Der Ukrainekrieg, die Klimakrise und dann noch diese Künstliche Intelligenz. Alles Probleme, die letztlich zur Frage führen: Schafft sich der Mensch bald irgendwie ab? Wir brauchen Lösungen und im Comic könnte man nach Superman rufen. Hier haben wir nur Scholz, Habeck und die "Letzte Generation". Wobei, da ist auch noch die Kunst. Und mit " Kunst rettet die Welt!?" war nun tatsächlich die neueste Ausgabe des SZ Kultursalons überschrieben. "Was können, was müssen Museen für die Zukunft leisten?" lautete der Untertitel der Veranstaltung, die im Diözesanmuseum Freising stattfand. Eingeladen hatte die Leiterin der lokalen Kulturredaktion München/Bayern Susanne Hermanski dazu Eike Schmidt und Christoph Kürzeder. Der eine ist seit 2015 Direktor der Uffizien in Florenz, der andere leitet seit 2012 das Diözesanmuseum.
Was ein Museum ist und was es leisten kann, dafür sind die beiden Experten. Aber die Frage, ob die Kunst die Welt rettet, die fanden sie am Ende doch etwas zu groß. "Die Kunst muss Kunst machen", sagte Eike Schmidt mit Bezug auf Dostojewski. Sie dürfe "keine Propaganda" sein, und am Ende gelänge ihr vielleicht die Rettung der "einzelnen Menschen, die sie wahrnehmen". Und das alleine sei doch "schon fantastisch", so der Museumsleiter, dessen Berufung vor acht Jahren in Italien ein großes Politikum war. Schmidt ist der erste Nicht-Italiener, der das Museum in Florenz leitet, und auch erst der zweite Nicht-Florentiner. Wobei er scherzhaft meinte: Ein Sienser oder Pisaner als Leiter, das wäre in Florenz noch "ein viel größerer Skandal".
Ob der gebürtige Freiburger übrigens Ende des Jahres noch die Uffizien leiten wird, steht noch nicht fest. Im November läuft sein Vertrag aus und wie es weitergeht, so etwas wird in Italien meist sehr kurzfristig entschieden. Er gehe im Moment von einer Weiterbeschäftigung aus, erzählte Schmidt beim anschließenden Get-Together, wo er als Gesprächspartner sehr gefragt war. Dass er als vielbeschäftigter Mann überhaupt ins kleine Freising kam, das grenzte an ein Wunder. Denn diesen einen Tag, den hatte er in seinem Terminplan als einzigen frei. Und dann war da noch die Vermittlungsarbeit von Christoph Kürzeder, der unter anderem wegen einer Anfrage von Leihgaben kürzlich in Florenz war.
Aber ob die Kunst die Welt rettet, das war die Frage. Und da zitierte wiederum der sichtlich gut gelaunte Kürzeder eine Frau aus seinem Team. Die hätte gesagt: Nein, die Kunst, sie könne uns nicht retten, aber sie versüße uns den Untergang. Eine Aussage, die der Museumsleiter noch ergänzte: "Der Genuss, die Freude, das ist doch schon wahnsinnig viel." Von Angst oder gar einer Lust am Untergang war an dem Abend jedenfalls nichts zu spüren. Wobei zumindest Furcht ja positive Seiten haben kann. "Timor Domini Principium Sapientiae", dieses biblische Zitat steht im hohen, als Veranstaltungsort gewählten Atrium an der Wand. Übersetzt: "Die Furcht vor dem Herrn ist der Anfang der Erkenntnis".
Ein unter einem Tuch verhüllter "Erzengel" entwickelte eine leicht unheimliche Präsenz
Die Lust wiederum, die hatte auf gewisse Art die Gäste überhaupt hierhergeführt. Denn " Verdammte Lust! Kirche. Körper. Kunst" heißt eine aktuelle Ausstellung im Diözesanmuseum. Eine überraschende und durchaus mutige Ausstellung, die nach den Widersprüchen zwischen Religion und Sexualität, kirchlicher Lehre und Realität fragt. Auch die parallel laufende Schau "City of Refuge II" von Berlinde De Bruyckere beeindruckt. Ein unter einem Tuch verhüllter, von ihr geschaffener "Erzengel" stand direkt hinter dem Publikum und entwickelte dort eine leicht unheimliche Präsenz. Auf diese und andere Engelsfiguren von De Bruyckeres kam Kürzeder auch zu sprechen. Das seien keine "Superwesen", sondern Wesen, die selbst teilweise hilflos wirkten.
