SZ-Serie: Familientreffen, Folge 2:Schmelzer & Lehner

Kein anderes Paar übt seit vielen Jahren so großen Einfluss auf die Geschicke der Stadt Nürnberg aus wie der einstige Club-Präsident und die Kulturreferentin

Von Claudia Henzler

Auf dem roten Teppich in Bayreuth, bei der Eröffnung der Festspiele, zeigt sich schnell, wie prominent jemand ist. Manche Ehrengäste müssen die wenigen Meter bis zur Oberbürgermeisterin völlig unbeachtet zurücklegen, andere versetzen die wartenden Fotografen in helle Aufregung. Als Julia Lehner und Gerd Schmelzer in diesem Jahr auf dem Grünen Hügel ankommen, buhlen die Fotografen schnell um Aufmerksamkeit. "Gerd, Gerd", ruft es vielstimmig, "einmal nach links, bitte! Gerd, hier!"

Julia Lehner muss lachen, wenn man sie auf diese Situation anspricht. "Ja, so ist das immer!", sagt sie. Als Kulturreferentin ist sie neben Oberbürgermeister Ulrich Maly zwar einer der wichtigsten Köpfe im Rathaus der Stadt. Doch ihr Mann war nun mal Präsident des 1. FC Nürnberg, und der ist in Franken fast heilig. Auch wenn Schmelzers Präsidentschaft beinahe 30 Jahre zurückliegt, hat ihn dieser Job dauerhaft zu einer Person des öffentlichen Interesses gemacht.

In Nürnberg ist das Ehepaar Lehner und Schmelzer ein Phänomen, an dem man nicht vorbeikommt. Man trifft sie zusammen bei großen Abendveranstaltungen, sieht die stets damenhaft gekleidete Julia Lehner über die Zukunft des Reichsparteitagsgeländes sprechen, über Nürnbergs Megakulturevents wie die Blaue Nacht oder das Bardentreffen und zuletzt immer häufiger über die Bewerbung Nürnberg als europäische Kulturhauptstadt.

Die beiden sind der interessante Fall eines Paares, bei dem jeder eigenständig eine herausgehobene Position erlangt hat und in dem beide das Leben in ihrer Stadt maßgeblich mitgestalten. Lehner kulturpolitisch, Schmelzer als umtriebiger Unternehmer, der schon diverse innerstädtische Problemimmobilien zu Aushängeschildern Nürnbergs verwandelt hat - wie das ehemalige Fabrikgelände von Triumph-Adler oder die heute als "historische Felsenkeller" bekannten Lagerräume einer Gurkenfabrik im Burgberg. Bemerkenswert ist, dass Schmelzer nebenbei immer wieder Energie für diverse weitere Aufgaben erübrigen konnte. Das war mit Anfang dreißig so, als er Sportfunktionär wurde und den Club acht Jahre lang führte, und das ist heute so, obwohl er mit 68 ein Alter erreicht hat, in dem andere den Ruhestand genießen.

Was die Bedeutung für Nürnberg angeht, kann es Schmelzers aktueller Zweitjob sogar fast mit der Strahlkraft einer Club-Präsidentschaft aufnehmen: Er ist Geschäftsführer von Lebkuchen Schmidt, jener Traditionsfirma, die seit dem Tod von Henriette Schmidt-Burkhardt 2014 von einer Stiftung weitergeführt wird. Schmelzer wurde von ihr als Testamentsverwalter eingesetzt und ist eigentlich Stiftungsratspräsident. Er wollte das Unternehmen, das Schmidt-Burkhardt ihm anvertraut hat, aber erst einmal von innen kennenlernen und modernisieren. Also übernahm er die operative Geschäftsführung, um sie nach einer eigentlich deutlich kürzer angedachten Übergangsphase in die Hände eines neuen Geschäftsführers zu legen. "Ich habe einfach zu meiner Stadt einen besonderen Bezug", erklärt Schmelzer diese Entscheidung. Deshalb fühle er sich der traditionsreichen Marke verpflichtet. In absehbarer Zeit werde er sich aber wohl auf die Position im Stiftungsrat zurückziehen.

SZ-Serie: Familientreffen, Folge 2: Gerd Schmelzer und Julia Lehner in den Räumen seiner Nürnberger Firma. Seit 30 Jahren sind die beiden ein Paar.

Gerd Schmelzer und Julia Lehner in den Räumen seiner Nürnberger Firma. Seit 30 Jahren sind die beiden ein Paar.

(Foto: Daniel Karmann)

Schmelzers eigene Firma ist die Alpha-Gruppe, ein personell überschaubares Unternehmen, das im zweiten Stock eines vom Bauhaus beeinflussten Gebäudes aus den späten Zwanzigerjahren residiert. Der Bau war mal Verwaltungssitz der Bayerischen Milchversorgung, gilt als mustergültig saniert und hat sogar den Status eines Kunstwerks erlangt: Als die bekannte Fotografin Candida Höfer 2003 eingeladen war, den deutschen Pavillon bei der Biennale in Venedig zu gestalten, hat sie dort auch Aufnahmen vom Milchhofpalais gezeigt.

Die promovierte Kunsthistorikerin Julia Lehner kann mit Begeisterung erzählen, wie sie damals auf der Biennale die großformatigen Bilder entdeckt haben, die noch dazu direkt am Eingang des Pavillons hingen. Und Lehner kann sich mit ihrem Mann darüber amüsieren, dass sie auch bei dieser Investition anfangs skeptisch gewesen sei - wenn auch nicht ganz so alarmiert wie in den Neunzigerjahren, als Schmelzer das riesige Triumph-Adler-Areal kaufen wollte, was nur mit hohen Krediten möglich war. Damals sei sie mit ihrem Mann durch die verlassenen Werkshallen an der Fürther Straße gelaufen, habe die zurückgelassenen Kaffeelöffel gesehen, die vollen Papierkörbe und endlos wirkende Gebäudeschluchten - "Und dann sagt er, das möchte er gerne erwerben." Sie habe nur eines gedacht: "Um Himmels willen."

