Taschengeld:Franken spart bei Asylbewerbern

Lesezeit: 2 min

In Franken zahlen Sozialämter Flüchtlingen lediglich 107 Euro Taschengeld im Monat aus - 20 Prozent weniger als die Asylbewerber in anderen Landesteilen Bayerns bekommen. Anwälte kritisieren die Praxis als rechtswidrig.

Dietrich Mittler

Vor dem Recht und den Behörden sind alle Menschen gleich. Doch um dieses Recht auf Gleichbehandlung sehen sich derzeit zahlreiche Asylbewerber in Franken geprellt: Sie bekommen um die 20 Prozent weniger Taschengeld als die Asylbewerber in anderen Landesteilen Bayerns. "Eigentlich müssten an die Leute 134 Euro im Monat ausgezahlt werden, statt dessen bekommen sie aber nur 107 Euro", sagt der Schweinfurter Rechtsanwalt Joachim Schürkens. Alexander Thal vom Bayerischen Flüchtlingsrat geht sogar noch einen Schritt weiter: "Dies ist ein ganz klarer Rechtsbruch und entspricht in keiner Weise den jüngsten Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht", sagte er am Montag. Abgesehen davon, dass die Betroffenen das Geld dringend für ihre täglichen Bedürfnisse bräuchten.

Am 18. Juli hatte das Bundesverfassungsgericht (BVG) die Bundesregierung angesichts der knappen Leistungen für Asylbewerber scharf gerügt. Die bislang an Flüchtlinge ausbezahlten Geldbeträge, so urteilten Deutschlands oberste Richter in Karlsruhe, verstießen gegen die Menschenwürde und müssten deshalb sofort an das Hartz-IV-Niveau angeglichen werden. Daraufhin einigten sich die 16 Bundesländer im August auf bundesweit einheitliche und höhere Leistungen für Asylbewerber. In weiten Teilen des Bundesgebietes stehen alleinstehenden erwachsenen Asylbewerbern demnach 346 Euro zu. Da aber in Bayern an die Betroffenen Lebensmittelpakete ausgegeben werden und viele von ihnen in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind, steht ihnen nur ein geringerer Betrag zur Verfügung - eben 134 Euro. "Und jetzt meinen einige Sozialämter in Franken, sie könnten diesen Betrag um fast 30 Euro runterkürzen", sagt Thal.

Einer von Schürkens Klienten, der im Kreis Bamberg lebende Iraner Hadi Habighaini, protestierte schriftlich bei dem für ihn zuständigen Sozialamt gegen diese Benachteiligung. "Eine Antwort habe ich bis heute nicht erhalten", sagte er. Aber das verwundere ihn auch gar nicht: "Das Verhältnis zwischen Asylbewerbern und den Sozialämtern hier ist ohnehin nicht das allerfreundlichste." Habighainis Anwalt kann sich das Vorgehen der Behörden - seiner Auskunft nach vor allem in Oberfranken sowie in einigen Teilen Mittel- und Unterfrankens - nicht erklären. Die Bezirksregierung von Mittelfranken wies die Vorwürfe allerdings am Montagabend zurück - und wenn denn so etwas geschehe, dann nicht auf Anweisung aus Ansbach.

"Ich weiß nicht, ob da jemand in böser Absicht gezielt gesucht hat, wie man die Leistungsbezieher drücken kann. Aber irgendeiner hat wohl damit begonnen", sagt indes Schürkens. "Damit begonnen" heißt konkret: Alleinstehende Asylbewerber werden hier "als Menschen eingestuft, die selbst keinen eigenen Haushalt führen, sondern in einem anderen Haushalt mitwohnen und sich daher auch weniger Dinge des täglichen Bedarfs anschaffen müssen", erklärte Schürkens. Das Landratsamt Kronach, das ebenfalls nur 107 Euro ausbezahlt, bezieht sich indessen bei seinen Auszahlungsbescheiden auf Vorgaben aus dem Sozialministerium. In den Bescheiden heißt es: "Mit dem Schreiben vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 26. Juli wurden die Regelbedarfsstufen und die Höhe der Geldbeträge festgestellt." Ein Sprecher des Landratsamtes bestätigte: "Welche Regelbedarfsstufe für alleinstehende Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften anzuwenden ist, erfolgt in Abstimmung mit der Regierung von Oberfranken und dem Staatsministerium."

Das Sozialministerium indes sieht sich nicht in der Verantwortung. Dafür sei einzig der Bund zuständig: "Die Länder haben den Bund einstimmig dazu aufgefordert, das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes umzusetzen", hieß es auf Nachfrage. Und in welche Bedarfsstufen die einzelnen Asylbewerber nun eingestuft werden, das "obliegt den Landkreisen und kreisfreien Städten". Für Alexander Thal ist das schlicht skandalös: "Ich bin empört darüber, dass sich die Behörden hier die Verantwortung gegenseitig zuschieben - auf Kosten der Asylbewerber."

© SZ vom 18.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: