Versorgung der Kriegsflüchtlinge:Den Tafeln geht das Essen aus

Versorgung der Kriegsflüchtlinge: Schlange stehen für Lebensmittel: Durch die Ankunft Geflüchteter aus der Ukraine sind die Tafeln wie hier in Nürnberg Ende März überlastet.

Schlange stehen für Lebensmittel: Durch die Ankunft Geflüchteter aus der Ukraine sind die Tafeln wie hier in Nürnberg Ende März überlastet.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Wegen steigender Preise brauchen immer mehr Hilfsbedürftige Unterstützung bei der Versorgung mit Lebensmitteln. Aber auch die große Anzahl Geflüchteter aus der Ukraine bringt die Helfer an ihre Grenzen.

Von Max Weinhold

Einen solchen Zulauf, sagt Peter Zilles, hätten die bayerischen Tafeln noch nie erlebt. Ja, 2015 seien auch viele Geflüchtete gekommen und hätten zusätzlich zu den ohnehin Hilfsbedürftigen die Unterstützung in Anspruch genommen. Aber diesmal, da sei das anders. "Damals kamen die Menschen eher langsam nacheinander, jetzt werden wir überrannt", sagt Zilles, der Vorsitzende des Tafel Bayern e. V.

Die Situation bezeichnet er als "angespannt", die Tafeln kämen an ihre Grenzen, die Lebensmittel seien knapp. Was wenig verwundert eingedenk des derzeitigen Andrangs, wie er beispielsweise in Nürnberg zu verzeichnen ist. Normalerweise kommen dort etwa 4000 Menschen, um kostenlose Lebensmittel und Hygieneartikel abzuholen. In der vergangenen Woche, sagt Zilles, seien zusätzlich 3150 Menschen aus der Ukraine da gewesen. "Fast 80 Prozent mehr", rechnet er vor.

"Das Wort angespannt trifft es", sagt denn auch Johannes Stieg, der stellvertretende Leiter der Tafel in Nürnberg. Sehr viel mehr als zurzeit könnten die fast ausschließlich ehrenamtlich Arbeitenden - oft höheren Alters - nicht leisten. Normalerweise sei die tägliche Essensausgabe zwischen 13 und 16 Uhr geöffnet, zuletzt am Dienstag wegen der vielen Hilfsbedürftigen stattdessen von 12 bis 18.30 Uhr.

Die ersten Menschen aus der Ukraine stünden schon um halb acht Uhr morgens vor der Tür in der Hoffnung, zuerst an der Reihe zu sein. Zwar seien in Nürnberg "noch einigermaßen genügend" Lebensmittel vorhanden, wenngleich Fleisch und Aufschnitt fehlten. Aber das große Problem hier, sagt Stieg, sei die Belastung für die Mitarbeitenden. "Wir haben das jetzt fünf Wochen durchgehalten. Aber wir wissen ja nicht, wie lange das noch so weitergeht."

Auch andernorts herrscht Ungewissheit, ist die Lage eine mindestens manchmal herausfordernde. Eine Abfrage bei allen bayerischen Tafeln - das sind 172 - brachte laut Peter Zilles etwa 130 Rückmeldungen und nur bei neun die Antwort, dass die Ankunft der Menschen aus der Ukraine aktuell keinen Einfluss auf die Versorgung habe. Die anderen seien "teilweise sehr massiv" betroffen.

Essen muss mangels Nachschub rationiert werden

Konkret bedeutet das etwa: Die Helfenden müssen rationieren, weil Essen fehlt. Das führe mitunter zu Diskussionen, sagt Zilles, die in einer solchen Situation natürlich auch keiner gebrauchen könne. Die Ehrenamtler müssten sich "ständig rechtfertigen", wenn es bestimmte Produkte nicht gebe oder nur zu wenig davon.

Wie angespannt die Lage ist, merkt immer mittwochs auch Heinrich Fesl, der die Tafel in Vilshofen an der Donau im Landkreis Passau leitet. Dort kämen üblicherweise 70 Familien zur Essensausgabe, durch steigende Lebensmittelpreise seien es zuletzt schon 100 gewesen und durch die Geflüchteten in der vergangenen Woche noch einmal 28 weitere. Manche von ihnen besäßen noch keine Berechtigungsscheine, sie erhielten laut Fesl von den pro Ausgabetag fünf ehrenamtlichen Vilshofenern in ihrer Not zuerst Essen. Bei manchen "Stammkunden" habe das zu Missgunst geführt.

"Wir erreichen langsam unsere Grenzen", sagt Fesl. Er bezieht das eigentlich auf die Menge der vorhandenen Lebensmittel, aber es gilt auch ganz grundsätzlich: Da ist die trotz Dolmetschern vorhandene Sprachbarriere, da ist die immer noch andauernde Pandemie, die gerade den älteren Helfern Sorgen bereite. Aber, immerhin: Seit Kriegsbeginn stellen sie in Vilshofen eine steigende Spendenbereitschaft fest.

Und bei allen Schwierigkeiten hat Tafel-Chef Peter Zilles auch noch etwas Positives zu berichten: Seit Januar ist ein neues zentrales Verteilzentrum in Bad Aibling (Kreis Rosenheim) auf dem ehemaligen Gelände des US-Militärs in Betrieb. Von dort aus können die einzelnen regionalen Tafeln gezielt die Produkte abholen, die sie brauchen. Das werde gut angenommen, berichtet Zilles, gerade entstehe eine digitale Plattform, mit deren Hilfe die Tafeln die Verfügbarkeit von Waren einsehen können. Würde die Plattform schon jetzt funktionieren - sie würde laut Zilles vornehmlich Leerstand anzeigen.

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