Doch die Investition ging nicht schief. Es war die erste große Industriebrache, die in Nürnberg nach der Strukturkrise in ein Büro- und Dienstleistungszentrum umgewandelt wurde. "Mein Mann hat in der Hinsicht eine für mich total bewundernswerte Form von Kreativität", sagt Lehner. "Er kann die Entwicklungsmöglichkeiten eines Objektes sehen." Sie selbst sei da deutlich vorsichtiger veranlagt.

Was die beiden dagegen gemeinsam haben, ist der Drang, ihr Umfeld mitzugestalten, was vielleicht daran liegt, dass beide zwar leidenschaftliche Nürnberger sind, aber in recht überschaubaren Orten außerhalb der Großstadt aufwuchsen, in denen Nachbarschaftshilfe selbstverständlich war, in funktionierenden sozialen Strukturen. Beide stammen aus Familien, in denen man sich umeinander kümmert. Und beide freuen sich, dass sie selbst ein stabiles Nest gebaut haben, dass die drei Kinder, die Schmelzer einst mit in die Beziehung gebracht hat, noch immer gerne zum Sonntagsbraten vorbeikommen.

Julia Lehner hat lange ihre an Krebs erkrankte Mutter gepflegt, hat eine Ausbildung zur Schwesternhelferin gemacht und während ihres Studiums im Krankenhaus gearbeitet. Das wären private Angelegenheiten, wenn Lehner die Konfrontation mit der Krankheit nicht schon früh dazu bewegt hätte, sich auch gesellschaftlich zu engagieren: Sie trat der Krebshilfe bei.

Durch dieses Engagement hat sich das Paar vor 30 Jahren kennengelernt. Beruflich war Lehner damals bei der Sparkasse für Kunst- und Kultursponsoring zuständig. Sie war also in Marketingfragen bewandert, weshalb sie gebeten wurde, für die Krebshilfe mal beim Club-Präsidenten anzuklopfen, ob nicht eine gemeinsame Aktion zugunsten krebskranker Menschen denkbar wäre. "Und dann hat Gerd Schmelzer mir ganz großzügig angeboten: Beim nächsten Sieg des 1. FCN würde ich für die Krebshilfe einen Betrag x als Spende bekommen." Der nächste Gegner hieß allerdings Bayern München, weshalb Lehner darum bat, die Sache zu verschieben. Schmelzers Einladung, die Partie trotzdem anschauen, folgte sie aber. "Seitdem sind wir zusammen." Dass der Club letztlich 4:0 gewann, macht die Anekdote aus beider Sicht nur erzählenswerter.

SZ-Serie: Familientreffen, Folge 2: Sippen, Sitten, Soziotope - wie Familien heute leben, SZ-Serie.

Sippen, Sitten, Soziotope - wie Familien heute leben, SZ-Serie.

Schmelzer, ein jovialer Typ, der gerne einen lustigen Spruch parat hat, war schon gut vernetzt, bevor die heute 65-jährige Lehner überhaupt in die Politik ging: 1996 als zunächst parteilose Stadträtin in der CSU-Fraktion, 2002 als hauptamtliche Kulturreferentin ins Rathaus. Als öffentliche Figur, die sich immer wieder an große und namhafte Immobilien heranwagt und damit auch noch großen finanziellen Erfolg hat, weiß sich Schmelzer aber unter stetiger Beobachtung. Man habe die Grenzen klar gezogen, sagt er. "Es kann niemand sagen, wir hätten da irgendwelche Themen miteinander verwoben." Im Zweifel halte er sich bei einer Investition zurück. Als Räume für Werkstätten des Staatstheaters gesucht wurden, da habe er kein Angebot abgegeben, "damit ich da in keiner Weise in irgendwelche Verstrickungen komme und in irgendwelche Diskussionen".

Vor zwei Jahren ist die Diskussion trotzdem hochgekocht. Schmelzer war kurz davor, eines der letzten freien Grundstücke in der Altstadt zu bebauen, als der damalige Finanzminister Markus Söder auf die Idee kam, Nürnberg mit einer Zweigstelle des Deutschen Museums zu beglücken. Die Wahl fiel auf Schmelzers Grundstück, Söder gab das bei einem Pressetermin bekannt - und bat Nürnbergs Kulturreferentin mit aufs Foto. Ein Fehler, wie Julia Lehner heute findet. Sie habe da keine Aktien drin gehabt, habe sogar einen ganz anderen Standort vorgeschlagen. Dass Söder später den Mietvertrag unterzeichnete, ohne den Landtag über die Kosten zu informieren, habe die Sache nicht besser gemacht. "Darauf haben wir natürlich nullkommanull Einfluss." Schmelzer betont, dass die Verhandlungen mit dem Freistaat hart und seriös waren. Es seien Vergleichsmieten eingeholt worden, er habe die Kosten vorlegen müssen: "Das war alles, wie sich's gehört." Ihm sei es bei der Vermietung nicht um die lukrativste Lösung gegangen: "Ich hätte einen Hotelbetreiber gehabt, der mehr bezahlt hätte."

In Nürnberg ist die Kritik weitgehend verstummt. Vor kurzem hat Schmelzer die Bürgermedaille bekommen. Das freut ihn natürlich. Das Wichtigste aber, so sagt er, sei, "dass ich ein intaktes und wirklich lebhaftes erfülltes Familienleben habe". Dass sein Sohn und eine der beiden Töchter ins Unternehmen eingestiegen sind, das mache ihn glücklich.

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