Tanja Kinkel: Mein Bamberg:"24 Stunden reden, essen, trinken, tanzen"

Bamberg schläft nie, auch deshalb liebt die Autorin Tanja Kinkel ihre Heimatstadt. Im Fragebogen von sueddeutsche.de gibt sie Insider-Tipps für Schlemmer - und öffnet ihr privates Fotoalbum.

Tobias Dorfer

Jeder Ort hat kleine Geschichten und große Geheimnisse. Und wer könnte diese Geheimnisse besser lüften, als jemand, der dort wohnt - oder der dort zumindest eine ganze Weile gelebt hat? Auf sueddeutsche.de präsentiert jede Woche ein Prominenter "sein Bayern". Heute stellt die Schriftstellerin Tanja Kinkel Bamberg vor.

Tanja Kinkel, Schriftstellerin

Freunden des fränkischen Rauchbieres empfiehlt die Schriftstellerin Tanja Kinkel in Bamberg einen Besuch im "Schlenkerla".

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Julius Cäsar, Karl May - die Begeisterung für die Geschichte wurde bei Tanja Kinkel schon als Mädchen geweckt. Und bis heute beschäftigt sich die Schriftstellerin in ihren Romanen mit historischen Figuren. Mit Die Puppenspieler eroberte die heute 40-Jährige 1994 die Bestsellerlisten. Kinkel wurde in Bamberg geboren, zog dann jedoch fürs Studium nach München. Die Verbindungen zu ihrer Heimatstadt hat sich die Autorin jedoch immer bewahrt. So ist sie Kuratoriumsmitglied des Internationalen Künstlerhauses "Villa Concordia" in Bamberg, wo auch ihre Eltern leben.

Sie haben in Bamberg gelebt. Warum sind Sie weggezogen?

Um zu studieren, ursprünglich - meine Fächerkombination war Germanistik/ Theaterwissenschaft/Kommunikationswissenschaft; Theaterwissenschaft konnte man in Bamberg nicht belegen. Außerdem wollte ich erwachsen werden, und das verbindet sich nun einmal damit, das familiäre Nest zu verlassen. Obwohl ich natürlich regelmäßig zurückfliege!

Das Schönste an Bamberg ist ...

... dass man sogar im Regen dort spazieren gehen kann, und immer noch ein angenehmes ästhetisches Erlebnis hat.

Am meisten geärgert habe ich mich in Bamberg über ...

... die teils sehr merkwürdigen Entscheidungen hinsichtlich geopferter Bäume, überflüssige, die Natur zerreißende Wege, und postmoderne Ergänzungen historischer Gebäude.

Ihr schönstes Erlebnis in Bamberg?

Meine erste Lesung in meiner Heimatstadt. Ich war ungeheuer nervös, und es hat mir wirklich viel bedeutet, zu erleben, wie das, was ich geschrieben habe, sowohl bei Freunden wie auch bei Unbekannten in der Stadt, die mich geformt hat, so gut ankam.

Welches ist Ihr liebster Platz in Bamberg - und warum?

Der Domplatz. Unbestritten einer der schönsten Plätze Europas, mit unserem romanisch-gotischem Dom, der Renaissance-Hofhaltung und der barocken Neuen Residenz - und diese so unterschiedlichen Baustile harmonisieren wunderbar miteinander. Außerdem bin ich gleich um die Ecke in die Grundschule - die Domschule - gegangen, im Dom hatte ich meine Erstkommunion, und während der Calderon-Festspiele konnte ich schon zweimal kleine Dramolette beitragen, die auf diesem Platz uraufgeführt wurden. Um diesen Platz liegen über 3500 Häuser unter Denkmalschutz. Mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. So kam auch die ganze Altstadt zu der Ehrung als Weltkulturerbe.

Was unternehmen Sie gerne in Bamberg?

Da sind für mich natürlich die Bamberger Symphoniker die erste Wahl. Wenn eine Kleinstadt ein Weltorchester beherbergt, dann muss man so eine Möglichkeit natürlich auch genießen, und die Zeit nutzen, in der unsere Symphoniker nicht auf Tour sind. Wem klassische Musik nicht so viel sagt: In Bamberg werden die Bürgersteige nie hochgeklappt. Eine Freundin hatte deswegen wohl auch den Spitznamen "Mondsüchtig". Sie konnte in Bamberg am Nachmittag auf den Kellern beginnen, später dann in und um die Sandstraße, das ganze Jahr über, 24 Stunden reden, essen, trinken, tanzen und beendete ihren Zug durch die Nacht ab fünf Uhr bei einem Frühstück in einem Bäckerladen. Diese "endlosen" Tage und Nächte machen meine Stadt nicht zuletzt unter den etwa 8000 Studierenden so begehrt, dass die Universität ständig erweitert wird.

