Tod einer Heimbewohnerin:Geständnis vor Freunden

Während eines Praktikums soll ein 17-Jähriger in Oberfranken eine Heimbewohnerin getötet haben - die Frau hatte den jungen Mann zuvor offenbar um Sterbehilfe gebeten. Dass der Fall aufgedeckt wurde, ist einem Zufall zu verdanken.

Dietrich Mittler

Die offiziellen Stellen in der oberfränkischen Kleinstadt Scheßlitz hatten sich allergrößte Mühe gegeben, dass nach dem gewaltsamen Tod einer 100-jährigen Heimbewohnerin keine Details nach außen dringen. "Bei uns ist Ruhe im Ort, wir dürfen nichts sagen - und wir sagen auch nichts", mehr war Werner Götz, dem Leiter der Geschäftsstelle im Rathaus, nicht zu entlocken. "Wir geben dazu keine Stellungnahme ab", heißt es auch bei der gemeinnützigen Krankenhausgesellschaft des Landkreises Bamberg, der Muttergesellschaft des Seniorenzentrums St. Elisabeth in Scheßlitz.

Was die Offiziellen nicht sagen, wohl aber denken: Wozu auch, denn im Verhör hat der Tatverdächtige, ein 17-jähriger Praktikant, ja bereits zugegeben, dass er für den Tod der alten Frau verantwortlich ist.

Der Fall wäre wahrscheinlich nie aufgedeckt worden, hätte sich der 17-Jährige nicht selbst Freunden anvertraut. "Ihnen hat er erzählt, dass er eine alte Frau umgebracht habe", sagt der ermittelnde Bamberger Oberstaatsanwalt Bernd Lieb. Zunächst hätten die Freunde den jungen Mann nicht ernst genommen. "Aber in den Folgetagen haben sie doch Bedenken bekommen, und dann sind sie zur Polizei gegangen", sagt Lieb.

Nach der sofortigen Festnahme folgte rasch das Geständnis: Am Morgen des 27. Juni war der Jugendliche demnach gleich zu Beginn der Frühschicht in das Zimmer der alten Frau gegangen. Als er es verließ, war sie tot. Kurz darauf wurde ihr lebloser Körper von den ausgebildeten Pflegekräften des St. Elisabeth Seniorenzentrums gefunden.

Da man von einem natürlichen Tod ausging, wurde die alte Frau kurz darauf bestattet - und der junge Mann hätte, wie Oberstaatsanwalt Lieb sagt, im Herbst an einer anderen Einrichtung eine Ausbildung als Altenpflegehelfer begonnen.

Im Verhör gab der Geständige an, die alte Frau habe ihn mehrmals gebeten, ihr Sterbehilfe zu leisten. Eine Aussage, die Lieb gerne sorgfältig und diskret überprüft hätte. Doch die in der Pflegeeinrichtung von oben verordnete Schweigsamkeit und die von Lieb angestrebte Diskretion haben nicht verhindern können, dass Jugendliche im Umkreis des Tatverdächtigen Journalisten der Boulevardpresse alles weitergaben, was sie wissen - Beweismittel wie SMS-Nachrichten des 17-Jährigen inklusive.

Demzufolge ist in Bild nachzulesen, dass die alte Frau mit einem Kissen erstickt worden sei. Bernd Lieb würde zwar gerne seinen Ärger zurückhalten. So etwas habe er als Staatsanwalt noch nicht erlebt, sagt er dann aber: "Dadurch wird meine Ermittlungsarbeit nicht leichter." Er werde solche Berichte weder bestätigen noch dementieren. Es sei indes fragwürdig, wenn über Details einer Tat spekuliert werde, die gemäß dem Jugendstrafrecht nicht einmal aus der Hauptverhandlung dringen dürfen.

In der Pflegeszene wird der Tod der 100-Jährigen als neuerliches Alarmzeichen gesehen: "Ich glaube, dass so etwas häufig vorkommt", sagt etwa der Münchner Pflege-Experte Claus Fussek. Offizielle Zahlen, die so eine Vermutung bestätigen könnten, gibt es allerdings keine. Laut Justizministerium sind in Bayern aus den Jahren 2008 bis 2011 gerade einmal zwei Fälle von Tötung auf Verlangen bekannt.

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