Urteil und Reaktionen:Ausflugsziel erster Instanz

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Das Verwaltungsgericht München hat das Aufmöbeln der abgelegenen Söllbachaualm zur "Saurüsselalm" für rechtens erklärt. Doch der Streit über die neue Destination am Tegernsee geht weiter.

Von Matthias Köpf, Bad Wiessee

Das Verwaltungsgericht München hatte den Weg zur "Saurüsselalm" zu einem Teil des Ortstermins erklärt, und so hatten sich die Richterinnen und Richter neulich selbst auf den rund dreiviertelstündigen Fußweg von Bad Wiessee zur neuen Destination am Tegernsee gemacht. Ein Wanderweg dorthin war bis vor wenigen Monaten nicht eingezeichnet auf den Panoramakarten im Tal, aber da hieß das heutige Ausflugsziel ja auch noch "Söllbachaualm" und diente allein der alpinen Tierhaltung.

Diese Zeiten sind vorbei, seit Helmut Kohls einstiger Leibkoch Martin Frühauf im Auftrag des Großgrundbesitzers Franz Haslberger dort Ende 2021 mit dem Auftischen begonnen hat. Was es genau zu essen gibt, geht die Kammer aber erklärtermaßen nichts an, und auch den nun gerichtlich beschrittenen und sonst gelegentlich von Saurüssel-Shuttlebussen befahrenen Weg habe es früher schon gegeben.

Inzwischen hat das Gericht sein Urteil veröffentlicht, wonach der Umbau von Söllbachau zu Saurüssel rechtens ist und nur die vom Landratsamt Miesbach ebenfalls erlaubten 15 Extra-Events pro Jahr für geschlossene Gesellschaften gestrichen werden müssen. Auch der schwarz gebaute Tanzboden muss weg, doch Hüttenruhe ist deswegen noch lange nicht eingekehrt.

Denn der Verein zum Schutz der Bergwelt, der gegen die Genehmigung zu Umbau und Umnutzung der Alm geklagt hatte, sieht die Sache als Präzedenzfall für die um sich greifende Erschließung und Kommerzialisierung einst abgelegener Hütten durch deren alte oder neue Eigentümer an. Er zeigt sich mit dem Urteil entsprechend unzufrieden und spricht ausdrücklich von der "ersten Instanz".

Entscheidend ist für den Fall unter anderem, dass dort auf der Alm wirklich viele Ausflügler verpflegt werden müssen. Dass das auch am Tag des Ortstermins so war, ist für den Verein und die mit ihm verbündete Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal aber erst eine Folge des neuen Angebots und dürfe daher nicht zu dessen Rechtfertigung dienen. Stattdessen müsse die Tierwelt in Ruhe gelassen werden, so wie der Hirsch, der sich beim Ortstermin offenbar ebenfalls blicken ließ.

Das Gegenteil von Ruhe hat anlässlich der Verhandlung nun das eigentlich siegreiche Landratsamt ausgelöst. Ihm waren die Original-Karten von sechs in den 1950er-Jahren ausgewiesenen Landschaftsschutzgebieten abhanden gekommen. Auf einen richterlichen Hinweis in anderer Sache ließ es diese Gebiete 2019 vom Kreistag neu beschließen, bezweifelt inzwischen aber selbst die Gültigkeit jenes Beschlusses, weil im Sitzungsprotokoll wieder ein Hinweis auf die Karten fehlte.

Für diese Malaise machte das Landratsamt nun aber indirekt die Kläger in Sachen Saurüsselalm verantwortlich, denn die hätten den Streit so weit getrieben, dass ein Gericht die Ungültigkeit der Schutzgebiete habe feststellen müssen. Das wiederum hält der Verein zum Schutz der Bergwelt für "einen absoluten Skandal", und auch die Schutzgemeinschaft und die Grünen im Kreistag sehen nicht ein, dass Naturschutzverbände auf ihr Klagerecht verzichten sollen, nur um Fehler des Landratsamts unter der juristischen Decke zu halten. Ob eine weitere Instanz unter diese Decke blickt, wird sich erst nach Eintreffen der schriftlichen Urteilsbegründung in einigen Wochen herausstellen.

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