Oberbayern:Weltmarktführer aus Windach

Delo Klebstoff Weltmarktführer

In der Fertigung werden Chemikalien in großen Bottichen zusammengerührt - je nach Verwendungszweck muss der Klebstoff mehr können als nur halten.

(Foto: Delo)

Kaum einer kennt Delo - dabei halten die Industrieklebstoffe des Unternehmens weltweit Kreditkarten und Handykameras zusammen.

Von Maximilian Gerl

Zur Rolle gehört, in Vielem drin und auf Wenigem drauf zu sein. Das kann knifflig werden. Etwa auf Empfängen, bei denen man Unbekannten ihnen Unbekanntes erklären muss, nämlich was man beruflich genau macht. Sabine Herold könnte einfach "Klebstofffabrikantin" sagen, stattdessen - so erzählt sie es - wählt sie lieber einen Umweg: "Sie haben unser Produkt in der Hosentasche." Irritierter Blick. Wo? "Zum Beispiel im Handy oder in der Kreditkarte", sagt Herold. Das Gegenüber frage nach. "Und dann darf ich erzählen."

Hidden Champions, das sind Firmen, die in ihrer Nische den Markt anführen und die kaum einer kennt. Ihr Geschäft ist oft das des Zulieferers, am Ende steht auf der Verpackung nur der Name des Kunden. Ähnlich ist es bei Delo aus Windach im Kreis Landsberg am Lech: ein weitgehend unbekannter Mittelständler mit rund 750 Mitarbeitern und zuletzt Wachstumsraten, wie man sie eher von Start-ups kennt. Das Geheimnis: Industrieklebstoff. Der findet sich weltweit in Autos und Flugzeugen wieder, in Telefonen und Bankkarten, Photovoltaikanlagen und Glastischen. Wenn auch oft nur mit einem Tropfen.

Wenn Herold erzählen darf, wird aus dem unscheinbaren Tropfen mehr. Die Delo-Chefin ist Jahrgang 1963, Chemieingenieurin und Mitglied verschiedener Wirtschaftsgremien. So saß sie in einer Runde, die Angela Merkel in Innovationsfragen beriet; bei einem Abendessen im Berliner Kanzleramt stellte Herold ihre Ideen vor. "Das wäre eigentlich vergnügungssteuerpflichtig," sagt sie heute. Auch ihre Scherze kommen druckreif.

Eine Herausforderung war für Delo zuletzt das eigene Wachstum. "Ohne Koketterie", sagt Herold, "das ist echt heftig, das hinzukriegen." Allein 2018 kamen mehr als 100 neue Mitarbeiter dazu. Der Umsatz hat sich in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt auf 159 Millionen Euro. Vor allem der Bereich Unterhaltungselektronik zog an. Viele Teile in Smartphones und Tablets sind filigran und werden daher verklebt. Dazu eignet sich nicht jeder Klebstoff. Je nach Zweck muss er mehr können als nur halten: zum Beispiel der Hitze in einem Motorraum widerstehen. Oder er muss eine bestimmte Farbe haben, damit Sensoren darauf programmiert werden können. Handylautsprecher benötigen einen beweglichen Klebstoff, der mit den Membranen mitschwingt. "Sonst verstehen Sie Ihre Freundin am Telefon nicht mehr", sagt Herold. In Skipässen wiederum steckt ein elektrisch leitfähiger Klebstoff. Ein Liter davon reicht für 20 Millionen Liftkarten.

Klebstoffe sind vielseitig einsetzbar, es herrscht Konkurrenz. "Auch die Asiaten können sehr gut Chemie", sagt Herold. Und der Markt bewegt sich schnell. Delo macht fast ein Drittel seines Umsatzes mit Produkten, die jünger sind als drei Jahre. Sich immer wieder Neues einfallen zu lassen - "anstrengend", sagt Herold. Auch deshalb fließen 15 Prozent der Umsatzsumme in die Forschung. Die findet wie die Produktion in Windach statt. 2007 zog Delo her. Wo früher eine Wiese neben der Autobahn war, verläuft heute eine Straße, die "Delo-Allee. Hier stehen mehrere Gebäude und ein Rohbau. Wer drinnen durch die Gänge läuft, sieht Labore oder große Kessel. In ihnen werden Chemikalien gemischt. Manchmal strahlen honiggelbe Lampen von der Decke, damit lichtempfindliche Klebstoffe nicht gleich aushärten - vergleichbar mit dem Rotlicht von Foto-Dunkelkammern.

