Von den drei Männern saß keiner selbst am Steuer des dunklen Mercedes, als dieser vor einem Jahr auf der Flucht vor der Polizei mitten in der Nacht und mit viel zu hohem Tempo in die Autobahnausfahrt bei Ampfing fuhr und sich dort überschlug. Die Schleuser hatten 22 Migranten aus Syrien und der Türkei in den Neunsitzer gezwängt, sieben Menschen starben, viele wurden schwer verletzt, einer wird lebenslang ein Pflegefall bleiben. Der Fahrer des Unfallwagens muss sich gerade vor dem Landgericht in Traunstein wegen Mordes verantworten, doch nach Überzeugung der Ermittler ist er nicht allein für den Tod der Geflüchteten verantwortlich.
Sondern mit ihm jene drei Männer, die ihn erst gegen ein Honorar von 300 Euro pro Fahrgast als Fahrer angeworben und ihm in der Nacht in einem sogenannten Scoutfahrzeug vorangefahren sein sollen, um die Route auszukundschaften. Die drei Syrer mit Wohnsitz in Österreich stehen seit diesem Mittwoch wegen Einschleusens mit Todesfolge vor einer anderen Kammer des Traunsteiner Landgerichts.
Verfahren wie dieses sind vergleichsweise selten – auch hier in Bayerns äußerstem Südosten, wo viele Fluchtrouten enden und wo am Landgericht Traunstein oder am Amtsgericht im nahen Grenzstädtchen Laufen praktisch durchgehend Schleuserprozesse geführt werden. In den allermeisten Fällen steht dann nur der Fahrer vor Gericht als derjenige, der irgendwann vielleicht doch mit heimlich einreisenden Migranten an Bord in eine Polizeikontrolle gerät und sich dieser dann womöglich durch Flucht entziehen will, so wie es der Todesfahrer von Ampfing inzwischen gestanden hat.
Damit solche Fahrten nicht von der Polizei entdeckt werden, schicken die Schleuser häufig Scoutfahrzeuge voran, in denen keine illegal Einreisenden sitzen, sondern Menschen mit verbrieftem Aufenthaltsrecht und Reisefreiheit. Im Fall der Todesfahrt von Ampfing schien diese Taktik zunächst auch aufzugehen, denn nachdem sie an der Innbrücke zwischen Braunau und Simbach eine nächtliche Polizeikontrolle bemerkt hatten, sollen die drei Angeklagten den Mercedes mit den Geflüchteten aus ihrem vorausfahrenden BMW heraus per Handy über die Salzachbrücke bei Burghausen umgeleitet haben.
Hinter der Grenze fiel der Van dann zwar einer Polizeistreife auf, aber die war mit Blaulicht zu einem vermeintlichen Einbruch unterwegs. Auf der A 94 Richtung München wollte schließlich eine zivile Streife der Bundespolizei den Wagen mit den abgedunkelten Scheiben stoppen, was zu einer rasenden Verfolgungsfahrt führte und schließlich mit dem tödlichen Unfall bei Ampfing endete.
Ein Schöffe war in der Todesnacht als Ersthelfer dabei
Die drei als mutmaßliche Scoutfahrer angeklagten Männer waren zur Zeit des Unfalls 23, 22 und 17 Jahre alt, weshalb die Verhandlung vor einer Jugendkammer stattfindet. Zu dieser gehören neben drei Berufsrichterinnen auch zwei Schöffen. Solche Schöffen erfahren den Gegenstand des Prozesses stets erst unmittelbar vor der Verhandlung – und bei dieser Gelegenheit hat am Mittwoch einer von ihnen der Vorsitzenden mitgeteilt, dass er in jener Unfallnacht in Ampfing ehrenamtlich für das Rote Kreuz im Einsatz war. Die Vorsitzende stellt es den Verteidigern anheim, Befangenheitsanträge zu stellen, was alle drei tun. Bei allem Respekt vor dem Schöffen bestehe eine erhebliche Besorgnis der Befangenheit, denn die Suggestion der Bilder von dem Unfall sei zu gewaltig, sagt einer der Verteidiger zu Begründung.
Das, was sich in den frühen Morgenstunden des 13. Oktober 2023 an der Autobahnausfahrt Ampfing abgespielt hat, dürfte in der Tat an kaum einem der Beteiligten spurlos vorübergegangen sein. So haben im Verlauf des Prozesses gegen den Fahrer einige Überlebende und auch der medizinische Sachverständige fürchterliche Details geschildert. In der Verhandlung gegen die mutmaßlichen Auftraggeber und Scoutfahrer kommt es am Mittwoch dagegen nicht einmal zur Verlesung der Anklage. Am 6. November, dem nächsten vorgesehenen Verhandlungstermin, soll das Verfahren mit einem anderen Schöffen neu beginnen. Ein Urteil war nach dem bisherigen Zeitplan für Mitte Dezember vorgesehen.