SZ-Interview mit dem CSU-Chef:"Wir haben einen klaren Kurs"

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer über den Kampf gegen die Rezession und die Gefahr einer "zweiten bürgerlichen Kraft neben der Union".

Stefan Braun und Kassian Stroh

In der Debatte über ein neues Konjunkturpaket der Bundesregierung kämpft CSU-Chef Horst Seehofer hartnäckig für niedrigere Steuern. Dabei stößt er auf Widerstand der SPD, aber auch der CDU.

SZ-Interview mit dem CSU-Chef: CSU-Chef Seehofer will die Steuern senken: "Das ist überfällig und zur Stärkung der Binnennachfrage geboten."

CSU-Chef Seehofer will die Steuern senken: "Das ist überfällig und zur Stärkung der Binnennachfrage geboten."

(Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Ministerpräsident, sind Wahlverlierer in Bayern immer so aggressiv?

Horst Seehofer: Ich weiß nicht, was Sie meinen.

SZ: Wir meinen die CSU und ihren Vorsitzenden Seehofer.

Seehofer: Die CSU streitet seit Mai für eine Steuer- und Abgabenentlastung der Bürger. Uns geht es nicht um parteipolitische oder persönliche Profilierung, sondern um die Durchsetzung einer notwendigen Maßnahme gegen die Rezession.

SZ: Die CSU hat bei der Landtagswahl dramatisch verloren und bläst derzeit trotzdem mächtig die Backen auf. Rächen Sie sich bei Ihren Koalitionspartnern im Bund für die Schmach im Land?

Seehofer: Nein. Wir haben einen klaren Kurs: Die steuerzahlenden Leistungsträger von der Krankenschwester bis zum Handwerker müssen entlastet werden. Das ist überfällig und zur Stärkung der Binnennachfrage geboten. Ich kann der Union nur empfehlen, sich in diesem Jahr der Entscheidungen mit einem klaren inhaltlichen Profil zu präsentieren.

SZ: Sie haben nach dem Debakel der CSU Demut angekündigt, aber laufen wie ein politischer Raufbold durch die Bundespolitik. Warum diese Schärfe?

Seehofer: Sagen Sie mal einen Satz, der mich als Raufbold kennzeichnet.

SZ: Sie drohen mit Vetos, sollten Sie sich nicht durchsetzen.

Seehofer: Die Position der CSU ist, dass wir uns ein Konjunkturpaket ohne Steuerentlastung nicht vorstellen wollen. Das darf eine eigenständige Partei doch sagen.

SZ: Bei der CDU sagen manche, Steuerentlastungen wirken erst sehr spät.

Seehofer: Wir setzen uns mit jedem Gegenargument auseinander. Objektiv falsch ist, dass eine Senkung der Einkommensteuer erst in 18 Monaten wirkt. In wenigen Wochen können die Lohnsteuerprogramme in den Firmen umgestellt werden, eine Entlastung für die arbeitende Bevölkerung kann sehr zeitnah wirken. Die letzte Steuerentlastung fand unter Gerhard Schröder statt.

SZ: Wollen Sie mit ihrer Drohung SPD und CDU provozieren, allein zu handeln?

Seehofer: Nein, es gibt hier überhaupt keine versteckten Ziele der CSU. Jeder Fachmann sagt: Die Binnennachfrage muss gestärkt werden.

SZ: Was machen Sie, wenn CDU und SPD etwas ohne Sie beschließen sollten?

Seehofer: Ich bin in hohem Maße zuversichtlich, dass sich CDU und CSU auf eine einheitliche Linie verständigen können. Dann muss ich mich nicht mit der Hypothese des Gegenteils beschäftigen.

SZ: Sie wandeln sich vom Retter der Enterbten zum Retter von Wirtschaftsinteressen. Sind Sie noch authentisch?

Seehofer: Das ist eine typisch klischeehafte und eindimensionale Betrachtung, dass der Horst Seehofer jetzt angeblich nur noch Steuersenkungen kennt und sonst nichts. Eine Steuersenkung für eine Krankenschwester oder einen Polizisten ist übrigens eine soziale Maßnahme, weil sie zu mehr Netto vom Brutto führt.

SZ: Von Steuersenkungen profitieren nicht alle, bei niedrigeren Beiträgen zur Sozialversicherung wäre das anders. Warum lassen Sie sich bei der sozialen Gerechtigkeit von der SPD überholen?

Seehofer: Soziale Verantwortung und wirtschaftliche Kompetenz gehören für mich zusammen. Mit mir kann man darüber reden, bei der Krankenversicherung mit Steuermitteln auch Beiträge zu entlasten, vor allem wenn der Beitrag entsprechend gesenkt werden kann - und zwar sofort. Nur dann bringt es mehr Kaufkraft. Im Augenblick geht es der SPD aber darum, mit Steuergeld Beitragserhöhungen zu verhindern.

SZ: Kann man mit der CSU auch darüber reden, den Sonderbeitrag der Arbeitnehmer von 0,9 Prozent zu streichen?

Seehofer: Auch darüber. Allein diese Einlassung dürfte Ihnen zeigen, dass es mir nicht um Raufereien geht, sondern um Wirksames und Vernünftiges für die Konjunktur und die Menschen.

"Wir haben einen klaren Kurs"

SZ: Unterstützen Sie die Idee einer Abwrackprämie für alte Autos?

