SZ-Serie: Bayern-Inventar, Folge 2:Der Radprofi

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Konrad Altmann hat so viele Fahrräder zusammengeschraubt und verkauft, dass er in der Szene geradezu ein Promi ist. Zu seinen Kunden gehörte Franz Josef Strauß, den er manchmal auf Touren begleitete. Einige Stücke hat er dem Museum vermacht

Von Stefanie Huschle

Konrad Altmann kann sich noch gut an den Tag erinnern, als seine Frau zu ihm kam und aufgeregt flüsterte: "Komm schnell, im Verkaufsraum steht jemand, der sieht aus wie der Strauß!" Irgendwann in den Siebzigern muss das gewesen sein und der spätere bayerische Ministerpräsident sollte von da an öfter in Altmanns Fahrradladen kommen. Manchmal begleitete Altmann ihn auf Radtouren: "Strauß war ein ganz harter, starker Fahrer", schwärmt er. "Ich bin gut ausgekommen mit ihm."

Nicht immer fällt Altmann das Erinnern so leicht. Er ist jetzt 88 Jahre alt, vieles hat er erlebt, vieles vergessen. Und Altmann hat nicht nur viel erlebt, er hat auch viel erschaffen.

Geboren ist er in Niederbayern, in Daxlarn, heute ein Stadtteil von Vilshofen. Geworden ist er der seinerzeit wohl angesehenste Fahrradhändler Münchens. Aus dem Landwirts-Sohn wurde der Lieblingshändler des Rennradnarrs Franz Josef Strauß. Altmann schraubte Fahrräder für Rallye-Fahrer, Großkonzern-Chefs, Sterneköche und Schauspieler zusammen. "Die haben gewusst: Ich bin die Nummer eins in München." Er habe im Ausland die neueste Technik und die besten Trends aufgespürt. Er reiste nach Japan, in die USA und die Schweiz. Jedes Jahr fuhr er auf die großen Fahrrad-Messen in Paris und Mailand.

"Altmann war berühmt dafür, dass er Einzelteile von den unterschiedlichsten Herstellern kaufte und die völlig neu kombinierte, um das Fahrzeug möglichst zu perfektionieren", sagt Florian Hufnagel, der ehemalige Direktor der neuen Sammlung in der Pinakothek der Moderne. Dort wurde 1981 ein Altmann-Rad als eines der vollkommensten Fahrräder der Welt ausgestellt. Die einzelnen Teile stammten aus Japan, Italien und Frankreich.

Schon mit 17 Jahren, nach seiner Lehre zum Zweiradmechaniker, wollte Altmann raus aus Niederbayern, mehr von der Welt sehen. Er ging in die Stadt, nach München, und arbeitete als Mechaniker. Lange schwirrte ihm die Idee im Kopf herum, nach Schweden auszuwandern. Als er 26 Jahre alt war, wurde der Wehrdienst wieder eingeführt. "Da hab ich gesagt, ich hau ab", sagt Altmann. Er überredete seinen jüngeren Bruder mitzukommen. Mit dem Rad und je einem kleinen Koffer auf dem Gepäckträger fuhren sie nach Schweden. In Stockholm arbeitete Altmann als Tellerwäscher im Hotel, bis er einen Job als Mechaniker fand. Seine Freizeit verbrachte er mit Radfahren und Langlaufen. Zwei Jahre blieb er in Schweden, dann zog ihn die Liebe zurück nach München. Dort konnte er 1965 ein Fahrradgeschäft übernehmen. Von da an ging es steil bergauf.

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Altmann baute modernste Räder in leuchtenden Farben und machte sich schnell einen Namen. 15 Jahre später ließ er sich mit seinem Geschäft in Neuperlach nieder. Der Umzug war ein Risiko - würden die Kunden die Treue halten und bis nach Neuperlach kommen? Sie kamen. "Sie wussten, dass sie in der Stadt keine vergleichbaren Räder finden würden", erklärt Altmann.

Im Laufe seiner Karriere lernte er Größen wie den mehrfachen Tour-de-France-Sieger Eddy Merckx kennen. "Ein Pfundskerl. So gesund, so leger und so freundlich", erinnert sich Altmann. Ein paar Mal hat Merckx zusammen mit ihm trainiert. Altmann war selbst Mitglied im Münchner Radrennclub 1902, mit dem er in den Sechzigerjahren einige Rennen gewann.

Die Radlszene war seine Welt und sie ist es noch. Mit 71 Jahren erklomm Altmann den bei Radfahrern berüchtigten Mont Ventoux in Südfrankreich - durchschnittliche Steigung: acht Prozent. Das würde er heute nicht mehr schaffen, aber er liebt es noch immer, bei gutem Wetter kleinere Radtouren zu unternehmen. "Ich habe eine Liebe gehabt zu den Rädern und habe sie nach wie vor", sagt er. Und nach wie vor erkennen ihn alte Kunden und Fahrradliebhaber, wenn er mit seiner Lebensgefährtin ausgeht. "Man kann mit ihm nirgends hin, sie kennen ihn überall, den Konni Altmann", sagt sie, ein bisschen Stolz schwingt in der Stimme mit.

Altmanns Fahrrad-Liebe wird in seinem Haus in Linden greifbar, das stellenweise an ein Museum erinnert. Überall hängen Bilder mit Fahrradmotiven, unter anderem Originale von Altmanns Lieblingskarikaturisten Sempé. Seinen Garten ziert ein Hochrad aus dem Jahr 1861. In seinem Keller stehen Dutzende von Rädern: Von antiken Dreirädern für Kinder bis zu ultraleichten Rennrädern ist alles dabei, sogar ein altes Rad von Eddy Merckx.

All das ist nur ein Teil aus Altmanns Sammlung. Zwölf weitere Räder hat er dem Haus der Bayerischen Geschichte übergeben. Sie stammen aus den Jahren zwischen 1880 und 1980. Elf der Räder wurden in Bayern gefertigt. "Bayern war lange Zeit der wichtigste Produktionsstandort für Fahrräder in Deutschland", sagt Florian Hufnagel. Er hat den Kontakt zu Altmann hergestellt. Das zwölfte Rad wurde zwar nicht in Bayern hergestellt, hat aber trotzdem einen Bezug zur bayerischen Geschichte: Es ist ein altes Rad von Franz Josef Strauß, das Altmann ihm einmal verkauft hat. Nach dem Tod des damaligen Ministerpräsidenten 1988 brachten dessen Kinder Altmann das Rad zurück.

Irgendwo in Altmanns Haus - wo genau weiß er nicht - muss sich eine Weinflasche befinden, die er von Strauß geschenkt bekommen hat. "Ich habe ihm einmal erzählt, dass ich noch einen Wein von ihm zu Hause habe. ,Schnellstens austrinken' hat er dann gerufen", erzählt Altmann. Seine Augen strahlen, sein königsblaues Radhemd schimmert in der Sonne. An manche Dinge kann er sich sehr genau erinnern.

Die Exponate wurden dem Museum der Bayerischen Geschichte in Regensburg zur Verfügung gestellt, das im Mai 2019 eröffnen soll. Näheres dazu unter www.hdbg.de.

© SZ vom 14.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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