"Mir tut das weh". Das sei seine erste Reaktion auf diese Engel gewesen. Und da war man bei dem Punkt, den Kürzeder bei der Kunst für ganz entscheidend hält: Dass sie einen berührt. Was offenbar auch James Turrell mit seiner "Chapel for Luke" gelingt. Die Licht-Installation des US-Künstlers, aktuell ebenfalls im Diözesanmuseum zu sehen, hat sich zu einem Besuchermagneten entwickelt. "Endlich haben wir hier auch mal Schlangen", meinte der im Landkreis Ebersberg aufgewachsene, ausgebildete Theologe in Richtung Florenz. Wobei es da heute mit den Schlangen ja vorbei ist. Nur noch wenige Minuten müsse man heute warten, so Schmidt, und nicht mehr wie früher bis zu vier Stunden lang. Weil die Leute nicht mehr nur zu den Stoßzeiten kämen, sondern über das ganze Jahr verteilt.
Mehr als eine Million Besucher im Jahr haben die Uffizien trotzdem immer noch. Seit Corona ist dabei ein Drittel unter 25, was sie, so Schmidt, durch Social-Media-Kampagnen erreicht hätten. Das Erstaunliche: Nachdem sie ihre "TikTok-Tänzchen" ausgeführt hätten, würden die meisten noch länger im Museum bleiben. Wieso? Weil das "im menschlichen Wesen verankert sei". Gemeint war: Die Suche nach Schönheit und Sinn. Die jungen Leute würden merken, dass es da noch mehr gibt. Das heißt neben einer ästhetischen auch eine historische, theologische und emotionale Ebene. Und wie Kürzeder meinte er: Das Emotionale steht an erster Stelle.
In den Uffizien mit mehr als 80 Prozent an religiöser Kunst und wohl noch mehr im Diözesanmuseum spielt aber natürlich auch die Religion eine wichtige Rolle. Wodurch sich die von Susanne Hermanski gestellte Frage nach der Kunst als "Ersatzreligion" aufdrängte. Dass das Spirituelle zur Kunst gehöre, da waren sich beide Museumsleiter einig. Und während Schmidt einen Exkurs zu Mark Rothko und den Nazarenern machte, verwies Kürzeder abermals auf Turrells Licht-Kapelle. Die zeige doch: "Man ist eigentlich nahe beieinander." Ob die Kunst angesichts aktueller Debatten in einem kirchlichen Museum andererseits nicht auch so etwas wie ein "Feigenblatt" sei? Darauf antwortete Kürzeder schlagfertig: Wieso? "Wir reißen mit der aktuellen Ausstellung doch viele Feigenblätter weg."
Oder anders gesagt: "Wir stellen uns dem Diskurs", so Kürzeder. Die Rolle der Kunst dabei? Sie werfe "uns auf das Menschsein zurück" und könne gerade im Materiellen "viel Spirituelles ausdrücken". Das meinte wiederum Eike Schmidt auf die Frage, ob auch "das Festhalten am Analogen" in digitalen Zeiten ein Grund für den "Erfolg der Häuser" sei. Nun, ein Stück weit ist dieser sicher auch den engagierten Direktoren zu verdanken, die sich nach der Diskussion unter die Gäste mischten. Zu diesen gehörte diesmal etwa der Schauspieler Axel Milberg, der vor Jahren der erste Kultursalon-Gast war. Oder die Künstlerin Beate Passow, die demnächst im Diözesanmuseum ausstellt. Der nächste Kultursalon wird übrigens in der Pinakothek der Moderne stattfinden. Das genaue Thema steht aber noch nicht fest.