Seehofer: Bayern ist ein Schlüsselland für die Automobilindustrie. Natürlich reden wir über jeden Vorschlag zugunsten der Autoindustrie. Aber wir brauchen ein in sich geschlossenes Konzept. So offen wie wir sind, erwarten wir auch von den anderen, dass ernsthaft über Steuerentlastung gesprochen wird.

SZ: Die Union steht vor einem Superwahljahr, aber seit Sie an der Spitze der CSU stehen, unternehmen Sie alles, um die Eigenständigkeit der CSU zu beweisen. Sie provozieren die CDU sogar öffentlich mit der Idee eigener Wahlprogramme. Warum ist das nötig?

Seehofer: Als Parteichef werde ich daran gemessen, dass wir als CSU stark sind. Und eine starke CSU nutzt der Union bundesweit. Die häufigste SMS, die ich jetzt um Weihnachten und Neujahr aus der CSU-Spitze bekommen habe, lautet: Die politische Arbeit macht Spaß. Mancher fügt sogar an: Sie macht wieder Spaß. Das bekommst du nur, wenn die CSU eine eigene Identität ausstrahlt.

SZ: Trotzdem: Warum eigene Wahlprogramme, nachdem man 2002 und 2005 gemeinsame geschrieben hat?

Seehofer: Ich trete hartnäckig und zäh für das ein, was ich für richtig halte. Daran hat sich nach meiner Wahl zum Ministerpräsidenten nichts geändert.

SZ: Muss sich die CDU daran erst gewöhnen?

Seehofer: Das mag sein. Ich bin jetzt für meine Partei in der Hauptverantwortung, deshalb muss ich auch mal eine eindeutige Ansprache pflegen.

SZ: Hat sich die CSU zu sehr der CDU angepasst?

Seehofer: Nach allem, was ich aus Analysen zu unserem Wahlergebnis lese, ist ein Grund die verblassende bundespolitische Kompetenzzuweisung gewesen. Das müssen wir ändern. Frau Merkel ist die Vorsitzende der CDU, ich bin Vorsitzender CSU. Das heißt nicht, getrennte Wege zu gehen, sondern dass wir möglichst viel von unserer Überzeugung in den gemeinsamen Kurs einbringen. Wir wollen eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland bekommen, und die wird nur in großer Geschlossenheit erreicht werden.

SZ: Sie sind also für eine klare Koalitionsaussage zugunsten der FDP?

Seehofer: Unser Wunschpartner ist die FDP. Die Leute müssen wissen, was wir wollen. Das heißt nicht, dass wir alle anderen Koalitionen ausschließen.

SZ: Welche Fehler muss die Union diesmal bei der Bundestagswahl vermeiden?

Seehofer: Die Fehler aus den Jahren 1998 und 2005. Wir müssen inhaltlich die ganze Breite einer modernen Volkspartei abbilden, unsere Wurzeln immer wieder nach außen sichtbar machen, wirtschaftliche Kompetenz ist in diesem Jahr ganz wichtig. Dazu kommen soziale Verantwortung, aber auch das Nationalkonservative. Das alles müssen wir mit authentischen Personen besetzen. Wenn wir das praktizieren und innerparteilich ertragen, hat die Union nach wie vor ein Wählerpotential oberhalb von 40 Prozent.

SZ: Bislang will die CDU vor allem mit der Kanzlerin punkten. Reicht das?

Seehofer: Zunächst bin ich sehr zufrieden, dass unsere Kanzlerin so gute Zustimmungswerte hat. Das ist ein großes Pfund für die ganze Union. Aber die Union hat ihre stärksten Zeiten erlebt, als sie alle Strömungen einer Gesellschaft inhaltlich und personell repräsentierte, so wie einst von Norbert Blüm bis Lothar Späth, von Rita Süssmuth bis Fritz Zimmermann oder Franz Josef Strauß. Diese personelle Breite ist überlebenswichtig für die Regierungsfähigkeit der Union.

SZ: Und was passiert, wenn die Union Ihre Ratschläge nicht befolgt?

Seehofer: Dann könnte sehr schnell eine weitere bürgerliche Kraft neben der Union entstehen. Das sehe ich mit Sorge, denn wir haben in Bayern gesehen, wie schnell so etwas gehen kann.

SZ: Braucht die Kanzlerin die CSU als Korrektiv?

Seehofer: Es hat Deutschland nie geschadet, wenn man auf die CSU hört. Das ist auch jetzt so.

SZ: Dabei klingen sie inzwischen aber manchmal wie Guido Westerwelle, ist Ihnen das nicht peinlich?

Seehofer: Gerade mit unserer Wirtschaftskompetenz als CSU bin ich derzeit sehr zufrieden und sehe keinen Widerspruch zu meiner bisherigen Politik. Schauen Sie doch mal auf jenen Teil der Leipziger Beschlüsse der CDU, deretwegen ich 2004 zurückgetreten bin. Von denen ist kein einziger Realität geworden. 2005 habe ich dem Wahlprogramm nicht zugestimmt, weil ich überzeugt war, dass es sehr schwer werden würde, damit eine breite Mehrheit zu bekommen. Nun kann man nicht denjenigen strafen, der damals recht hatte.

SZ: Vor dem Debakel der CSU hatten Sie 52 Prozent als Maß aller Dinge bezeichnet. Was machen Sie, wenn Sie das bei den Wahlen nicht erreichen?

Seehofer: Die Lehre aus der Bayernwahl ist auch - und das ist durchaus selbstkritisch gemeint, dass die Bevölkerung Monate vor der Wahl alles will, nur keine Prozentdiskussion.

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