Tipps für Erstklässler und Eltern:"Viele neue Dinge auf einen Schlag"

Schulanfang in NRW

Für mehr als 100.000 Kinder in Bayern geht an diesem Donnerstag die Schule los.

(Foto: dpa)

Neue Regeln, ganz viele fremde Gesichter und ein bisschen Konkurrenzdruck: Mehr als 100.000 Kindern in Bayern steht der erste Schultag bevor. Eine Psychologin gibt Tipps für Erstklässler und ihre Eltern.

Von Tina Baier

107.900 Erstklässler haben an diesem Donnerstag ihren ersten Schultag. Simone Fleischmann, Schulpsychologin und Leiterin einer Grund- und Mittelschule im oberbayerischen Poing, erklärt, wie Eltern und Kinder die ersten Wochen meistern.

Was sind die größten Herausforderungen für einen Erstklässler?

Fleischmann:Die Kinder werden auf einen Schlag mit vielen neuen Dingen konfrontiert: Sie müssen lernen, wie das System Schule funktioniert. Sie müssen ihren Platz in der Klasse finden und bekommen mit der Lehrerin eine neue Autoritätsperson. Für viele ist es auch eine große Umstellung, jeden Tag um acht in der Schule sein zu müssen.

Und wie funktioniert das System Schule?

Zum Beispiel müssen alle Kinder zum selben Zeitpunkt genau das machen, was die Lehrerin sagt - etwa mit dem grünen Stift das Datum in die rechte obere Ecke schreiben. Manchen Kindern fällt es am Anfang schwer, das zu akzeptieren. Eine der Erstklässlerinnen hat einmal mitten im Unterricht gesagt: "Ich geh' jetzt zum Sandkasten in den Pausenhof." Schwierigkeiten kann es auch geben, wenn die Erwartungen der Lehrerin nicht mit dem Erziehungsstil zusammenpassen, den ein Kind gewohnt ist. Wenn Maximilian Eltern hat, die klare Ansagen machen, und er dann auf eine Lehrerin trifft, die erwartet, dass die Schüler eigene Entscheidungen treffen, wird ihn das verwirren. Vielleicht läuft er ständig nach vorne und fragt, was er jetzt eigentlich tun soll. Bis Weihnachten hat sich aber normalerweise alles eingespielt.

Manche Kinder haben auch ein Problem damit, dass ihre Leistungen mit denen anderer Kinder verglichen werden.

Das ist richtig. Es kommt zum Beispiel vor, dass auf dem Arbeitsblatt von Leonie steht: "Das kannst du besser" und bei ihrer Freundin Maja findet sich ein Smiley. Dieses Erlebnis kann bei Leonie dazu führen, dass sie sich das nächste Mal mehr anstrengt. Wir erleben täglich, dass das Lernen so funktioniert. Es gibt aber auch Kinder, die bei negativen Rückmeldungen aufgeben. Dann muss die Lehrerin versuchen, das Kind anders zu motivieren. Auch die Eltern können und sollen ihren Kindern helfen. Wenn Luisa ihrer Mutter weinend erzählt, dass sie als einzige das blaue Heft nicht finden konnte, kann die Mutter dafür sorgen, dass Luisa einen optimal sortierten Schulranzen hat.

Ist das nicht übertrieben? Viele Eltern sind der Ansicht, ihr Kind müsse selbst lernen, in der Schule zurechtzukommen.

Bei einem Schulanfänger halte ich diese Einstellung für falsch. Kinder, die irgendwo eine Schwäche haben, etwa in der Organisation, brauchen Stützen. Das können die Eltern sein, das kann aber auch der Banknachbar sein, der beim Suchen hilft.

Aufregend ist es ja auch, plötzlich so viele neue Kinder kennenzulernen.

Jedes Kind muss seinen Platz in der Klasse finden. Wenn ein Schulanfänger zu Hause erzählt, dass ihn die anderen nicht mögen, sollten die Eltern das ernst nehmen. Sätze wie "Das wird schon" helfen dem Kind nicht weiter. Die Eltern müssen dann entscheiden, ob das Problem so gravierend ist, dass sie mit der Lehrerin sprechen müssen.

Was kann die Lehrerin denn tun?

Sie hat viele Möglichkeiten. Grundschullehrer haben gelernt, mit solchen Situationen umzugehen. Zum Beispiel kann sie das Kind fragen, mit wem es gerne befreundet wäre, und diese beiden Kinder dann öfter zusammenarbeiten lassen.

Wie wichtig ist es, mit einem Freund oder einer Freundin in die Klasse zu kommen?

Ich halte das schon für wichtig, weil es den Kindern in ihrem neuen Umfeld Sicherheit vermittelt. Allerdings finden die meisten Kinder auch ganz schnell neue Freunde.

Auch für die Eltern bedeutet der Schulanfang eine Umstellung.

Das hat oft damit zu tun, dass mit der Lehrerin eine zusätzliche Autoritätsperson in das Leben der Kinder kommt. Viele Erstklässler schwärmen von ihrer Lehrerin und sind überzeugt, dass das, was sie sagt, richtig ist - auch wenn Mutter oder Vater vielleicht anderer Ansicht sind. Eltern müssen da manchmal schlucken. Wenn Eltern ernsthafte Meinungsverschiedenheiten mit der Lehrerin haben, sollten sie den Konflikt direkt mit ihr lösen. Das Kind sollte möglichst nicht merken, dass die Mutter oder der Vater nichts von seiner Lehrerin halten. Sechsjährige geraten dadurch in einen Konflikt, der sie überfordert.

Das klingt alles ziemlich anstrengend.

Das ist es auch. Aber wenn die Kinder die Herausforderungen des Schulanfangs bewältigt haben, sind sie ein großes Stück gewachsen.

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