Süddeutsche Zeitung

Arbeitslosigkeit:Dieses Gesetz gibt Langzeitarbeitslosen neue Hoffnung

  • Viele Langzeitarbeitslose profitieren nicht vom Aufschwung, sie finden keinen Job.
  • Das Teilhabechancengesetz soll das ändern, es hat zwei Förderinstrumente.
  • Ein Arbeitgeber bekommt einen Zuschuss, wenn er einen Langzeitarbeitslosen einstellt - bestenfalls führt das zu einem ordentlichen Arbeitsverhältnis.

Von Maximilian Gerl

Die Wahrscheinlichkeit neuer Rekordmeldungen ist hoch, wenn am Freitag wieder Arbeitsmarktzahlen präsentiert werden. Die Arbeitslosigkeit bewegt sich in Bayern längst auf einem historischem Tiefstand, der Arbeitsmarkt scheint wie leergefegt zu sein. Doch das täuscht. Nicht alle profitieren vom Aufschwung. Menschen wie Frau Z. haben es weiter schwer. Ihr Name soll nicht in der Zeitung stehen, wer geht damit schon gern hausieren: Sechs Jahre lang war sie arbeitslos. Ein schwerer Fall für die Vermittler vom Arbeitsamt. Doch jetzt hat Frau Z. endlich einen Job gefunden. "Irgendwie hab ich Glück gehabt", sagt sie.

Frau Z. ist eine der ersten, die vom Teilhabechancengesetz profitiert. Seit zwei Monaten ist es in Kraft. Es soll vor allem Langzeitarbeitslosen helfen, die seit Monaten ohne Job sind. Und mit jedem weiteren Monat wird die Suche schwerer. Entsprechend groß sind die Hoffnungen in den Jobcentern. Ralf Holtzwart, Chef der Regionaldirektion Bayern der Arbeitsagentur, nennt das neue Gesetz gar "einen Meilenstein". Allein im Freistaat richten sich die neuen Förderinstrumente an Zehntausende Personen - jedenfalls theoretisch.

Das Gesetz kommt wie so oft kryptisch daher. Darum hat die Regionaldirektion Bayern am Mittwoch in ein Recyclingunternehmen im Münchner Norden geladen. Conjob ist ein Sozialbetrieb, getragen vom Verein Condrobs; ein gutes Pflaster für Menschen, die es auf dem freien Arbeitsmarkt schwerer haben als andere. In Werkshallen wird Elektroschrott sortiert, in Regalen stehen Computer und Stereoanlagen. Was noch funktionieren könnte, reparieren die Mitarbeiter, um es via Onlineshop zu verkaufen. Hier wird Frau Z. zum 1. März als Bürokraft anfangen. Sie ist damit eine Art Musterbeispiel, wie das neue Gesetz funktioniert. "Ich bin froh, diese Chance bekommen zu haben", sagt sie. "Es ist nicht leicht, über längere Zeit ohne Arbeit zu sein." Eine Krankheit warf sie einst aus der Spur, danach fand sie nicht zurück. Bewerbungen blieben erfolglos. Ihr Betreuer beim Jobcenter, sagt Frau Z., habe sie motiviert, trotzdem an sich zu glauben: "Sie schaffen das." Langzeitarbeitslosigkeit sei wie ein Kreis, einmal drin, "ist es schwer rauszukommen".

Vereinfacht umfasst das Teilhabechancengesetz zwei Förderinstrumente. Das erste richtet sich an Personen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind. Ihre Arbeitgeber erhalten im ersten Jahr einen Lohnzuschuss von 75 Prozent, im zweiten von 50 Prozent. Das zweite Instrument ist für Menschen gedacht, die in den vergangenen sieben Jahren mindestens sechs Jahre Hartz IV bezogen haben. Ihr Lohn wird für zwei Jahre zu 100 Prozent bezuschusst. Die folgenden drei Jahre wird die Unterstützung um je zehn Prozent reduziert. Beide Programme sehen zudem eine Pauschale zu den Sozialversicherungsbeiträgen vor. Weiterbildungen werden mit bis zu 3000 Euro gefördert. Am Ende steht dann bestenfalls die Übernahme in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis.

Von der Theorie zurück in die Praxis. In der zeigt sich Holtzwart ziemlich zufrieden. Das neue Programm räume mehr Unterstützungsmöglichkeiten ein, sagt er. Und statt wie bei anderen Programmen Kandidaten per Raster auszusieben, könne man nun viel mehr Menschen ansprechen. Alexander Almstetter, Sozialpädagoge bei Conjobs, sieht einen psychologischen Vorteil: Die Betroffenen erhielten ein Gehalt, das hoch genug sei, um nicht auf Grundsicherung angewiesen zu sein - anders als bei bisherigen Programmen. Im Fall von Frau Z. bedeutet das: Sie wird nach Tariflohn bezahlt und hat jeden Monat netto 400 Euro mehr in der Tasche.

Trotzdem kommt das Gesetz wohl nicht allen zugute, für die es gedacht ist. Rund 46 000 Langzeitarbeitslose gibt es in Bayern. Daneben gibt es einen zweiten Personenkreis von 30 000 Menschen, der zum Teil mit dem ersten identisch ist. Sie beziehen seit mindestens zwei Jahren Leistungen, etwa weil sie Kinder erziehen oder Angehörige pflegen. Nicht alle Kandidaten könnten also arbeiten gehen. Die Regionaldirektion geht davon aus, dass von diesen 30 000 Menschen zunächst 3000 bis 5000 für die neue Förderung in Frage kämen. In 270 Fällen kam es so bereits zu einem Arbeitsvertrag, 260 weitere sind "in Anbahnung". Das Ganze ist freiwillig; Betriebe und Personen müssen zusammenpassen.

Gegen ein Problem ist allerdings schwer anzukommen. Bislang zieren sich viele Firmen, bei der Förderung mitzumachen. Wer sich beteiligt, ist meist wie Conjobs auf dem sozialen Arbeitsmarkt aktiv. Die Macht des Klischees sei "sehr groß", sagt Holtzwart. Viele sähen in Langzeitarbeitslosen vor allem Arbeit für sich selbst. Frau Z. sagt: eine Chance, mehr wollten die meisten Arbeitslosen gar nicht. "Dann können beide Seiten gewinnen."

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SZ vom 28.02.2019/vewo
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