Süddeutsche Zeitung

Paviane im Nürnberger TiergartenGehört die Tötung von Tieren in die Öffentlichkeit?

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Seit Tiergartendirektor Dag Encke einen drastischen Schritt für den Artenschutz angekündigt hat, geht es rund im Netz. Drohungen halten Freunde höherer Ethik offenbar für angemessen.

Kolumne von Olaf Przybilla, Nürnberg

Aus "gegebenem Anlass" sieht sich der Tiergarten Nürnberg gerade gezwungen, darauf hinzuweisen, dass er Drohungen gegen seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter partout nicht dulde. Auch Beschimpfungen lösche man in der Kommentarspalte. Der Nürnberger Zoo hat dieser Tage bekannt gegeben, dass er sich höchstwahrscheinlich gezwungen sehen wird, Paviane in einem zu klein gewordene Areal zu töten. Seither geht es rund.

Wer sich die besagten Kommentare anschaut, muss erkennen, dass der Zoo die Lösch-Warnung nicht kleinkariert auslegt. Dass sie im Tiergarten wahlweise "einen an der Waffel" oder eine "hohle Birne" haben oder einfach nur "krank" sind, kann man da lesen. Woraus sich einiges über die Fell-Beschaffenheit ableiten lässt, die sich Tierpflegerinnen und Zoologen aneignen müssen. Bedrohungen? Halten besondere Freunde der Moral offenbar für ethisch absolut angemessen.

Andere wiederum argumentieren, mit seinem offensiven Schritt in die Öffentlichkeit mache der Tiergarten "Nürnberg und seine Einwohner in ganz Deutschland schlecht". Dazu habe er "kein Recht". Was eine vermeintliche Lösung wäre? "Nicht lange reden, einfach machen."

Genau das will Zoodirektor Dag Encke nicht. In der SZ hat er haarklein auseinandergesetzt, was ihn als Zoologen dazu bewegt, solche Tötungen für den Artenschutz als Ultima Ratio zu befürworten. Dass seine Argumentation - nach Prüfung von Alternativen wie Arealerweiterung, Tierabgabe, Auswilderung, Kastration und Verhütung - nicht alle mitgehen werden, ahnte Encke natürlich. Die Hass-Auswüchse ebenfalls. Er kennt das ja. Als der Tiergartenchef einmal öffentlich über das womöglich notwendig werdende Einschläfern eines Zoo-Löwen nachdachte, räsonierten Moral-Freunde, man möge ihn einfach zu dem Raubtier sperren.

Ob Encke tatsächlich dringend Nachhilfe in grundlegenden Fragen der Ethik braucht? Oder gar jemand ist, der unbedingt in der Medienöffentlichkeit stehen will? Das mag jeder für sich entscheiden. Im Oktober 2005 jedenfalls beobachtete der Zoodirektor in der Nähe des Tiergartens zufällig, wie ein Mann mit einer Schusswaffe auf eine Frau zielte. Encke versuchte dem Täter in den Arm zu fallen, wurde von einer Kugel getroffen und musste notoperiert werden. Darüber reden will Encke nicht mehr. Vor allem die unfreiwillige Medienprominenz habe ihm schwer zu schaffen gemacht, hat er das mal erklärt.

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