Tegernsee:Raubüberfall auf Ehepaar: Brüder zu langen Haftstrafen verurteilt

Überfall in Rottach-Egern

Überfall in Rottach-Egern Villa des überfallenen Ehepaares

(Foto: Christopher Horn)
  • Zwei Männer haben ein älteres Ehepaar in ihrem Haus in Rottach-Egern brutal ausgeraubt und gefesselt zurückgelassen.
  • Sie erbeuteten Porzellan und Schmuck für mehr als eine Million Euro.
  • Nun wurden sie zu zehneinhalb und neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Von Christian Rost, München/Rottach-Egern

Das Ehepaar hatte gerade die "Tagesschau" im Fernsehen gesehen, danach öffnete die 75-jährige Dagmar J. die Terrassentür und zog die Jalousie ein Stück nach oben, um einen Topf mit Rehsoße zum Kühlen nach draußen zu stellen. Auf diesen Moment hatten die Brüder Thomas und Ingo W. gewartet.

Die beiden mit Sturmhauben vermummten Männer schlüpften unter der Jalousie hindurch ins Haus und gingen den 73-jährigen Heinz J. und seine Frau sofort an, um sie auszurauben. Die Tat war so brutal, dass das Schwurgericht am Landgericht München II die beiden Männer wegen versuchten Mordes verurteilte.

Während der Vorsitzende Richter Martin Rieder am Mittwoch das Urteil verkündete, starrte der 49-jährige Thomas W. ins Leere. Zehneinhalb Jahre muss der neunfach, auch wegen Einbruchs, vorbestrafte Mann ins Gefängnis. Sein Bruder Ingo, 42 Jahre alt und dreimal vorbestraft, nickte indes zustimmend, als er sein Strafmaß erfuhr: neuneinhalb Jahre Haft.

Die Frau ist nur noch "ein Bündel Angst"

Völlig bleich und reglos saß Ralf K. mit auf der Anklagebank, ein ehemaliger Fremdenlegionär mit 17 Vorstrafen. Der 56-Jährige hatte die Brüder zu der Tat angestiftet und Teile aus der Beute bekommen. Gegen ihn verhängte die Strafkammer eine siebenjährige Freiheitsstrafe.

Und schließlich Bernd K., ein bislang unbescholtener 76-jähriger Antiquitätenhändler. Er hatte die Rolle des Hehlers übernommen und kam mit einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten glimpflich davon. Dennoch war er sichtlich am meisten getroffen - mit feuchten Augen hörte er dem Richter zu. Vielleicht ist ihm in diesem Moment noch einmal bewusst geworden, an welch schwerem Verbrechen er sich beteiligt hatte.

Um zu begreifen, was der Raubüberfall bei dem Rottacher Ehepaar angerichtet hat, muss man sich Dagmar J. ansehen, die schwer traumatisiert ist. Während ihr Mann die Tat trotz schwerer Verletzungen relativ gut verarbeiten konnte, ist die Frau nur noch "ein Bündel Angst", wie Heinz J. im Zeugenstand berichtete. Seine Frau traut sich nicht mehr aus dem Haus.

W. schlug den Kopf seines Opfers mehrmals auf den Boden

Der Vorsitzende Richter nannte es "ein in Gänze verabscheuungswürdiges Verbrechen": Ralf K., der zuletzt als Immobilienverkäufer arbeitete, aber vor allem mit dem Trösten vermögender Frauen zu einem Vermögen von mehr als einer Million Euro gekommen war, hatte den Plan ausgeheckt. Er lebte mit einer betuchten Hamburgerin zusammen, die auch am Tegernsee ein Haus besaß.

Während der Urlaube dort erfuhr K., dass das Ehepaar J. wertvolles Porzellan sammelte. "Wie im Museum" sehe es in deren Haus in Rottach-Egern aus, hatte man ihm erzählt. Diese Information steckte er Thomas W., den er seit vielen Jahren aus gemeinsamen Zeiten in Nordrhein-Westfalen kennt. Thomas und sein ebenfalls finanziell völlig abgebrannter Bruder Ingo fuhren also zum Tegernsee, um die Örtlichkeit auszukundschaften.

Weil sie dabei feststellten, dass das Gebäude mit einer Alarmanlage gesichert ist, entschlossen sie sich zu einem Raubüberfall während das Paar zu Hause ist. Am 8. Januar 2014 standen sie dann plötzlich mit ihren Sturmhauben vor Dagmar und Heinz J. Sie bedrohten sie mit Pfefferspray. Der Mann rief seiner Frau noch zu, sie solle den mobilen Alarmknopf drücken.

Doch Dagmar J. stand vor Angst wie gelähmt vor den Brüdern. Als Heinz J. dann selbst den Alarm auslösen wollte, wurde er von Thomas W. auf den Boden geworfen. W. packte den Kopf seines Opfers und schlug ihn mehrmals hart auf den Boden. Dann trat er auf den wehrlosen Mann noch ein. "Überall war Blut", erinnerte sich Heinz J. bei seiner Vernehmung.

Seine Frau war von Ingo W. gepackt worden, er hatte ihr ein Büschel Haare ausgerissen und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Mit Kabelbindern, Gürteln und Schals fesselten die Räuber das Ehepaar auf zwei Stühle. Dabei zogen sie die Kabelbinder so fest zu, dass sie tief in die Haut des Mannes und der Frau einschnitten.

Die Eheleute mussten 15 Stunden gefesselt ausharren

Aus den zwölf Vitrinen, in denen Heinz J. seine gesammelten Preziosen, vor allem erlesenes Meißner-Porzellan, aufbewahrte, griffen sich die Brüder zielsicher die edelsten Stücke, insgesamt 36 Teile aus dem 18. Jahrhundert im Wert von 1,6 Millionen Euro. Auch zwei Tresore räumten die Täter aus. Schmuck, Münzen und Bargeld im Wert von 255 000 Euro befanden sich darin. Ehe Thomas und Ingo W. verschwanden, verriegelten sie Türen und Fenster und ließen die Jalousien herunter.

Die Bitte von Heinz J., sie sollen für seine herzkranke Frau einen Arzt rufen, ignorierten die Brüder. Sie sagten nur: "Ja, ja." Stattdessen besprühten sie das Ehepaar mit einem Mittel, dass ihre DNA-Spuren vernichten sollte. Die Eheleute mussten 15 Stunden gefesselt ausharren, bis endlich Hilfe kam. Weil Heinz J. nicht zu einem Anwaltstermin erschien war, erkundigte sich die Kanzlei nach dessen Verbleib.

Die Polizei fand dennoch DNA-Spuren der Täter auf den Kleidungsstücken der Opfer. Am 22. Oktober 2014 nahmen Sondereinsatzkommandos die Brüder in Dortmund fest. Von der Beute konnte nur noch ein Teil sichergestellt werden. 18 Stücke aus der Porzellansammlung waren noch übrig, wobei sieben teils stark beschädigt worden sind. Für den finanziellen Schaden muss größtenteils Ralf K. aufkommen, weil er als einziger über Vermögen verfügt. Das Gericht verurteilte ihn zur Zahlung von 1,1 Millionen Euro an das Ehepaar.

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