätze in allen drei Städten würden die Ansiedelung von Unternehmen erleichtern, sagt Vopelius. Die Einnahmen sollten in einen gemeinsamen Topf fließen und gerecht zwischen den drei Städten aufgeteilt werden. Die gegenseitige Konkurrenz auf engstem Raum zu beenden wäre "ein klares Signal nach außen." Dafür nämlich, dass man es auch in den Rathäusern ernst meint mit der Metropolregion als einem starken und modernen Wirtschaftsstandort.

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