Ausstellung im Rathaus Taufkirchen:Porträts von Persönlichkeiten

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„Anastasia“, das Porträt einer Galloway-Kuh.
„Anastasia“, das Porträt einer Galloway-Kuh. (Foto: bodosart.com)

Bodo Gsedl zeigt unter dem ironisch-mehrdeutigen Titel „Zum Fressen gern“ Bilder von Rindern, Schweinen, Schafen und Ziegen. Zugleich vermittelt die Ausstellung viel Wissens- und Nachdenkenswertes über Nutztiere.

Von Florian Tempel, Taufkirchen

Dem Blick kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Die von Bodo Gsedl gemalten Tiere schauen nicht in die Ferne, blicken unbeteiligt zur Seite oder stieren vor sich hin. Man könnte sie ja in dieser Art malen, viele Tiermaler haben das so getan. Bodo Gsedl tut das nicht. Seine Rinder, Schafe, Ziegen und Schweine sehen dem Betrachter immer entgegen, egal ob sie en face oder im Halbprofil abgebildet sind. Das funktioniert, obwohl es real nicht möglich ist, sondern eine magische Wirkung der Kunst: Die Tiere nehmen Kontakt auf und schauen dem Betrachter tief in die Augen. Es sind Porträts. Und das ist durchaus erstaunlich.

„Zum Fressen gern“ heißt die Ausstellung, die der Taufkirchener Grafiker und Maler aktuell im Rathaus von Taufkirchen zeigt. Es ist ein ironisch-mehrdeutiger Titel. Denn Bodo Gsedl setzt seine Porträts von Nutztieren auch als paradoxe Intervention ein, um etwas zu erreichen. Über die künstlerische Ästhetik und Wirkung der Bilder soll beim Betrachter ein Denkprozess in Gang gebracht werden.

„Mir geht es darum, dass die Leute, wenn sie Schwein hören, nicht an Schnitzel denken“

Man soll „die Würde und Schönheit dieser wunderbaren Lebewesen erkennen, deren Namensklassifizierung sich lieblos auf ihren Nutzen für uns Menschen reduziert“, wie er im Vorwort zu seinem Ausstellungskatalog schreibt. Oder, wie er es bei einer Führung noch griffiger ausdrückt: „Mir geht es darum, dass die Leute, wenn sie Schwein hören, nicht an Schnitzel denken und bei Rind nicht an Barbecue.“

Neben allen Bildern der Ausstellung hat Bodo Gsedl Texttafeln gehängt. Er will sein Publikum anregen, sich mit den Umständen und Herausforderungen unserer Nutztiere und deren Haltung zu beschäftigen. Den Begriff Nutztier findet er grundsätzlich „bedauerlich“. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland etwa 27 Millionen Schweine, zwölf Millionen Rinder, 17 Millionen Schafe, zwei Millionen Ziegen und mindestens 150 Millionen Stück Geflügel gezählt. „Den meisten Menschen begegnen diese Tiere nur im verarbeiteten Konsumprodukt an der Fleisch- oder Wursttheke beziehungsweise im Eier- oder Kühlregal“, schreibt Bodo Gsedl. Die Beziehung zu den Tieren, die für das Leben der Menschen so wichtig sind, ist für ganz viele maximal reduziert.

Der Grafiker und Maler Bodo Gsedl in seinem Atelier in Taufkirchen.
Der Grafiker und Maler Bodo Gsedl in seinem Atelier in Taufkirchen. (Foto: Renate Schmidt)

Die Infotexte, die Gsedl neben seine Bilder gehängt hat und die sich auch im Ausstellungskatalog stets auf einer Seite links neben den Abbildungen der Tierporträts finden, sind recht unterschiedlich. Es geht darum, welche Rinderrassen in Bayern gehalten werden und um eine kurze Darstellung, wie ein Rinderleben, ob als Kalb, Milchkuh oder Mastbulle, verläuft. Es geht um Begriffserklärungen zu Tierschutz, Tierwohl und Tiergerechtigkeit, dann wieder um die bürokratischen „Kennzeichnungen der Haltungsformen“. Daneben gibt es Grundsätzliches wie „Was sind Wiederkäuer?“ und Statistiken zur Tierhaltung, zum Fleischkonsum und zur Milchwirtschaft. Auch zu den Bedingungen, unter denen landwirtschaftliche Betriebe arbeiten, hat Bodo Gsedl Materialien zusammengesammelt und allgemein Wissenswertes über die verschiedenen Tierarten zusammengetragen.

Jeder Text leitet mit einem QR-Code zu einer ausführlicheren Version des einzelnen Themas weiter, zu den Internetauftritten von Institutionen und Behörden wie dem Bundesinformationszentrum Landwirtschaft und der Landesanstalt für Landwirtschaft. Man landet aber auch mal bei der Homepage eines Unternehmens für jede Art von Stallbedarf oder auf der Seite einer Zeitschrift für Tierfreunde.

Zottelig und wunderbar farbig: „Jojo“ von Bodo Gsedl.
Zottelig und wunderbar farbig: „Jojo“ von Bodo Gsedl. (Foto: bodosart.com)

Für Bodo Gsedl hat alles damit angefangen, dass er für ein großes Bild, das ein Sammler seiner Tochter zur Hochzeit schenken wollte, auf das dekorativ-ländliche Motiv von drei Kühen kam. Der Künstler radelte los und fand im Landkreis Erding bei Großköchlkam die richtigen Modelle auf einer Weide. Schon beim Fotografieren spürte er, dass ihm dort individuelle Persönlichkeiten gegenüberstanden – wie sie auf ihn zukamen, wie sie auf ihn reagierten, wie sie sich ihm zuwandten. Beim Malen wurde ihm immer deutlicher, dass er keine Bilder von Kühen, sondern Porträts schuf.

Im Laufe der vergangenen Jahre hat Bodo Gsedl einen Malstil entwickelt, der in der Farbigkeit und der Struktur des Pinselstrichs weg von einem magischen Realismus-Ansatz hin zu einer Malweise geht, bei der die emotionale Kontaktaufnahme im Mittelpunkt steht. Ihm ist bewusst, dass er auf einem „schmalen Grat zwischen Dekoration und Kunst“ geht, aber er tut das sehr gekonnt und sehr überzeugend. Seine Bilder schauen nicht nur gut aus, sie wirken in die Welt des Betrachters hinein.

Zum Fressen gern, bis 31. Januar 2025, Rathaus Taufkirchen (Vils), Montag bis Freitag 8 bis 12 Uhr, Donnerstag auch 14 bis 19 Uhr, Führungen am Sonntag, 1. Dezember, 15 Uhr, Donnerstag, 12. Dezember, 17 Uhr, und Donnerstag, 23. Januar 2025, 17 Uhr; eine Anmeldung ist nicht nötig. Informationen auf bodosart.com.

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