Süddeutsche Zeitung

SZ-Brachvogel:Ab in die Movebank

Die Daten, die Schnepfinger sendet, stehen Forschern weltweit zur Verfügung

Von Christian Sebald

Das Wetter über die Weihnachtstage war auch im Nationalpark Coto de Dõnana nichts besonderes. Viele Wolken, wenig Sonne und mit 18 oder 19 Grad fast vorfrühlingshaft warm - so hatte es der Wetterbericht angekündigt. Nun wird das mit der Sonne besser. Bis zum Wochenende soll Sonnenschein pur herrschen in Andalusien. Ideale Bedingungen für Schnepfinger also. Der Große Brachvogel, dem der Landesbund für Vogelschutz (LBV) zu Forschungszwecken einen GPS-Sender auf den Rücken geschnallt hat, schwirrt weiter in seinem etwa hundert Hektar großen Revier am Rande des Nationalparks Coto de Dõnana herum. Die vielen tausend Flugdaten, die der SZ-Vogel nach Deutschland übermittelt, werden nicht nur vom LBV ausgewertet. Sondern in der Movebank gespeichert.

Die Movebank (www.movebank.org) ist eine internationale Datenbank, in der weltweit die Daten von allen möglichen Wildtieren gesammelt werden, die wie Schnepfinger Sender tragen. "Zum Beispiel von Störchen, Kranichen, Seeadlern", sagt Wolfgang Fiedler. Der Biologe arbeitet am Max-Planck-Institut (MPI) für Ornithologie im baden-württembergischen Radolfzell, das die Movebank betreut. "Wir speichern aber nicht nur Bewegungsdaten von Vögeln", sagt Fiedler. "Sondern auch von Rehen, Wildschweinen, Füchsen und Wölfen und natürlich auch von Löwen, Hyänen und Elefanten." Und dann sind noch die Meerestiere. "Meeresschildkröten etwa", sagt Fiedler. "Die sind besonders interessant für Telemetrie-Forschungen, weil sie ja sofort nach ihrer Geburt in Meer verschwinden und nicht mehr sichtbar sind."

Die Movebank ist eine internationale Kooperation. Träger ist außer dem MPI in Radolfzell das Naturkundemuseum in North Carolina, die Ohio State University und die Universität Konstanz. Der Rechner selbst steht im Rechenzentrum der Max-Planck-Gesellschaft in Garching bei München. Auf ihm sind mittlerweile 1,5 Milliarden Bewegungsdaten abgelegt, die aus 5400 Studien stammen. "Die Schwerpunkte sind Europa und Nordamerika", sagt Fiedler. "Aber es sind auch immer mehr Studien aus Asien verfügbar, inzwischen sogar welche aus China." Nur Zentralasien, vor allem das riesige Sibirien, ist "ein weißer Fleck". Der Zulauf ist so groß, dass sich die Datenmenge jedes Jahr verdoppelt.

Gegründet worden ist die Movebank vor zehn Jahren. "Es gibt ja immer wieder Debatten, ob Telemetrie-Forschungen die Tiere belasten", sagt Fiedler. "Auf der anderen Seite sind sie wichtig, wie sonst sollte man etwas über die gigantischen Wanderungen der Wildtiere erfahren." Grundgedanke der Movebank ist, dass die Daten nicht nur für das jeweilige Forschungsprojekt zur Verfügung stehen sollten, sondern einer möglichst großen Wissenschaftlergemeinde. "Wir haben die moralische Pflicht, die Daten so vielfältig wie nur irgendmöglich zu nutzen", sagt Fiedler. Weltweit arbeiten derzeit 20 000 Forscher mit der Movebank. Für Laien gibt es eine vereinfachte Version, den Animal Tracker, die man sich auf sein Smartphone laden kann.

Beim LBV unterstützen sie die Movebank nach Kräften. Und zwar schon von Anbeginn. "Gleich ob es unsere Kuckucks-, Weißstorch- oder Schwarzstorch-Forschungen waren", sagt der LBV-Mann Andreas von Lindeiner, "wir haben schon immer die Daten aus unseren Projekten in die Movebank eingespeist." Und zwar nicht nur aus Forscher-Ethos. Sondern auch aus pragmatischen Motiven. "So bekommen wir neue Kontakte", sagt Lindeiner. "Die Daten von Schnepfinger etwa werden nun auch für Arbeiten in Frankreich und Spanien verwendet. Die Kontakte zu den Forschern dort hätten wir ohne die Movebank nie bekommen."

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Quelle:
SZ vom 27.12.2018
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