Eine Frau als Chef ist die Ausnahme in der Industrie

Kleben müssen die Kunden selber. Delo bietet aber Beratung an, wie sie das in der Produktion effizient einsetzen könnten. Neue Mitarbeiter durchlaufen dafür eine spezielle Schulung. Besucher absolvieren einen 20-minütigen Klebe-Crash-Kurs. In Schutzbrille und Einweghandschuhen müssen sie im Labor zwei wenige Zentimer große Plexiglasplatten zusammenpappen. Der Klebstoff kommt aus einer Dosierpistole, eine dünne Linie reicht. Unter einer UV-Lampe härtet die Substanz in Zehntelsekunden aus. Die Laborantin im weißen Kittel lädt anschließend zum Fingerhakeln. Durch ein Loch in den Plättchen werden Kabelbinder gezogen, in die Schlingen Finger gesteckt. Das Duell bleibt ohne Sieger. Obwohl die Kontrahenten kräftig ziehen, ist das bisschen Klebstoff stärker. Erst auf dem Boden und mit Fußtritten lassen sich die Plättchen voneinander lösen.

Zur Firmengeschichte im Schnelldurchlauf: Delo wird 1961 gegründet. Die künftige Chefin steigt 1989 ein, die Firma hat da um die 30 Mitarbeiter. Sie lernt den Kollegen Wolf Herold kennen. Die beiden heiraten. 1997 kaufen sie Delo der Muttergesellschaft ab. Im Laufe der Jahre entstehen Büros in Malaysia oder Japan. 2017 holen die Herolds einen dritten Geschäftsführer. Robert Saller kümmert sich um Vertrieb und Gerätetechnik, Wolf Herold um Forschung und Finanzen, Sabine Herold um Engineering, Personal und Marketing.

Delo Klebstoff Weltmarktführer

Spitzenposition: Sabine Herold leitet mit ihrem Mann Wolf Herold (rechts) und Robert Saller das Unternehmen Delo in Windach.

(Foto: oh)

Eine Frau als Unternehmenslenkerin ist immer noch eine Ausnahme. So sitzen im Präsidium des Bundesverband der deutschen Industrie 53 Männer und drei Frauen. Eine davon ist Sabine Herold. Delo hat einen Frauenanteil von 46 Prozent. Ohne Frauenquote. Von der hält Herold wenig. Den Begriff "Quotenfrau" empfinde sie fast als diskriminierend: "Ich möchte nicht genommen werden, weil mir ein Zipfelchen fehlt, sondern weil ich etwas Besonders gut kann." Was Delo anders mache als so manch männerlastiger Industriebetrieb? "Keine Ahnung", sagt Herold. Sie setze auf gemischte Teams, auf Menschen mit Potenzial. Geschlecht? Egal.

Das Geschäftsjahr läuft bis Ende März. Dennoch geht Delo vom nächsten Umsatzsprung aus - auf 180 Millionen Euro. Was Herold ablehnt: Wachstum um jeden Preis. Sie stelle nur Menschen ein, die ihr sympathisch erscheinen. Alle anderen würden beim Bewerbungsgespräch aussortiert. Mitunter rigoros, ist zu hören. Luxus in Zeiten des Fachkräftemangels. "Das leisten wir uns", sagt sie. Auch deshalb wird viel Geld in die Personalsuche gesteckt. "Seien wir ehrlich", sagt Herold, "nicht jeder kennt Delo." So ist das als Hidden Champion: Man ist gut dabei und doch versteckt. In Windach und in Hosentaschen.

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