Rinderexporte in Bayern:Tierquälerei per Eilentscheid

Rindertransport, 2008

Tausende Kilometer weit werden Rinder aus Bayern transportiert, teils unter massiven Verstößen gegen das Tierwohl.

(Foto: Christian Endt)
  • Das Verwaltungsgericht München hat die Amtsveterinäre aus Altötting und Ebersberg verpflichtet, Vorzeugnisse für 38 Rinder auszustellen, die nach Usbekistan transportiert werden sollen.
  • Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt es auf den Fahrten oder spätestens am Zielort zu massiven Verstößen gegen die Tierschutzvorgaben.
  • Der Streit um die Rinderexporte hatte Anfang des Jahres eine Debatte ausgelöst.

Von Christian Sebald

Im Streit um tierquälerische Transporte von Rindern aus Bayern in die Türkei, nach Usbekistan und in andere Länder außerhalb der Europäischen Union haben sich die Exporteure durchgesetzt. Am späten Dienstagnachmittag hat das Verwaltungsgericht München die Amtsveterinäre an den Landratsämtern Altötting und Ebersberg per Eilentscheid verpflichtet, sogenannte Vorzeugnisse für 38 Rinder auszustellen, die aus beiden Landkreisen in das mehr als 4000 Kilometer Luftlinie entfernte Usbekistan ausgeführt werden sollen.

Die Papiere bestätigen, dass die Tiere aus gesunden Herden stammen und sind Voraussetzung für die Transporte. Die Veterinäre in Bayern hatten sich teils über Monate hinweg geweigert, sie zu erteilen. Der Grund ihres Widerstands: Mit hoher Wahrscheinlichkeit kommt es auf den Fahrten oder spätestens am Zielort zu massiven Verstößen gegen die Tierschutzvorgaben.

Der Altöttinger Landrat Erwin Schneider (CSU) reagiert sehr verärgert auf die Entscheidung. "Damit macht das Verwaltungsgericht klar, dass unsere Veterinäre, wir Landräte und letztlich auch die Staatsregierung die extrem tierquälerischen Exporte nicht verhindern können", sagt er. Der Landshuter Landrat Peter Dreier (Freie Wähler), dessen Amtstierärzte Anfang des Jahres bundesweit als erste die Ausstellung von Vorzeugnissen verweigert hatten, übt harsche Kritik an den Richtern. "Der Tierschutz ist in unserer Bayerischen Verfassung als Staatsziel fest verankert", sagt er. "Schon alleine deshalb ist mir nicht klar, weshalb die Richter eine solche Entscheidung fällen können." Der Deggendorfer Landrat und Chef des Landkreistags, Christian Bernreiter (CSU), kommentiert sarkastisch: "Mit dem Spruch haben unsere Veterinäre Rechtssicherheit."

Der Streit um die Rinderexporte hatte Anfang des Jahres bundesweit hohe Wogen geschlagen. Deshalb schaltete sich Umweltminister Thorsten Glauber (FW) schnell ein. Auf den umstrittenen Fahrten müssen die Rinder tagelang Hitze oder Kälte erdulden. Sie haben kaum Platz auf den Lastwagen, bekommen oft viel zu wenig zu trinken und zu fressen, und werden zu selten oder gar nicht für Erholungspausen abgeladen. An den Zielorten werden sie früher oder später unter meist grausamen Bedingungen geschlachtet: ohne Betäubung, gefesselt, mit mehreren Entblutungsschnitten und in einem minutenlangen Todeskampf, wie immer wieder in Fernsehdokumentationen zu sehen und in Fachzeitschriften nachzulesen ist. Glauber, der kraft Amtes für das Veterinärwesen zuständig ist, machte den Widerstand der Amtstierärzte schnell zu seiner Sache und kündigte einen Stopp der Exporte an.

Aus Sicht vieler Tierschützer ist dabei nicht allzu viel herausgekommen. Der Minister musste früh einräumen, dass nach Einschätzung seiner Juristen die Amtstierärzte verpflichtet sind, Vorzeugnisse auszustellen. Inzwischen haben dies Verwaltungsgerichte in etlichen Bundesländern bestätigt. Die Eilentscheidung der Münchner Richter ist freilich die erste Entscheidung eines bayerischen Gerichts. Auch Glaubers Negativliste mit 17 Staaten in Zentralasien, Nordafrika und dem nahen Osten, in die keine Tiertransporte mehr stattfinden sollen, bringt wenig. Denn die Tiere werden nun über Umwege dorthin exportiert.

Alle Bundesländer müssten an einem Strang ziehen

Sie werden zunächst zu Sammelstellen in anderen Bundesländern oder EU-Staaten gefahren und gehen von dort aus auf ihre qualvolle Reise. So auch die 38 Rinder, für die der Rinderzuchtverband Mühldorf jetzt die Vorzeugnisse erzwungen hat. Sie sollen erst zu Sammelstellen in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern transportiert werden und von dort nach Usbekistan. Wohl deshalb erklärte Glauber alsbald, dass Bayern alleine die Exporte nicht verhindern könne. Dafür müssten alle Bundesländer an einem Strang ziehen. Nun bekräftigte er dies: "Die neue Entscheidung zeigt klar: Wir brauchen eine bundesweite Lösung."

Die Amtstierärzte gewinnen dem Spruch immerhin einen positiven Aspekt ab. Die Richter haben nämlich entschieden, dass die Vorzeugnisse nur die Angaben für Transporte innerhalb der EU enthalten müssen. Also zum Beispiel, dass in den Herden, aus denen sie stammen, kein Tier an Maul- und Klauenseuche oder TBC leidet. Weitergehende Angaben über die Gesundheit der Herden, wie sie viele Drittstaaten für den Import einfordern, müssen die Amtsveterinäre laut Gericht nicht machen. Selbst wenn die Exporteure noch so massiv darauf drängen. "Das ist ein Fortschritt", sagte Josef Schmid, Leiter des Veterinäramts am Landratsamt Traunstein und Chef des Verbands der beamteten Tierärzte in Bayern. "Damit werden die Exporte deutlich erschwert."

Der Rinderzuchtverband Mühldorf war für eine Stellungnahme nicht erreichbar, Experten zufolge zählt er zu den Organisationen, die vergleichsweise viele Rinder ausführen. Verwaltungschef Josef Frank hatte schon früh angekündigt, die Ausstellung der Papiere notfalls erzwingen zu wollen. Beim Landesverband bayerischer Rinderzüchter gibt man sich unwissend. "Wir kennen die Eilentscheidung nicht", sagt Geschäftsführer Georg Röhrmoser. "Wir müssen sie erst einmal studieren." Im vergangenen Jahr wurden knapp 15 000 Rinder aus Bayern in Drittstaaten exportiert, die meisten davon trächtige Kühe.

Derweil ist für den Altöttinger Landrat Schneider der Streit nicht ausgestanden. "Die Transporte sind eine solche Qual, dass ich nicht nachlassen werde", sagt er. Schneider wüsste schon, wie die Staatsregierung die Exporte beenden könnte: "Wenn ein Zuchtverband partout nicht von ihnen lassen will, dann muss man ihm die Zuschüsse streichen", sagt der er. "Dann ist schnell Schluss mit den Transporten."

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