Torlinientechnologie aus Ismaning:Warten auf die Fifa

Fussball International Adidas Teamgeist 2  mit Chip

Die Technik der Ismaninger: Magnetfelder im Torraum, ein Sensor im Ball und eine Uhr für den Schiedsrichter. Fällt ein Tor, ist das für den Unparteiischen sofort sichtbar.

(Foto: Cairos)

War der Ball drin oder nicht? In dieser Frage brauchen Schiedsrichter technische Hilfe, hat der Weltfußballverband Fifa beschlossen. Die Ismaninger Cairos Technologies AG tritt gegen das Hawk Eye und den Chip im Ball des Fraunhofer-Instituts an, um den Zuschlag für die WM in Brasilien zu erhalten.

Von Jessica Morof, Ismaning

Das Runde muss ins Eckige - so viel steht fest. Doch was, wenn der Unparteiische sich irrt und das Tor nicht anerkennt, obwohl der Ball über der Linie war? Um solchen Fehlentscheidungen vorzubeugen, darf in Zukunft bei Fußballspielen die sogenannte Torlinientechnologie verwendet werden. Gerade einmal vier Hersteller weltweit besitzen bisher eine Lizenz; darunter das oberbayerische Unternehmen Cairos Technologies AG. Im Februar wurde das Unternehmen von der Fédération Internationale de Football Association (Fifa) zertifiziert - nun bietet es sein System für kommende Fußballturniere an.

Den Wendepunkt in der Geschichte der Torlinientechnologie oder auch Goal Line Technology (GLT) stellte ein Spiel bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika dar: Der Schiedsrichter hatte einen Treffer des Engländers Frank Lampard gegen Deutschland nicht anerkannt, was immer lauter werdende Rufe nach einer technischen Lösung für dieses Problem nach sich zog. Sowohl beim Confederations Cup 2013 als auch bei der Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien sollen deshalb technische Hilfsmittel für die Ermittlung von Toren zugelassen werden, das hat der Weltfußballverband Fifa nach langem Zögern beschlossen.

"Auf diese Entscheidung haben wir schon lange gewartet", erklärt Fabian Winckler, PR- und Kommunikationsverantwortlicher der Cairos Technologies AG. Das Unternehmen mit Sitz in Ismaning (Landkreis München) und Karlsbad ist auf die Entwicklung von Technologien im Bereich des Leistungssports spezialisiert und einer von vier Bewerbern, die in Brasilien ihre Systeme einsetzen möchten. An einer Torlinientechnologie wurde dort allerdings schon lange vor der Entscheidung der Fifa geforscht. Die Idee, eine technische Lösung für Torentscheidungen zu erfinden, kam den Gründern von Cairos im Jahr 1999 und zwar - wie könnte es anders sein - auf einem Fußballplatz.

Während eines Amateurspiels kam es zu einer kritischen Torentscheidung, die Roland Stucky, Hartmut Braun, Oliver Braun und Walter Englert stutzen ließ. Die vier Männer entschieden, dass es an der Zeit für technischen Hilfsmittel sei. So gründeten sie im Jahr 2000 die Cairos Technologies AG. Zum damaligen Zeitpunkt war dies ein riskantes Unterfangen, schließlich gab es noch gar keinen Markt für GLT-Systeme. Ohne die Zustimmung der Fifa durften solche Systeme nicht eingesetzt werden.

Im Jahr 2003 übernahm die Cairos Technologies AG dann die Impire AG. Diese erfasst und speichert bereits seit 1992 Spieldaten der Bundesliga, auch bekannt als Ran-Datenbank. Seit 2011 ist sie sogar von der Deutschen Fußball Liga (DFL) beauftragt, die Daten zu allen Spielen der ersten und zweiten Bundesliga zu ermitteln. Eigens dafür entwickelten die Ingenieure des Unternehmens ein Kamerasystem namens Vis.track, das in jedem Bundesligastadion installiert ist. So leistet die Tochterfirma einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung des Gesamtunternehmens.

Magnetfeld unterm Torraum

Etwa 250 Mitarbeiter beschäftigt Cairos heute; darunter zehn Ingenieure, die das Cairos GLT System entworfen haben. Dazu werden unter dem Spielfeld und im Torraum Kabel verlegt, die ein Magnetfeld erzeugen. Außerdem wird der Ball mit einem Sensor ausgestattet, der Daten des Magnetfelds empfängt und an einen Computer weitersendet. Mithilfe dieser Informationen kann die genaue Position des Balls errechnet werden. Überschreitet er die Torlinie, empfängt der Schiedsrichter auf seiner Uhr einen entsprechenden Hinweis. "Die Entscheidung muss sofort sichtbar sein", sagt Winckler, das sei eine Voraussetzung der Fifa für die Zulassung.

Germany v England: 2010 FIFA World Cup - Round of Sixteen

Wendepunkt in der Geschichte der Torlinientechnologie: Nachdem der Schiedsrichter bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika einen Treffer des Engländers Frank Lampard gegen Deutschland nicht anerkannt hatte, wurden die Rufe nach einer technischen Lösung immer lauter.

(Foto: Getty Images)

Wichtig ist auch, dass die Installation der Technologie schnell vonstatten geht, denn der Confederations Cup beginnt schon Mitte Juni dieses Jahres. Das Verlegen des Cairos GLT Systems, so Winckler, dauert nur einen Tag und der Rasen ist nach zwei bis drei weiteren Tagen wieder zugewachsen. Ein weiterer Vorteil sei, dass die Ausstattung der Ballblase mit dem Sensor einfach und für jeden Hersteller möglich ist. Dem Einsatz des Cairos Systems stünde demnach eigentlich nichts mehr im Weg - abgesehen von der Fifa.

Bisher hat der Fußballverband nur vier Lizenzen für die Torlinientechnologie vergeben: ein Hersteller aus Großbritannien ist auf eine Kameratechnik namens "Hawk-Eye" spezialisiert; ebenfalls kamerabasiert geht die Technologie "Goal-Control" einer Firma in Würselen bei Aachen vor; ähnlich wie Cairos Technologies AG nutzt ein dänisches Unternehmen in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer Institut ein Magnetfeld für die Technologie "Goalref". Sie alle können sich jetzt für die Ausstattung der Stadien beim Confederations Cup und der Weltmeisterschaft, aber auch später bei Ausschreibungen der englischen Premier League oder der Bundesliga bewerben.

Eine Entscheidung der Fifa wird im April erwartet. Chancen rechnet man sich bei Cairos auf jeden Fall aus, doch sicher sein könne man natürlich nicht. Trotzdem bleibt das Unternehmen bis zur Beschlussverkündung des Verbands nicht untätig: die Mitarbeiter bereiten alles so weit wie möglich vor, damit sie bei einer Zusage der Fifa nur noch packen und nach Brasilien fliegen müssen. Wie das Unternehmen genau vorgeht, darf es aufgrund von Auflagen der Fifa nicht verraten. Sicher ist aber, dass die Zeit drängt.

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