Rücktritt des Generalsekretärs:SPD will Taşdelen-Nachfolge im Schnellverfahren klären

Rücktritt des Generalsekretärs: Nach der Bundestagswahl 2021 standen die SPD-Chefs Florian von Brunn und Ronja Endres noch gemeinsam mit ihrem Generalsekretär Arif Taşdelen auf der Bühne. Nun müssen sie einen neuen Parteistrategen finden.

Nach der Bundestagswahl 2021 standen die SPD-Chefs Florian von Brunn und Ronja Endres noch gemeinsam mit ihrem Generalsekretär Arif Taşdelen auf der Bühne. Nun müssen sie einen neuen Parteistrategen finden.

(Foto: Stephan Rumpf)

Nach dem Rückzug des in die Kritik geratenen Generalsekretärs könnte die Bayern-SPD noch in dieser Woche einen neuen Parteimanager vorstellen. Gesucht wird jemand, der sturmerprobt ist.

Von Andreas Glas, Johann Osel und Olaf Przybilla

Auch das noch. Neun Prozent, einstellig. Und trotzdem, in der Bayern-SPD spricht am Mittwoch fast niemand über die neuesten Umfragezahlen zur Landtagswahl. Alle reden immer noch über diese schmale Erklärung, die in der Partei ein ordentliches Beben ausgelöst hat. In fünf Sätzen hat Arif Taşdelen am Dienstagnachmittag seinen Rückzug als SPD-Generalsekretär verkündet. Er reagierte damit auf die Vorwürfe, er habe sich unangemessen gegenüber jungen Frauen verhalten. "Diese Situation ist für meine Familie und mich zu belastend geworden", schrieb Taşdelen.

Dessen Rücktritt habe ihn "überrascht und schockiert", sagt am Tag danach Carsten Träger, Chef der SPD Mittelfranken, Taşdelens Heimatbezirk. Doch so sehr das Beben auch nachwirkt, die Suche nach einer Nachfolge hat längst begonnen.

Florian von Brunn, Chef der Bayern-SPD, will so schnell wie möglich einen neuen General präsentieren. Oder eine Generalin. Zusammen mit Co-Landeschefin Ronja Endres werde er dem Parteivorstand "zeitnah einen Vorschlag machen". Schon am Freitag soll es soweit sein. Brunn ist auch Fraktionsvorsitzender und SPD-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, die am 8. Oktober stattfindet - in nicht mal zehn Monaten. Die Zeit drängt, der Generalsekretär ist Cheforganisator des Wahlkampfs. Dass die Personalie formal vom Parteitag bestätigt werden muss, ist offenbar kein Hindernis für eine schnelle Nachfolge. Dem Vernehmen nach plant die bayerische SPD-Spitze zunächst eine kommissarische Lösung, die dann beim Parteitag im Mai den Segen der Delegierten bekommen soll.

In SPD-Kreisen ist zu hören, dass Brunn und Endres nach einem "Profi" fahnden. Nach einer Person, die Erfahrung mitbringt, loyal zu den Parteichefs steht und nicht zwingend aus der Landespolitik kommen muss. Eine Europapolitikerin, ein Bundestagsabgeordneter, jemand aus der Kommunalpolitik, alles denkbar, heißt es in der Partei. Aber ginge das wirklich, den Bayern-Wahlkampf von Berlin aus zu organisieren oder gar aus Brüssel? Es müsse jemand sein, der sturmerprobt sei und bereit zur Attacke, die gehört ja zum Jobprofil eines Generalsekretärs.

Daran hatte es Taşdelen gefehlt, zumindest in den vergangenen Monaten. Im Nachhinein ist das womöglich leicht zu erklären. Die Vorwürfe aus der Parteijugend waberten ja seit dem Spätsommer durch die Bayern-SPD. Damals beschloss der Juso-Vorstand, Taşdelen von allen Veranstaltungen auszuschließen. Eine Katastrophe für einen Mann, der Präsenz zeigen muss. Seitdem stand Taşdelen intern so sehr im Feuer, dass ihm offenbar die Kraft fehlte, draußen anzugreifen.

Sicher, die Abteilung Attacke könnte SPD-Chef Brunn locker alleine leiten. Dass er Krawall kann, hat er schon öfter bewiesen. Doch jetzt, als Spitzenkandidat für die Landtagswahl, möchte er sich staatsmännischer präsentieren. Einen Nebendarsteller, der sich notfalls für ihn die Finger schmutzig macht, könnte Brunn gut brauchen. Nur, wer will sich das überhaupt antun? Ein Generalsjob, der bei neun Umfrageprozent startet, ist schon sehr risikobehaftet, Tendenz abwärts. Auch für die beiden Landesvorsitzenden wird es ungemütlicher, erst recht nach der Causa Taşdelen. Dass Brunn und Endres den Juso-Beschluss gegen Taşdelen nicht offen in der Partei kommuniziert hatten, obwohl sie seit September davon wussten, hat einigen Ärger ausgelöst. Selbst sieht sich der SPD-Spitzenkandidat aber nicht geschwächt. "Ich zweifle nicht an meiner Rolle", sagt Brunn. Er werde "mit Überzeugung weitermachen".

Und wie geht es für Arif Taşdelen weiter? Während er eine Spitzenfunktion in der SPD abgegeben hat, hat er eine andere weiter inne. Als Nürnberger Abgeordneter soll er, so ist die Beschlusslage, die Liste der Mittelfranken-SPD bei der Landtagswahl anführen. Bleibt's dabei? Mit Mittelfranken-SPD-Chef Träger hat Taşdelen kurz telefoniert, um ihm seinen Rücktritt anzukündigen. Über die Spitzenposition auf der Liste habe man dann gar nicht mehr gesprochen. Träger will nun abwarten, zu welcher Bewertung die in der Causa gebildete Ad-hoc-Kommission der Landes-SPD kommt. Noch im Januar rechnet er mit einem Ergebnis. Auf dieser Basis wolle die Mittelfranken-SPD dann entscheiden.

Träger berichtet, Taşdelen erfahre gerade "viel Rückhalt" bei örtlichen Sozialdemokraten. Auch in den Nürnberger Nachrichten war kürzlich fast eine Seite mit Leserbriefen dazu zu lesen - ausschließlich Wortmeldungen pro Taşdelen.

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