Tourismus in Bayern:Chalet-Dörfer: Teurer Hüttenzauber oder sinnvolles Tourismusprojekt?

Tourismus in Bayern: Wenn eine Region etwas auf sich hält und großzügige Gäste erwartet, baut sie heute gerne Chaletdörfer.

Wenn eine Region etwas auf sich hält und großzügige Gäste erwartet, baut sie heute gerne Chaletdörfer.

(Foto: PR)

Anstatt im Ferienhaus nächtigt der betuchte Urlauber von heute lieber im Luxus-Chalet. Das ist zwar hübsch alpin, braucht aber viel Platz.

Von Matthias Köpf, Marktschellenberg

Ferienhaus war gestern, und Feriendorf ist sogar noch etwas länger her. Wer im alpinen Tourismus besonders viel auf sich hält, der nächtigt inzwischen im Chalet. Und wer wiederum die entsprechend zahlungskräftige Klientel gerne bei sich begrüßen will, der baut am besten gleich ein ganzes Chaletdorf aus solchen Luxushütten im kaminknisternd kuscheligen Alpinstil.

Allerdings brauchen derlei Dörfer Platz und zwar aus der Sicht der Investoren und der Gäste idealerweise genau da, wo es am allerschönsten ist. Natur- und Landschaftsschützer befürchten hingegen, dass die Schönheit der Umgebung genau dadurch zerstört wird. Unter anderem deswegen haben es manche Vorhaben schwer.

Petition gegen das "Heidiland"

So hat der örtliche Bund Naturschutz ein Chalet-Projekt in Marktschellenberg bei Berchtesgaden als "Ausverkauf unserer Heimat" kritisiert. Ein Hotelier aus Stuttgart wollte hoch über dem Dorf zehn exklusive Hütten samt Sauna, Pool, Restaurant und Ausblick auf den Untersberg und den Hohen Göll bauen. Manche im Ort erhofften sich davon eine Belebung des darbenden Tourismus, für andere standen der Aufwand und der Eingriff in die Landschaft in keinem guten Verhältnis zu den vielleicht nur 20 Gästebetten. Der Bürgermeister wollte die Marktschellenberger per Ratsbegehren über das Vorhaben abstimmen lassen, doch die Mehrheit im Gemeinderat lehnte diesen Vorschlag ebenso ab wie das ganze Projekt.

Die Räte der Stadt Tegernsee hatten da 2012 weniger Bedenken, als sie ein "Almdorf" mit Seeblick unterhalb der beliebten Ausflugsalm Neureuth billigten und diesen Beschluss 2016 noch einmal bekräftigten. Das Landratsamt in Miesbach hatte die Fläche eigens aus dem Landschaftsschutzgebiet genommen. Kritiker sahen die sieben simulierten Almhütten um einen Weiher plus Hauptgebäude und Tiefgarage als "Heidiland" an und reichten eine Petition mit Hunderten Unterschriften beim Landtag ein. Der bekannte Münchner Gastronom Michael Käfer wollte im vergangenen Jahr das Projekt übernehmen und auf zwölf einzelne Almen mit jeweils zwei Wohneinheiten aus Stube unten und Schlafzimmer im ersten Stock abspecken. Er hat sich aber wieder von dem Vorhaben verabschiedet.

In Tirol haben sie bei touristischen Vorhaben weniger Bedenken

Das war vom Hotelier Dietmar Müller-Elmau bisher noch nicht zu hören, der in der Nachbarschaft von Schloss Elmau elf zweigeschossige Chalets in einem weiten Bogen um einen Teich gruppieren wollte. Gleichwohl ist es um das Vorhaben still geworden, das von Naturschützern und den Grünen heftig bekämpft und vom Landratsamt in Garmisch-Partenkirchen kritisch gesehen wurde. Müller-Elmau wollte die Chalets an betuchte Kunden verkaufen, sie aber in deren Abwesenheit über sein Schloss-Hotel vermieten. Solche Modelle nähren allerorten die Besorgnis, dass aus den Luxushütten mit Hotelservice früher oder später doch private Ferienhäuser werden, die dann die meiste Zeit des Jahres leer stehen und so auch keine Dienste lokaler Lieferanten brauchen und keine Arbeitsplätze im Ort sichern.

Neben vorerst gescheiterten oder stagnierenden Projekten ist aber auch eine ganze Reihe neuer Chaletdörfer entstanden: Etwa in Reit im Winkl im Chiemgau, wo im Sommer laut Eigenwerbung sieben Chalets "nach dem Vorbild eines alten bayerischen Weilers rund um einen idyllischen Naturteich errichtet" wurden, mit jeweils 150 bis 185 Quadratmetern Wohnfläche. Auch weiter westlich bieten sich etwa in Oberjoch neuerdings "14 Alpin Chalets" an, die angeblich "das Allgäu greifbar" machen. Andere Projekte sind ins nahe Tirol abgewandert, wo die Behörden bei touristischen Vorhaben stets viel Verständnis und wenig Bedenken haben.

Aus Sicht der bayerische Tourismus-Werber ist der Trend zum Chalet auch eine Folge davon, dass sich der Markt zunehmend segmentiert. Der Geschäftsführer des Tourismusverbands Oberbayern München, Oswald Pehel, vergleicht das Chalet-Publikum sogar mit der Campingplatz-Klientel, weil beide eher unter ihresgleichen Erholung suchten. Die Kommunen müssen aber auch für Pehel unbedingt darauf achten, dass sie mit der Landschaft nicht die Grundlage ihrer Anziehungskraft zerstören.

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