Süddeutsche Zeitung

Todestag von Friedrich Reck-Malleczewen:Wider die bösen Affen

  • Vor 70 Jahren starb der Schriftsteller Friedrich Reck-Malleczewen im KZ Dachau.
  • Reck-Malleczewen war einer der bissigsten Kritiker der Nationalsozialisten.
  • Sein Tagebuch, das vom Mai 1936 bis zum Oktober 1944 reicht, legt die Nazibarbarei schonungslos offen

Von Hans Kratzer

Ohne Ankündigung klopften Schergen der Gestapo in der Silvesternacht des Jahres 1944/45 an die Haustür des im Chiemgau gelegenen Hofguts Poing. Das Schicksal des dort lebenden Schriftstellers Friedrich Reck-Malleczewen war besiegelt. Ein Bekannter hatte ihn wegen "Verunglimpfung der deutschen Währung" denunziert. Reck wurde verhaftet und am 9. Januar 1945 in das Konzentrationslager Dachau gebracht, wo er einige Wochen später gestorben ist. 70 Jahre liegen diese Ereignisse jetzt zurück, doch gänzlich geklärt sind die Umstände seines Todes immer noch nicht. Es gibt Hinweise, dass Recks Todestag der 16. Februar 1945 war, andere Angaben deuten auf den 24. Februar. Auch über die Todesart kursieren verschiedene Deutungen. Die einen sagen, er sei durch einen Genickschuss getötet worden, andere behaupten, er sei am Flecktyphus zugrunde gegangen.

Wie dem auch sei, Friedrich Reck-Malleczewen war eine außergewöhnliche und vielschichtige Persönlichkeit, deren Wesen nur schwierig zu fassen ist. Zweifelsfrei kann aber festgestellt werden, dass er einer der bissigsten Kritiker der Nazis war. Von Reck stammt das 1947 erstmals erschienene, zeitlos faszinierende "Tagebuch eines Verzweifelten". Die Publizistin Hannah Arendt zählte es zu den bedeutendsten Dokumenten aus der Hitlerzeit. Die Autorin Renate Just beschrieb dieses Tagebuch in ihrem Chiemgau-Reisebuch "Krumme Touren" als "furioses Hassbuch", als eine Anti-Hitler-Tirade von kabarettistischer Scharfsichtigkeit und Bösartigkeit.

Hass auf die "Herde böser Affen"

Reck verdanken wir "Brennglasschilderungen von des Führers Gebaren", wie es Just ausdrückt: "Letzthin in Seebruck sah ich Herrn Hitler, bewacht von seinen vorausfahrenden Scharfschützen, beschirmt von den Panzerwänden seines Autos, langsam vorübergleiten, versulzt, verschlackt, ein teigiges Mondgesicht, in dem wie Rosinen zwei melancholische Jettaugen steckten. So traurig, so über die Maßen unbedeutend, so tief missraten, dass noch vor dreißig Jahren, in den trübsten Zeiten des Wilhelmismus, diese Exkrementalvisage schon aus physiognomischen Gründen unmöglich gewesen wäre."

Schon zu Zeiten, als die meisten Deutschen noch im Jubeltaumel lagen, brodelte in Reck der Hass auf die nationalsozialistische Brut, er nannte sie eine "Herde böser Affen". Ohne Scheu posaunte er seine Verachtung für Hitler in die Welt hinaus, "diesen Unflat, diesen im Rinnstein gezeugten Bastard". Auch daheim in Truchtlaching machte er aus seiner Haltung kein Geheimnis, es war, als wollte er die Denunzianten mit Gewalt herausfordern.

Der 1884 auf dem ostpreußischen Gut Malleczewen geborene Reck durchschritt die Offizierslaufbahn und ein Medizinstudium, arbeitete dann aber als Journalist und Schriftsteller. 1925 erwarb er das Gut Poing bei Truchtlaching. Die Themen seiner Romane und Erzählungen speisten sich aus seinen Reiseerfahrungen. Hohe Literatur war das nicht, in der materiellen Verwertung seiner Texte war er aber nicht ungeschickt. Reck war ein erfolgreicher Unterhaltungsschriftsteller, dessen Unzufriedenheit allerdings stetig wuchs. "Ich kann nicht die besten Dinge, die ich zu sagen habe, für mich behalten und Romane für Dienstmädchen und Droschkenkutscher schreiben", klagte er eines Tages.

Von der Hoffnung zum Hass

"Er war bestimmt nicht das, was man landläufig sympathisch nennt", schreibt Renate Just. Seine politische Grundposition war ein ziemlich finsterer, rückwärtsgewandter antiaufklärerischer Konservativismus, gepaart mit einer Art von frühem Ökofundamentalismus. Nicht nur einmal wetterte Reck gegen die "zerstörerische Gewalt" der Technik.

Sein Tagebuch, das vom Mai 1936 bis zum Oktober 1944 reicht, legt die Nazibarbarei schonungslos offen. Letztmals hat es Hans Magnus Enzensberger 1994 in der "Anderen Bibliothek" aufgelegt, doch es ist längst vergriffen. Anfänglich setzte der finanziell und privat oft bedrängte Reck in den Nationalsozialismus durchaus Hoffnungen. Sein Tagebuch offenbart, wie seine Hoffnung in Hass auf die Nazis umgeschlagen ist. Unter anderem erwähnt er darin, dass ihm 1941 über den Massenmord an 30 000 Einwohnern der Stadt Kiew durch die Deutschen berichtet wurde. Was belegt, dass die Kenntnis deutscher Gräueltaten gegenüber der Zivilbevölkerung schon um diese Zeit zugänglich war. In ihrem Nachwort zur letzten Tagebuch-Edition schreibt Christine Zeile, kaum einer dürfte die Lügen des Dritten Reichs so gnadenlos durchschaut haben wie Reck. Die Genugtuung, das Ende diese Regimes zu sehen, hat er leider nicht mehr erlebt.

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SZ vom 24.02.2015/vewo
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