Süddeutsche Zeitung

Tag des offenen Denkmals:Trend zur Abrissbirne

Weil Investoren mit Neubauten hohe Renditen erwirtschaften, gerät der Denkmalschutz immer mehr in die Defensive

Von Hans Kratzer

Immer mehr Menschen aus Kriegsgebieten suchen in Bayern Schutz und Zuflucht, die Probleme türmen sich. Wen berühren denn angesichts dieser Not noch alte Häuser und Burgen, wenn sie nicht gerade als Flüchtlingsunterkünfte taugen? Auch diese Frage drängt sich in dieser Zeit auf, erst recht, als der traditionelle Tag des offenen Denkmals bevorsteht. Bei dieser Gelegenheit zeigt sich freilich jedes Jahr, wie stark die Denkmäler und ihre Aura das Land Bayern prägen. Am kommenden Sonntag steht die bauliche Tradition des Freistaats abermals im Fokus, gut 800 ausgewählte Denkmäler öffnen ihre Türen und präsentieren architektonische Glanzstücke, wie sie im Laufe der Jahrhunderte von Handwerk, Technik und Industrie hervorgebracht wurden.

Noch ist das Denkmalland Bayern reich an schützenswerten Altertümern, aber deren Zukunft ist unsicherer denn je. Viele Denkmäler und ortsprägende Gebäude sind vom Abriss bedroht, der Druck der Bau- und Immobilienwirtschaft nimmt immer stärker zu. "Sehr viel Geld wird heute in Betongold angelegt", sagt Johannes Haslauer, Sprecher des vor drei Jahren gegründeten Denkmalnetzes Bayern, das für den Schutz von alten Häusern kämpft.

Einer der brisantesten Fälle in Bayern ist gerade in Weilheim zu beobachten. Dort soll das angestammte Redaktionsgebäude vom Weilheimer Tagblatt abgerissen werden, "eine beispiellose Zerstörung von Heimat, von Geschichtszeugnissen und des Stadtbilds Weilheims", wie das Denkmalnetz beklagt. Das stadtbildprägende Haus, das mit zeittypischen Fresken und Walmdach direkt am Eingang zur Altstadt steht, soll durch einen gesichtslosen Neubau ersetzt werden. Hier zeigt sich das ganze aktuelle Dilemma des Denkmalschutzes. Obgleich das Haus städtebaulich von großer Bedeutung ist, genießt es wegen Umbauten im Inneren keinen Denkmalschutz.

Die Kriterien sind mittlerweile so streng, dass viele Denkmäler ihren Denkmalstatus verloren haben. Geschichtsträchtige Gebäude stehen dann schutzlos da, was auch am politischen Desinteresse liegt. Der Denkmalschutz ist in der Aufmerksamkeitsskala der Politik weit nach hinten gerutscht. Deshalb leiden Bayerns Denkmäler unter der Ressourcenknappheit der staatlichen Denkmalpflege wie auch unter dem Desinteresse der Bürgerschaft. Dem Schwund des gebauten Erbes wird vielerorts nur bedingt Einhalt geboten. In weiten Kreisen der Entscheidungsträger herrscht Abrissmentalität - befeuert durch Rufe aus Teilen der Bevölkerung nach weniger statt mehr Denkmalpflege.

Der Tag des offenen Denkmals gibt allerdings Hoffnung, noch schwimmt nicht alles den Bach hinunter. Stellvertretend sei hier die ehemalige Schmiede in Althegnenberg (Landkreis Fürstenfeldbruck) erwähnt, um 1910 mit historischer Ausstattung errichtet. Die Schmiede besteht seit 1450, sie ist seit mehr als 410 Jahren im Besitz der Familie Ostermeir und ein herausragendes Beispiel bayerischer Technik.- und Wirtschaftsgeschichte (am Sonntag geöffnet von 13 bis 17 Uhr).

Solche Perlen sind noch in allen Regierungsbezirken zu finden, sie repräsentieren den baulichen Glanz des Landes. Als herausragendes Denkmal werden am Sonntag auch die Treppentürme in der Alten Hofhaltung am Domplatz in Bamberg geöffnet. Bei Führungen (13.30 und 14.30 Uhr) wird dort die Treppenbaukunst der Renaissance vorgestellt, nur wenige solche Türme haben die Zeiten überdauert (Anmeldung: Dombauhütte im Innenhof).

Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege öffnet am Sonntag unter anderem seinen Hauptsitz, die Alte Münze in München (Hofgraben 4, 10-16 Uhr). Hier ist die Ausstellung "In letzter Minute gerettet" zu sehen, die Denkmalprojekte aus ganz Deutschland präsentiert. Führungen in das historische Bildarchiv und in die Restaurierungswerkstätten bieten Einblicke in die Arbeit der Denkmalpflege.

 Die Dienststelle Schwaben im ehemaligen Kloster Thierhaupten ist ebenfalls von 10 bis 16 Uhr geöffnet. Hier können Besucher das historische Bauarchiv kennenlernen. In der Dienststelle Regensburg werden den Gästen Führungen durch die Königliche Villa angeboten.

Das Gesamtprogramm kann auf der Internetseite www.tag-des-offenen-denkmals.de/laender/by nach Landkreisen und Städten eingesehen werden

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SZ vom 10.09.2015
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