Tierschützer attackieren Mönche:Kampf ums Kälbchen

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Kühe beim Kloster Sankt Ottilien. (Foto: Günther Reger)

Ein kleines Kälbchen soll vor der Schlachtbank gerettet werden und löst einen erbitterten Streit aus. Sind die Mönche vom Kloster Sankt Ottilien profitgierig und wollen das Tier deshalb nicht verkaufen? Oder liegt es doch an fanatischen Tierschützern, die dem Kloster einen Shitstorm beschert haben? Nun soll ein Animalpastor schlichten.

Von Ariane Lindenbach

Wer sind die Bösewichter in dieser Angelegenheit? Hartherzige, profitgierige Mönche, die einem kleinen Mädchen seinen Herzenswunsch verweigern? Oder fanatische Tierschützer, die möglichst publikumswirksam eine Hetzkampagne gegen das Kloster im Besonderen und die Massentierhaltung im Allgemeinen gestartet haben? Diese Fragen stellen sich, wenn man derzeit auf die Abtei Sankt Ottilien im oberbayerischen Landkreis Landsberg blickt.

Die Rahmenhandlung ist ebenso kurios wie rührselig: Die damals neunjährige Fanny will Ende vergangenen Jahres nach einem Besuch der Landwirtschaft im Kloster Sankt Ottilien von den Mönchen ein steriles Kälbchen namens Flora kaufen.

Fanny möchte das Tier vor dem vermeintlich sicheren Gang zur Schlachtbank bewahren und auf einem Gnadenhof für Tiere unterbringen. Die Glaubensbrüder verweigern dem Mädchen im November den Wunsch, laut Fannys Mutter, weil sie generell keine Kälber verkaufen. Es sei "eine sehr harte und kalte Antwort" gewesen, sagt die Mutter.

Seither gibt es einen regen Brief- und E-Mail-Wechsel, an dem sich auch "Europas einziger Animalpastor", wie er sich nennt, beteiligt. Fannys Mutter hatte Tomasz Jaeschke auf die ihrer Meinung nach wenig christliche Haltung seiner Glaubensbrüder aufmerksam gemacht.

Jaeschke lebt in Wien und stammt aus Polen, wo er in Krakau katholische Theologie und Philosophie an der Päpstlichen Akademie studierte. Von einem Telefonat mit Erzabt Wolfgang Öxler, in dem er um die Herausgabe des Kälbchens bat, berichtet er: "Auf meine theologische Argumentation ist er überhaupt nicht eingegangen."

Shitstorm überm Kloster

Wer im Kloster nachfragt, dem wird die Situation allerdings ganz anders geschildert. "Ich hätte dem Mädchen das Kälbchen sogar noch geschenkt", sagt Öxler. Doch dann seien plötzlich ein Shitstorm im Internet und Telefonterror über das Kloster hereingebrochen, berichtet der Erzabt.

Denn neben Fanny samt ihren Eltern sowie dem Animalpastor, der via Facebook gegen die Mönche und ihre Einstellung zu Tieren wettert und Unterstützer sucht, hat die Geltendorferin Daniela Böhm etwa zur selben Zeit im Internet eine Kampagne gegen die Bullenmast im Kloster gestartet. Darin prangert sie die angeblich unhaltbaren Zustände in den Ställen an.

Bereits Ende des vergangenen Jahres hatten mehr als 11.000 Unterzeichner im Internet einen Aufruf für eine artgerechtere Tierhaltung unterschrieben. Dabei hatte ein Amtstierarzt den Stall begutachtet und alle Vorschriften des Tierschutzgesetzes erfüllt gesehen.

Nach Öxlers Darstellung sind die Mönche seit mehreren Monaten Opfer von Attacken per Telefon und Internet. "Es ist wirklich eine Tyrannisierung, da rufen Leute aus Berlin an, die haben den Stall noch nie gesehen." Noch immer gebe es täglich mehrere Aktionen gegen die Mönche und ihre Tierhaltung. Deshalb sei auch seine Absicht, das Kalb zu verschenken, geplatzt.

Beim Abt darf jeder gerne vorbeikommen

Der Erzabt widerspricht außerdem den Behauptungen der Tierschützer, Flora werde mit zwölf Monaten geschlachtet und er verweigere sich einem Gespräch, sei es mit Fanny, Tomasz Jaeschke oder Daniela Böhm. "Der Animalpastor kann gerne vorbeikommen, es kann jeder kommen", betont Öxler.

Ob diese nun öffentlich ausgesprochene Einladung Bewegung in den Konflikt und die verhärteten Fronten bringen wird? Denn der Wiener Animalpastor - eine Bezeichnung übrigens, die Öxler noch nie zuvor gehört hat - überlegt tatsächlich, am Sonntag nach Sankt Ottilien zu reisen und mit dem Erzabt über Floras Zukunft zu reden. Von Katholik zu Katholik.

© SZ vom 29.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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