Sehen Sie in der Fotostrecke Tanja Kinkels Lieblingsplätze in Bamberg.

Lächeln über Rothenburg ob der Tauber

Fragebogen Teil 2

Wo sollte jeder Besucher mal ein Bier trinken, wo schmeckt das Essen besonders gut?

Da gibt es natürlich mehrere Adressen. Die Heimat des ganz speziellen fränkischen Rauchbiers ist natürlich das "Schlenkerla" in der Dominikanerstraße. Wenn aber ein Erstbesucher im Sommer kommt, dann sollte er bei gutem Wetter auf den "Spezialkeller" am Stephansberg gehen, um sein Bier oberhalb der Altstadt zu trinken. Von dort gibt es eine wunderbare Aussicht auf die Stadt. Für eine zünftige fränkische Mahlzeit und gutes Bier bei wiederholten Besuchen, wenn also eine tolle Aussicht kein Muss mehr ist, kann ich auch den "Kachelofen" und den "Englischen Garten" empfehlen, der bei Bambergern eigentlich nur als "Bockser" bezeichnet wird. Natürlich kann es auch sein, dass so einem Bamberg-Besucher mehr nach Haute Cuisine zumute ist; dann das "Hotel & Restaurant Geyerswörth". Wenn er bei gehobener Küche gerne noch einen schönen Ausblick haben möchte, würde ich ins "Hotel Restaurant St. Nepomuk" gehen. Das liegt mitten in der Regnitz und bietet einen tollen Blick auf das ebenfalls im Fluss stehende Alte Rathaus und einige alte Mühlen.

Angenommen, der US-Präsident käme zu Besuch nach Bamberg: Was würden Sie ihm zeigen?

Den Domplatz mit dem Dom, der Alten Hofhaltung und dem Rosengarten hinter der Neuen Residenz natürlich zuerst. Danach die Domherrnhöfe, auch die Heimat der "Opposition" des jeweiligen Bischofs, welche noch die Hoffnung hatten, dessen Amt dereinst einzunehmen. Dann aber auch die barocke Michaelskirche mit den 365 Heilkräutern an der Decke, Klein-Venedig - wo er in Bamberg in einer echten venezianischen Gondel fahren könnte -, das Sandgebiet mit all den Antiquitätenläden, insbesondere das Gewölbe mit den gotischen Statuen bei Herrn Senger, das Böttingerhaus, die Obere Pfarre und das Wasserschloss Concordia. Zum Abschluss und als Höhepunkt für den präsidentiellen Kurzbesuch würde ich mit ihm den Turm des Rathauses Geyerswörth besteigen, von dem aus wir die beste Übersicht und eine großartige Aussicht über die gesamte Altstadt hätten.

Was sollte man als Besucher unbedingt vermeiden?

Mit dem Auto in die Altstadt zu fahren. Man findet keinen Parkplatz. Besser, man parkt in einem der über Hinweisschilder erreichbaren Parkhäuser oder gleich am Stadtrand und nimmt den Bus.

Was für ein Gebäude oder welche Einrichtung fehlt Bamberg noch?

Der verstorbene Inhaber des Bamberger Tassenkabinetts, István Csonth, den ich sehr schätzte, hat sich wegen des Bezuges der Stadt zu Graf Stauffenberg eine Gedenkstätte für den deutschen Widerstand gewünscht. Ansonsten: mehr Etat für schon bestehende Einrichtungen, sprich, Kitas, Schulen, Jugendheime und Bibliotheken, ist immer richtig!

Wer ist Ihr Lieblings-Bamberger und warum?

Mein Vater. Ich bin voreingenommen, aber er ist sowohl sozial als auch kulturell unermüdlich in Bamberg und dem Umland engagiert, so lange ich denken kann.

Was zeichnet den typischen Bamberger aus?

Er lächelt milde über Leute, die Rothenburg ob der Tauber für schöner halten.

Welches Geheimnis über Bamberg muss noch gelüftet werden?

Werden je alle Brücken gleichzeitig begehbar oder befahrbar sein?

Wenn Sie Bamberg in einem Wort beschreiben müssten - wie würden Sie das tun?

Jahrtausendwunder.

Was soll man in Bamberg über Sie sagen?

Sie dürften diese Stadt nicht wieder verlassen, ohne mindestens einen Roman von Tanja Kinkel gelesen zu haben.

Vervollständigen Sie bitte diesen Satz:

Bamberg ist insgesamt ziemlich regenfrei. Aber wer dort wohnt, braucht trotzdem einen Schirm, weil es für jede Regel Ausnahmen gibt.

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