Thomas Mütze ist neuer Fraktionschef:Frontmann mit leiser Stimme

Jetzt kommt ein Unterfranke: Mit zwei Gegenstimmen haben die Landtagsgrünen Thomas Mütze zum neuen Fraktionschef gewählt.

Katja Auer

Thomas Mütze hat schon Erfahrung mit den Schatten großer Vorgänger. 2003 fiel so einer auf ihn, als er in den Landtag kam - und gleich in den wichtigen Haushaltsausschuss. Denn Mütze, der Neue, folgte Emma Kellner nach, einer Art Legende unter Grünen und Haushältern. Sie soll die einzige Oppositionspolitikerin gewesen sein, der der frühere Finanzminister Kurt Faltlhauser (CSU) jemals aufrichtige Anerkennung entgegenbrachte. Als sie ging, bedauerte das sogar die CSU.

Thomas Mütze zum neuen Grünen-Fraktionschef gewählt

Will aufräumen mit alten Klischees: Der neue Grünen-Fraktionschef Thomas Mütze.

(Foto: Frank Leonhardt/dpa)

Dann kam Mütze, und der Finanzminister hörte einfach nicht mehr hin. Ignorierte schlichtweg seine Reden, daran kann sich Mütze noch erinnern.

Heute ist Mütze als Haushaltsexperte anerkannt. Und sie hören ihm zu im Landtag. "Ich war keine Emma Kellner", sagt er. "Und ich bin auch kein Sepp Daxenberger." Seit gestern ist Mütze, der in wenigen Tagen 44 Jahre alt wird, wieder der Nachfolger eines großen Vorgängers. Mit zwei Gegenstimmen wählten ihn die Grünen zum neuen Fraktionschef. Sepp Daxenberger, der Supersepp, so haben sie ihn im Wahlkampf beworben, musste das Amt wegen seiner Krebserkrankung aufgeben.

"Ich habe keine Angst vor dem Vergleich", sagt Thomas Mütze, wohlwissend, dass keiner Daxenberger einfach so ersetzen könnte, zu hoch sind dessen Popularitätswerte, zu markant ist die Figur Daxenberger. Die Nachfolge lief recht schnell auf Mütze zu. Daxenberger selbst sprach mit mehreren Kandidaten, Sepp Dürr, der bis vor anderthalb Jahren Fraktionschef war, soll abgewinkt haben. Mütze wollte. "Es ist eine neue Herausforderung", sagt er, und außerdem beweise das Vertrauen der Fraktion, "dass ich nicht alles falsch gemacht habe".

Neue grüne Mitte

Mütze ist kein Biobauer wie Daxenberger, sondern Lehrer, er lebt nicht auf dem Land, sondern in Aschaffenburg, und einen Bart hat er auch nicht. Ob er ein klassischer Grüner ist? "Die Leute sollen weg von den Klischees", sagt Mütze, und das sei vielleicht etwas, das ihm gelingen könnte: Nachdem Daxenberger auf dem Land bewiesen hat, dass auch ein Grüner heimatverbunden und bodenständig sein könne, wolle er die Klischees in der Stadt aufbrechen. Neue Mitte, so würde er seine Position bestimmen.

1983 ist Mütze bei den Grünen eingetreten, da war er 16. An Aktionen gegen das Waldsterben hat er sich damals beteiligt und an den Protesten gegen Atomraketen. Aber als dann in verrauchten Zimmern über linke Ideale diskutiert wurde, da war ihm das schon zu abgehoben. "Ich bin kein Extremer", sagt Mütze. "Ich bin einfach realistisch."

Das sagen auch ein paar Leute aus der CSU über den Haushaltspolitiker: dass der in Ordnung sei, vernünftig halt. Vernünftig, das ist so ein zweischneidiges Lob, weil vernünftig nicht weit weg ist von langweilig. Verbiegen will er sich trotzdem nicht. "Ich werde mit meiner ruhigen Art schon durchdringen", glaubt er. Unaufgeregt geht Mütze die Dinge an, auch in der Haushaltspolitik. Er plädiert für eine "vernünftige Finanzpolitik", die in der Realität bestehen könne. Also keine utopischen Forderungen aus der Opposition heraus, die ohnehin nicht finanzierbar seien. Den "Mann der Stunde" nennt ihn Margarete Bause, seine neue Partnerin in der grünen Doppelspitze, wegen seines Wissens um die Finanzpolitik.

Mütze ist in Würzburg geboren. In Hessen, an der Justus-Liebig-Universität in Gießen, hat er Lehramt für Haupt- und Realschule studiert, "weil ich in der Schule tolle Lehrer hatte". Er hat seinen Job gerne gemacht, sagt er, gerade in der Hauptschule, weil die Kinder da mehr Zuwendung brauchen, auch mehr Zeit. "Das ist nicht einfach", sagt er, "auch dank der CSU, die die Hauptschule vor sich hin kümmern lässt." Mütze mag vernünftig sein, auch ruhig, aber unbedarft ist er nicht. Mit den Attacken gegen die CSU fängt er gleich bei seinem ersten Auftritt am Mittwochnachmittag an, da fordert er Ministerpräsident Horst Seehofer auf, endlich vernünftige Sparpläne vorzulegen. "Da darf es keine Denkverbote geben, wenn wir übers Sparen reden", sagt er.

Das Streiten habe er im Landtag gelernt, sagt Mütze, aber er tut es niemals unter der Gürtellinie. So sind auch seine Haushaltsreden oft pointiert gewesen, aber nie verletzend. Man muss sich nachher noch in die Augen schauen können, sagt Mütze. Da hatten die Grünen schon andere: Sepp Dürr zum Beispiel, Mützes Vorvorgänger, dem haben sie im Landtag den Spitznamen "Sudel-Sepp" verpasst - wegen seiner gelegentlich sehr deutlichen Ausdrucksweise.

Die große Bühne scheut Mütze aber nicht. Früher, mit seiner Band, da ist er als Westernhagen aufgetreten. Jetzt bleibt dafür keine Zeit mehr. Also hat der Vater zweier Söhne kürzlich auf das Angebot des SPD-Abgeordneten Linus Förster zurückgegriffen. Der hat auch eine Band und holte Mütze als Sänger dazu. Jetzt gibt er den Frontmann bei den Grünen. Und hinterlässt derweil selber einen Schatten - denn die Grünen brauchen einen neuen Haushaltsexperten.

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