Tierschutz:Greifvögel in Gefahr

Mäusebussard im Anflug

Was für ein ästhetisches Tier so ein Mäusebussard doch ist. Manche Menschen aber fühlen sich offenbar durch Greifvögel gestört - und töten sie.

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

Immer wieder werden Bussarde, Milane oder Falken von Wilderern mit perfiden Methoden getötet. 16 Fälle sind 2015 dokumentiert, doch die wirkliche Zahl dürfte weit höher sein

Von Christian Sebald

Das Dreieck zwischen Lichtenau, Wolframs-Eschenbach und Merkendorf im Landkreis Ansbach zum Beispiel: In den Wäldern dort hat Günther Klumpp im September 2015 die Überreste von 20 toten Vögeln entdeckt. "Elf waren Mäusebussarde, zwei Rotmilane, vier Turmfalken", sagt Klumpp. "Bei den übrigen handelte es sich um Tauben oder Krähen." Das Schockierende daran: Alle 17 Greifvögel waren offenbar gewildert worden. "Beim Röntgen hat man Schrot in den Kadavern entdeckt", berichtet Klumpp. "Dabei ist die Jagd auf Greifvögel untersagt." Tatsächlich herrscht Jagdverbot für alle Greifvögel, egal ob es sich um Falken, Mäusebussarde, Adler oder andere handelt. Rotmilane, die wie Mäusebussarde Habichtartige sind, sind sogar streng geschützt.

Für Andreas von Lindeiner gehören Vorfälle wie der bei Ansbach zum Alltagsgeschäft. "Man glaubt es ja nicht", sagt der oberste Artenschützer im Vogelschutzbund LBV, "aber Wilderei von Greifvögeln ist nach wie vor weit verbreitet - gerade in Bayern." Dieser Tage haben der LBV, der Umweltverband Nabu und das Komitee gegen den Vogelmord ihre bundesweite Statistik über die Straftaten veröffentlicht. Von den 60 dokumentierten Fällen im Jahr 2015 passierten 16 in Bayern. "Dabei sind sie ganz sicher nur die Spitze des Eisbergs", sagt Lindeiner. "Die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher." Denn es ist schon ein großer Zufall, wenn ein Vogelfreund wie Klumpp irgendwo in einem Wald oder auf freiem Land auf einen Kadaver stößt und dann auch Hinweise entdeckt, dass der Vogel Opfer eines Wilderers geworden sein könnte.

Vogelschützer vermuten, dass die Wilderer aus der Jägerszene kommen

Die Täter stellen den Tieren mit Gewehren, Gift und Fallen nach. "Da sind mitunter richtig heftige Methoden dabei", sagt Lindeiner, "lebende Köder etwa." Das sind Tauben, deren Rückenfedern mit Gift präpariert sind. Die Tiere werden inmitten eines Habichtreviers freigelassen - "mit dem Ziel, dass der Greifvogel von oben auf sie herabstößt und an dem Gift an ihren Rückenfedern verendet", wie Lindeiner sagt. Andere machen sich die Mühe mit Ködern erst gar nicht. Im Mai 2015 zündete ein Unbekannter im Donaumoos eine Wiese an, um das Gelege eines überaus seltenen Sumpfohreulen-Paares zu vernichten.

Die Wilderer vermuten die Vogelschützer in Jägerkreisen. "Man darf die Jäger sicher nicht unter Generalverdacht stellen", sagt Lindeiner. "Aber es gehören eine Menge Jagdkenntnisse dazu, um Greifvögeln nachzustellen. So muss man schon sehr genau wissen, in welchen Bäumen sie sitzen, wo sie auf Beutefang gehen und anderes mehr." Ein weiteres Indiz sei, dass in den Kadavern erschossener Greifvögel stets Jagdmunition entdeckt wird - "die verwenden für gewöhnlich ja nur Jäger", sagt Lindeiner. "Zumal andere Personen ja nicht so leicht an sie herankommen." Auch die Motive der Wilderer sind zumeist jagdlicher Natur. "Manch einer glaubt wirklich noch, dass er mehr Hasen, Rebhühner und Fasane im Revier hat, wenn er Greifvögel abschießt", sagt Lindeiner. "Dabei ist längst erwiesen, dass das absurd ist." Die intensive Landwirtschaft etwa mit ihren gigantischen Mais- oder Getreideäckern, in der kein Platz ist für Hecken und Bauminseln, schadet Hasen, Rebhühnern und Fasanen viel mehr als jeder Greifvogel.

Eines freilich hat sich geändert. Polizei und Staatsanwaltschaft verfolgen Wildereien sehr viel intensiver als noch vor wenigen Monaten. Der Grund ist, dass der LBV und andere Naturschutzverbände inzwischen jeden Fall öffentlich machen, der ihnen bekannt wird. "Seither ermitteln die Behörden deutlich konsequenter", sagt LBV-Chef Norbert Schäffer. Natürlich hat auch der Vogelfreund Klumpp die Wildereien in den Wäldern im Landkreis Ansbach sofort angezeigt. Ob die Polizei aber den oder die Täter stellen wird, ist ungewiss. "Bisher ist es in der Regel so, dass die Ermittlungen irgendwann ohne Ergebnis eingestellt werden", sagt Lindeiner, "und die Täter ungeschoren davonkommen."

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