Süddeutsche Zeitung

SZ sucht Sporttalente:Sprung auf die große Sportbühne

Mit 16 war sie Preisträgerin der SZ-Talentiade - ein Jahr später nahm die Münchner Schwimmerin Alexandra Wenk an den Olympischen Spielen in London teil. Auch dieses Jahr sucht die SZ wieder junge Sporttalente - und bittet um Vorschläge der Leser.

Von Sebastian Winter

Osterferien, Málaga, Mittelmeer, das klingt nach einem ziemlich guten Plan. Alexandra Wenk nannte diesen Plan nach seiner Ausführung: "Ranklotzen. Alles sehr anstrengend. Immerhin bin ich deutlich brauner als vorher." Mit Urlaub hatte die Reise nach Andalusien vor zwei Wochen auch nicht viel zu tun, Anlass war das jährliche Frühjahrs-Trainingslager von Wenks Verein SG Stadtwerke München. Die im Februar 18 Jahre alt gewordene Schwimmerin bereitete sich mit der SG auf die deutsche Meisterschaft vor, die am kommenden Donnerstag in Berlin beginnt. Wenk will ihre Titel über 50 und 100 Meter Schmetterling verteidigen. "Und klar, ich möchte mich dort für die Weltmeisterschaft qualifizieren."

Barcelona, Ende Juli. Das also ist ihr nächstes Ziel. Es wäre ihre erste Frauen-WM. Und der letzte große Wettbewerb, der Wenk noch fehlt in ihrer Sammlung. Denn im vergangenen Jahr gewann sie nicht nur in Ungarn Europameisterschafts-Gold mit der Staffel, sondern nahm auch an den Olympischen Spielen in London teil.

Die Münchnerin Alexandra Wenk, die bereits mit 13 Jahren erstmals deutsche Meisterin bei den Erwachsenen wurde und fortan als eines der kommenden deutschen Schwimmtalente galt, ist 2012 also der Sprung auf die ganz große Sportbühne gelungen. Im Juli 2011, kurz bevor sie Preisträgerin der SZ-Talentiade wurde, hatte sie diesen Traum noch vorsichtig beiseite geschoben: "London ist vielleicht ein bisschen kurzfristig", sagte Wenk damals. Zugleich betonte sie immer wieder, dass die Olympischen Spiele von Anfang an ihr Ziel waren.

Wenn nicht 2012, dann eben 2016. Eigentlich seit sie als junges Mädchen mit dem Skifahren aufhörte, weil sie bei Rennen immer nur Dritte oder Vierte wurde, und zu schwimmen begann, was ihrem Bewegungstalent am besten entsprach. Wenk merkte im Wasser bald, dass sie schneller ist als andere. Solange sie sich keine Rennen im Meer liefern muss, denn vor dessen Weite hatte sie immer viel Respekt. Es wird sich jedenfalls weisen, ob die knapp 1,80 Meter große Athletin auf der großen Sportbühne auch dauerhaft bestehen kann. "Jetzt zähle ich umso mehr zu den Favoriten, wenn ich zur DM fahre", sagt sie. Auch sie spürt, dass die Luft dünner und der Druck größer wird. Zugleich könnte die junge, selbstbewusste Frau mit den langen, schwarzen Haaren wohl einer der besten Ratgeber für Talente sein, die ebensolche Träume haben.

Denn Wenk ist noch mittendrin in der Mühle aus Schule und Hochleistungssport, wie viele andere junge Sportler. Neben ihrer Ausbildung am Münchner Isar-Gymnasium, einer Eliteschule des Sports, trainiert sie neunmal pro Woche. Oft hat sie 14-Stunden-Tage, zu Hause isst sie zu Abend und macht, wenn sie nicht zu erschöpft ist, noch Hausaufgaben, bevor sie ins Bett fällt.

