Sudetendeutscher Tag:Seehofer kündigt ersten Besuch in Prag an

Erstmals nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs reist ein bayerischer Ministerpräsident offiziell nach Tschechien: Seehofer warnt aber vor "übergroßen Hoffnungen".

Den 61. Sudetendeutschen Tag in Augsburg haben überwiegend moderate Töne geprägt. Eine Woche vor der Wahl in Tschechien sparten Spitzenvertreter von Heimatvertriebenen und CSU am Wochenende zwar nicht mit Kritik an den umstrittenen Benes-Dekreten, hielten sich aber mit Angriffen auf tschechische Politiker zurück.

Pfingsttreffen der Sudetendeutschen in Augsburg - Seehofer

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) beim Pfingsttreffen der Sudetendeutschen: Er  kündigte an, zusammen mit Sudetendeutschen nach Prag reisen zu wollen.

(Foto: dpa)

Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) kündigte an, im Herbst zusammen mit Sudetendeutschen nach Prag reisen zu wollen, um einen bayerisch-tschechischen Dialog einzuleiten. Ihre höchste Auszeichnung, den Europäischen Karlspreis, vergaben die Sudetendeutschen an Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach.

Seehofer sagte, es sei an der Zeit für einen Tschechien-Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten. Er warnte aber vor "übergroßen Hoffnungen und Erwartungen". Der Ministerpräsident versprach den Sudetendeutschen, bei der möglichen Reise die bayerisch-tschechischen Streitpunkte nicht auszusparen.

Er werde die Wahrheit und damit auch die umstrittenen Benes-Dekrete zur Vertreibung und Enteignung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg ansprechen. "Und ich halte es für selbstverständlich, dass die Sudetendeutschen auch zur Delegation des bayerischen Ministerpräsidenten gehören."

Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) war während seiner 14-jährigen Amtszeit nie zu einem offiziellen Besuch nach Prag gereist. Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, sagte, die Vertriebenen wollten weiter entschlossen gegen die Benes-Dekrete kämpfen. Es könne niemals akzeptiert werden, dass "diese Unrechtsdekrete" in Tschechien "weiter bestehen". Er äußerte die Hoffnung, dass sich durch die Wahl im Nachbarland etwas bewegen werde. Der Bundesvorsitzende der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Pany, sagte, so wie sich Repräsentanten der Sudetendeutschen von den Verbrechen der "Nazi-Barbaren" distanziert und um Verzeihung gebeten hätten, müssten auch die Tschechen sich den "dunklen Aspekten ihrer Vergangenheit zuwenden".

Dann zerbräche "endgültig das Eis zwischen unseren Völkern". Bei der Verleihung des Karlspreises am Samstag sagte Posselt, Steinbach sei nicht nur "Vorkämpferin" des "dringend notwendigen" Zentrums gegen Vertreibungen. Sie sei auch "eine erstklassige Botschafterin der deutschen Heimatvertriebenen in Europa und auf internationaler Ebene".

"Unwürdig für unser Land"

Die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) kritisierte die monatelange Debatte über die Besetzung des Beirats der Vertriebenenstiftung als "unwürdig für unser Land". Wie diese Diskussion verlaufen sei, werfe kein gutes Licht auf Deutschland. Haderthauer forderte zudem, Tschechien müsse die Benes-Dekrete aufheben: "Weder Benes-Statuen noch Benes-Dekrete passen in die Wertegemeinschaft Europa." Steinbach betonte, für Deutschland, aber auch für Europa sei es wichtig, dass Flucht und Vertreibung mit dem Zentrum einen festen Platz in Berlin gefunden hätten.

Sie rief alle Heimatvertriebenen auf, treibende Kraft dieses Projekts zu bleiben. Ihren Gegnern warf sie vor, in den Nachbarländern Deutschlands Ängste zu schüren. Der 61. Sudetendeutsche Tag stand unter dem Motto "Gemeinsame Geschichte - Gemeinsame Zukunft in Europa". Nach Veranstalterangaben nahmen daran am Samstag und Sonntag insgesamt rund 30 000 Menschen teil.

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