Süddeutsche Zeitung

SZ-Kuckuck fliegt gen Süden:Käpt'n Kuck ist auf und davon

Erst hatte er die Zugunruhe, nun ist er unterwegs: Käpt'n Kuck hat seine lange Reise in den Süden angetreten. 650 Kilometer hat der SZ-Kuckuck schon geschafft, gerade macht er Station in Bosnien-Herzegowina. Doch die gefährlichen Strecken stehen ihm noch bevor.

Von Christian Sebald

Kotor Varoš ist eine Kleinstadt nahe Banja Luka in Bosnien-Herzegowina. Im Südosten der 22 000-Einwohner-Kommune ragt das Vlašic-Gebirge bis auf eine Höhe von gut 1900 Metern auf. Dort entspringt die Vrbanja. Das Flüsschen schneidet sich in Schluchten durch das dicht bewaldete Bergland, bevor sich bei Kotor Varoš das Tal öffnet. Es ist eine stille Gegend mit Land- und Forstwirtschaft. Der einzige größere Industriebetrieb ist ein italienischer Sportartikelhersteller. Dieser Tage treibt sich ein besonderer Gast rund um Kotor Varoš herum. Käpt'n Kuck hat sich von den Donau-Auen bei Bogen auf seinen Flug gen Süden aufgemacht. Den ersten Stopp hat der SZ-Kuckuck im Vlašic-Gebirge bei Kotor Varoš eingelegt - 650 Kilometer Luftlinie von Niederbayern entfernt.

"Ich habe schon letzte Woche gespürt, dass der Aufbruch naht", sagt Friederike Herzog vom Vogelschutzbund LBV. Die Biologin betreut das Kuckuck-Forschungsprojekt des LBV und ist seit Wochen tagein, tagaus in den Donau-Auen bei Regensburg unterwegs. "Als erste ist unser Kuckucksweibchen Kucki losgeflogen." Am 18. Juni - vor exakt einer Woche - schickte der kleine Satellitensender auf dem Rücken des Vogels plötzlich Signale aus Freising. "Da war mir klar, das ist der Anfang", sagt Herzog. Zumal die niederbayerischen Kuckucke schon 2013 ziemlich genau um diese Jahreszeit zu ihrem Flug nach Afrika abhoben. Damals war Richard der erste, er brach am 21. Juni 2013 auf.

Bis Mitte Juli sind alle weg

Dass sich die Kuckucke aus einer Region alle binnen weniger Tage nach Süden davonmachen, ist ihnen genetisch einprogrammiert. "Ab Mitte Juni läuft der Countdown", sagt Herzog, "die letzten fliegen spätestens in der zweiten Juli-Woche ab." Den Countdown selbst, so sagt die Biologin, muss man sich als einen immer stärkeren inneren Drang vorstellen, loszufliegen. "Man nennt das die Zugunruhe", sagt Herzog. "Die Tiere werden hektischer und rastloser, sie streifen verstärkt umher und dehnen ihre bisherigen Flugstrecken aus." Bis sie dann endgültig abfliegen. Dass es diese Zugunruhe tatsächlich gibt, haben Beobachtungen an Zugvögeln in Gefangenschaft gezeigt. "Wenn sich für die ihre eigentliche Abflugzeit nähert, hüpfen und flattern sie immer heftiger in ihren Käfigen umher", sagt Herzog. "Manche gehen sogar an die Gitter, so als wollten sie irgendwie durch sie hindurchkommen."

Einzig die niederbayerischen Jungkuckucke, die erst in diesem Jahr geschlüpft sind, seien noch völlig frei von Zugunruhe. "Die sind gerade mal vier Wochen alt", sagt Herzog, "das heißt, sie sind seit vielleicht einer Woche flügge." Damit sind sie noch viel zu schwach für die 6000-Kilometer-Strecke über die Alpen, das Mittelmeer und die Sahara mit ihren Temperaturen von 50 Grad Celsius, Sandstürmen und den vielen anderen Gefahren. "Die müssen sich erst einmal richtig fit machen", sagt Herzog. "Die fliegen ab, wenn sie zehn Wochen alt sind." Also frühestens Ende Juli, die letzten folgen sogar erst Mitte August.

Die Route steht bereits fest

So wie die Kuckucke alle spüren, wann sie losfliegen müssen, so ist ihnen offenbar auch einprogrammiert, welche Route sie nehmen. "Das sieht man an den Vögeln, denen wir schon im vergangenen Jahr Satellitensender auf den Rücken geschnallt haben und die nun zum zweiten Mal auf große Reise gehen", sagt der LBV-Mann Markus Erlwein. Kucki zum Beispiel ist wieder schnurstracks von der Donau aus direkt nach Süden über die Alpen geflogen und hält sich jetzt nahe dem italienischen Piacenza auf - exakt so wie vor einem Jahr. Das Gleiche ist bei Richard der Fall. Er tummelt sich dieser Tage wieder in der Gegend um Ferrara. Dort hatte er auch schon 2013 einen Zwischenstopp eingelegt. "Diese Übereinstimmungen sind so verblüffend, dass sie kein Zufall sein können", sagt Erlwein. "Wir glauben deshalb, dass Käpt'n Kuck auch schon 2013 in Kotor Varoš war."

Wissen können das Erlwein, Herzog und die anderen LBV-Forscher freilich nicht. So wie sie nicht wissen, auf welcher Route Käpt'n Kuck weiter gen Süden zieht. "Aber wir vermuten stark, dass er die Ost-Route nimmt", sagt Herzog. Die würde den SZ-Kuckuck weiter nach Albanien und Griechenland führen, übers Mittelmeer ins Grenzgebiet zwischen Libyen und Ägypten und über die Sahara hinweg, runter in den Tschad oder den Südsudan bis in die Republik Kongo. "Aber sicher ist das nicht", sagt Herzog. "Vielleicht kommt's ganz anders." So wie bei Kuckuck Prinzregent. Der war 2013 schon in Oberösterreich. Dann machte er kehrt und traf bald wieder in den Regensburger Donau-Auen ein. Auch dieses Jahr gibt Prinzregent wieder den Nachzügler. Er macht keinerlei Anstalten, auf seinen großen Flug zu gehen.

  • Die Flugrouten weiterer besonderter Kuckucke des LBV finden Sie hier.

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SZ vom 25.06.2014/wolf
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