Freunde treffen, feiern, all das sind fast schon Luxusgüter für sie. Das letzte Mal auf einer Geburtstagsparty war Wenk vor mehr als zwei Monaten. Für die meisten Schüler in ihrem Alter wäre das wohl undenkbar.

Natürlich hat Wenk andererseits Eltern, die sie bedingungslos unterstützen, und sie hat Privilegien: Sie kann das Abitur 2014 machen, später als andere Schüler, außerdem hat sie ihren Sponsorenvertrag mit den Stadtwerken kürzlich verlängert. Beides sind große Hilfen, und dann ist da diese eine Gabe: "In gewissen Momenten weiß Alexandra, das ist zu viel oder das ist zu wenig. Das kommt aus dem Bauch heraus, viele andere haben das nicht", sagt ihr Münchner Stützpunkttrainer Olaf Bünde.

Doch diese Dinge werden flankiert von hohen Hürden: elend lange Wege im Alltags-Dreieck zwischen dem Elternhaus, der Schule im Münchner Zentrum und der Olympia-Schwimmhalle zählen dazu; auch die vergleichsweise schwierige Trainingssituation in der Olympia-Schwimmhalle. All das nimmt sie in Kauf, und sie betont immer wieder, dass der Spaß ihr Antriebsmotor sei. "Wichtig ist es, am Ball zu bleiben, ehrgeizig zu sein und einen starken Willen zu haben. Auch wenn es manchmal nur mit dem Augen-zu-und-durch-Prinzip geht", sagt Wenk. Bünde findet andererseits, dass sie manchmal schon noch mehr aus sich herauskitzeln könne im Training, dass sie keine "Kilometerschrubberin" sei: "Aber man muss auch den Menschen hinter dem Sportler sehen."

Kurz vor Weihnachten saß Alexandra Wenk abends leicht erkältet im dicken Kapuzenpulli am Wohnzimmertisch des elterlichen Reihenhauses in Alt-Perlach, draußen schneite es, ihr jüngerer Bruder Sebastian war schon im Bett. Wenk versuchte, Gedanken an den Mathetest am nächsten Tag beiseitezuschieben. Sie erzählte über das so rasend schnell an ihr vorbeigezogene Jahr 2012: Die Olympiateilnahme in London. Ihre Nervosität dort, als sie im Vorlauf über 100 Meter auf dem Startblock stand, vor 17.000 Zuschauern.

Ihre Traurigkeit, das olympische Halbfinale über 100 Meter Schmetterling um neun Hundertstel Sekunden verpasst zu haben. Die Begegnungen mit Größen wie Michael Phelps oder Usain Bolt. "Wenn man dort ist, weiß man auch: Das Talent ist da, und die ganze harte Arbeit der letzten Jahre hat sich gelohnt. Das war der Ansporn, an die nächsten vier Jahre bis Rio zu denken", sagte Wenk. Ihr hilft jetzt auch der Erfahrungsschatz, wenn sie sich tatsächlich für die Spiele in Rio de Janeiro qualifizieren sollte.

Vergangene Woche startete Alexandra Wenk bei den bayerischen Meisterschaften in Bayreuth, also dort, wo es nicht nur um Spitzensport geht, sondern darum, Talente zu fördern. Wo Richtzeiten eine Rolle spielen und das Leistungsvermögen der Junioren noch eine enorme Amplitude hat. Und wo keine 17 000 Menschen zuschauen, sondern eher 17. Für Wenk, die den Wettkampf als DM-Vorbereitung nutzte, ist es eine Rückkehr gewesen. Und sicher schauten andere Talente zu ihr auf. Zehn Rennen schwamm Wenk, neunmal schlug sie als Erste an. Das zehnte Rennen über 200 Meter Schmetterling beendete sie hinter der Würzburgerin Lena Kalla auf Platz zwei. Neu war das, nach all den Siegen. Und irgendwie beruhigend.

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Quelle:
SZ vom 20.04.2013/wib
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