„Soko Tierschutz“:Markenzeichen: Verdeckte Recherchen wie bei Wallraff

Lesezeit: 2 Min.

Der Aktivist und Vorsitzende der „Soko Tierschutz“, Friedrich Mülln. (Foto: Robert Haas)

Die „Soko Tierschutz“ ist klein - und sehr erfolgreich im Aufdecken von Skandalen in der Tierhaltung. Die Bilanz bisher: vier geschlossene Tierversuchlabore, 14 geschlossene Schlachthöfe, mehr als hundert verurteilte Tierquäler. Immer mittendrin ist Gründer Friedrich Mülln.

Von Christian Sebald

Die „Soko Tierschutz“ ist eine sehr kleine Tierrechtsorganisation. Sie zählt gerade mal sechs Mitarbeiter. Aber sie deckt immer wieder schlimme Tierschutz-Skandale auf und produziert so Schlagzeilen. Ihr Aushängeschild und gleichzeitig ihr Vorsitzender ist der Aktivist Friedrich Mülln, Jahrgang 1980. Geboren im baden-württembergischen Lörrach und aufgewachsen im oberbayerischen Laufen, ist Mülln als 13-Jähriger Tierschützer geworden. So hat er es in einem ausführlichen Porträt berichtet, das der Bayerische Rundfunk vor einigen Jahren über ihn gedreht hat. Mit 14 recherchierte Mülln demnach erstmals über Massentierhaltung, und zwar in einer Putenfarm nahe seinem Wohnort. Die Bilder davon veröffentlichte er in lokalen Medien.

Seither ist Mülln aktiv in der Tierschutzszene unterwegs, erst als Politikstudent, später als Mitarbeiter von großen Tierschutzorganisationen, auch in Österreich. Sein Markenzeichen sind von Anbeginn an verdeckte Recherchen nach den Prinzipien von Günter Wallraff. Der inzwischen 82-jährige Journalist und Autor ist bekannt für seine investigativen Reportagen über deutsche Unternehmen, vor allem aber über die Bild-Zeitung. Von ihm hat Mülln die Arbeitsweise übernommen.  Die erste große Aufdeckung, die bundesweit Schlagzeilen machte, gelang Mülln schon im Jahr 2003. Es war der sogenannte Covance-Skandal.

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Die Firma Covance ist ein großes amerikanisches Auftragsforschungsinstitut und weltweit in mehr als 20 Ländern vertreten. Im nordrhein-westfälischen Münster betreibt sie ein großes Tierversuchslabor. 2003 ließ sich Mülln dort als Tierpfleger anstellen und recherchierte fünf Monate verdeckt über die Haltungsbedingungen für die Primaten, an denen dort Tierversuche betrieben wurden. Aus dem Bildmaterial entstand ein Fernsehbeitrag, in dem unter anderem gezeigt wurde, wie Angestellte „ihre Wut an den Affen ausgelassen, sie angeschrien, zu Boden gestoßen und geschüttelt haben“. Auch wenn Mülln heute – 22 Jahre nach der Recherche – vergleichsweise nüchtern darüber spricht, merkt man ihm an, wie sehr ihn die Eindrücke von damals nach wie vor bewegen. Der Fernsehbeitrag erregte zahlreiche Proteste. Covance ging gerichtlich gegen die Ausstrahlung vor. In dem Rechtsstreit setzte sich letztlich allerdings Mülln durch, er durfte seine Bilder weiter verbreiten.

Die „Soko Tierschutz“ hat Mülln 2012 nach seiner Rückkehr von Österreich nach Bayern gegründet. Der Name leitet sich von einem großen Polizeieinsatz in Österreich gegen die Tierschutzszene ab, der von „einer eigens hierzu eingerichteten Soko Tierschutz durchgeführt wurde“, wie Mülln auf der Internetseite des Vereins schreibt. Mit der Organisation hat sich Mülln vor allem auf Recherchen auf Bauernhöfen und in der Massentierhaltung, aber auch in Schlachthöfen verlegt. Im Laufe der Jahre haben Mülln und die Soko Tierschutz denn auch eine ganze Reihe einschlägiger Tierhaltungsskandale aufgedeckt. Die Bilanz der zurückliegenden 13 Jahre: „vier geschlossene Tierversuchlabore, 14 geschlossene Schlachthöfe, mehr als hundert verurteilte Tierquäler“, wie es ganz oben auf Müllns Internetseite heißt.

In Bayern waren es zuletzt die massiven Missstände am Schlachthof im unterfränkischen Aschaffenburg. Im Sommer 2023 veröffentlichte die Soko Tierschutz Bilder, die zeigen, wie Beschäftigte des Schlachthofs Schweine und Rinder mit Elektroschockern traktieren und offensichtlich noch lebende Tiere auseinandernehmen. Wie jetzt offenkundig in Bad Grönenbach liefen auch im Aschaffenburger Schlachthofskandal die behördlichen Kontrollen ins Leere. Der Grund: Eine lokale Veterinärin gab die jeweiligen Termine an die Mitarbeiter des Schlachthofs weiter, sodass es dann bei den Kontrollen selbst keinerlei Hinweise auf Missstände gab. Nach einem längeren Gerichtsstreit soll der Schlachthof nun Ende Juni 2026 den Betrieb einstellen. Der Pachtvertrag mit der Firma, die den Schlachthof betreibt, lief ursprünglich bis 2029.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatte es im zweiten Satz geheißen, die die Organisation "gerade mal sechs Mitglieder" zähle. Richtig sind "Mitarbeiter".

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