Süddeutsche Zeitung

Thor Steinar verklagt Persiflage:Storch Heinar - dem "Endsieg" nahe

Das bei Neonazis beliebte Modelabel Thor Steinar legt sich mit "Führerstorch" Heinar an - und zieht vermutlich den Kürzeren: Das Landgericht Nürnberg ließ durchblicken, dass es den Storch nicht verbieten wird.

Kathrin Haimerl

Er spricht von "Endsieg". Der Beklagte, der an diesem Mittwoch vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth steht, denkt in Superlativen. "Wir können ihn kaum beruhigen", sagt Mathias Brodkorb, sein geistiger Vater und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion in Mecklenburg-Vorpommern. "Er faselt ständig etwas von Wunderwaffe."

Der da mit Ausdauer faselt, nennt sich Storch Heinar. Es ist eine Kunstmarke, eine Persiflage auf das bei Neonazis überaus beliebte Szenelabel Thor Steinar. Und genau darum ist es nun vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegangen: Thor Steinar, die Marke mit den Neonazi-Fans, klagt gegen Storch Heinar, den Parodisten mit SPD-Hintergrund, wegen Markenrechtsverletzung und Verunglimpfung.

Doch die Chancen für die Firma MediaTex GmbH mit Sitz im brandenburgischen Mittenwalde, die die Marke Thor Steinar vertreibt, stehen schlecht: Das Landgericht Nürnberg hat an diesem Mittwoch Agenturberichten zufolge deutlich gemacht, dass es den Verkauf der Jux-Storch-Marke nicht verbieten wird. Der Richter empfahl MediaTex, ihre Klage zurückzuziehen, was diese ablehnte. Das Urteil soll nun am 11. August fallen.

Storch Heinar ist ein satirisches Nebenprodukt des Schweriner Internetportals Endstation Rechts, einem Projekt der mecklenburg-vorpommerschen SPD, das Sozialdemokrat Brodkorb mitverantwortet. Endstation Rechts klärt seit mehreren Jahren seriös und kritisch über Aktivitäten und Entwicklungen in der rechtsextremen Szene auf. Storch Heinar wiederum sei "eine auflockernde Ergänzung bei unserem Kampf gegen Nazis", erklärt Brodkorb. Er nennt sich auch "Führerstorch" und trägt Hitler-Bärtchen.

Die Firma MediaTex also will dem Storch unter anderem wegen Markenrechtsverletzung an den Kragen. Ein Verstoß gegen § 15 Markengesetz aber hieße, dass die Firma MediaTex befürchtet, Storch Heinar könnte ihr mögliche Kunden abspenstig machen. Völlig absurd, sagt SPD-Mann Brodkorb. "Man darf eines getrost unterstellen: Unsere Kunden würden nie 'Thor Steinar' tragen - und umgekehrt gilt dies ebenfalls."

Das sieht das Landgericht Nürnberg ähnlich: Die beiden Mode-Labels könnten deutlich unterschieden werden, befand der Richter. "Thor und Storch sind nicht verwechselbar."

Also: Nochmals zum Verständnis: Thor Steinar ist das Label, das mit seinem Logo und mit den Schriftzügen auf seinen Shirts, pardon, "T-Hemden", gerne auf die germanische Mythenwelt anspielt und in der rechtsextremen Szene hoch im Kurs steht. Genau deshalb ist das Tragen der Kleidung in bestimmten Räumen untersagt, so zum Beispiel im Bundestag oder im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern, in dem neben dem SPD-Abgeordneten Brodkorb auch sechs Abgeordnete der NPD sitzen.

Kleidungsstücke vertreibt im Internet auch der modeverrückte Storch Heinar; er spricht damit aber wiederum genau die gegenteilige Zielgruppe an. In seinem Mode-Reich veräppelt Storch Heinar die in der Neonazi-Szene so wichtigen Symbole und Zeichen. So hat er statt Keltenkreuze Kältekreuze (Schneeflocken) im Angebot. Oder die GröTaZ, die größte Tasse aller Zeiten. Was einmal als Satire auf Thor Steinar begonnen hat, hat sich auf dem Eiland des Führerstorchs zu einer umfassenden Parodie der Zeichensprache in der rechtsextremen Szene entwickelt.

Humor gegen Rechtsextremismus - für den Parlamentarier Brodkorb ist dies eine legitime Strategie in seiner Arbeit. Es sei doch Realsatire, sagt er, wenn die Abgeordneten der NPD im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern bestimmen wollten, was "deutsche Kultur" sei, selber aber kaum einen grammatikalisch korrekten Satz hervorbringen. "Über diese Typen muss man - auch - lachen."

Doch der Vorwurf der Markenrechtsverletzung ist nicht das einzig Kuriose an diesem Prozess. Die Firma MediaTex klagt darüber hinaus noch wegen Verunglimpfung. Auch davon könne keine Rede sein: Ähnlich wie die Verulkung von Lufthansa in Lusthansa handele es sich bei Storch Heinar um eine Persiflage, analysiert das Landgericht Nürnberg. Diese wiederum falle unter die Kunstfreiheit.

Den Vorwurf der Verunglimpfung hatte Heinar-Vater Brodkorb allerdings noch aus einem anderen Grunde zurückgewiesen. Denn die Mittenwalder Firma hatte einen Tag, nachdem Brodkorb und Mitstreiter ihren Storch an den Start brachten, selbst versucht, sich die Marke "Storch Heinar" beim Patent- und Markenamt eintragen zu lassen. Dies sei aber gescheitert, so Brodkorb. "Es ist irgendwie nicht sehr glaubwürdig, selbst die Marke, durch die man sich verunglimpft fühlt, zu beantragen."

Die Firma MediaTex hat schon einige Prozesse hinter sich, in denen es etwa um das alte Thor-Steinar-Logo oder gegen die Berichterstattung in Medien ging. Zu der Gerichtssache in Franken wollte MediaTex auf Anfrage von sueddeutsche.de keine Stellungnahme abgeben. Bleibt also genügend Raum für Storch Heinar, den Termin in Nürnberg medienwirksam für sich in Szene zu setzen.

Und damit wären wir wieder bei der angekündigten "Wunderwaffe". Denn der "Führerstorch" hat seit mehreren Monaten ein T-Shirt im Angebot, dessen Erlös direkt in die Kasse für die Prozesskosten fließt. Darauf zu sehen: Storch Heinar, der Weltkriegsverliererbesieger.

Teile der Erlöse wird der Storch denn wohl auch brauchen können. Denn wegen der Verwednung eines unzulässigen Logos bei der satirisch gemeinten "Kampftasche Wüstenfuchs" wird Storch Heinar voraussichtlich Schadenersatz leisten. Der dürfte aber nicht allzu hoch ausfallen. Denn mit diesen Taschen hatte der modeverrückte Führerstorch wenig Gespür für Trend bewiesen: Es wurden lediglich vier Stück zum Einzelpreis von 29,90 Euro verkauft.

(Az. 3 O 5617/09)

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