Suchtbekämpfung:Augsburgs SPD will Trinkerstuben einrichten

Suchtbekämpfung: Öffentliche Trinkexzesse könnten in Augsburg bald vorbei sein.

Öffentliche Trinkexzesse könnten in Augsburg bald vorbei sein.

(Foto: Schellnegger)
  • Mit Trinkerstuben sollen Alkoholsüchtige von zentralen Plätzen der Stadt Augsburg verschwinden, wenn es nach der SPD geht. Außerdem sollen Hilfsangebote gemacht werden.
  • Viele Befürworter hat die Idee allerdings nicht.

Von Toni Wölfl, Augsburg

Wenn sich Trinker in Städten treffen, dann oft an Bahnhöfen, in Parks und auf zentralen Plätzen. Und wo getrunken wird, ist es oft laut, es bleibt Müll liegen und leere Flaschen. Wie sollen Kommunen damit umgehen? Die Stadt Augsburg denkt nun an eine ungewöhnliche Lösung. Um Alkoholiker von der Straße wegzuholen, möchte Ordnungsreferent Dirk Wurm einen Trinkerraum einrichten.

"Im Grunde ist es nichts anderes als ein Café, in das man kleine Mengen Bier und Wein mitbringen darf und nicht-alkoholische Getränke günstig bekommt", sagt der SPD-Politiker. Am Mittwoch wird sein Vorschlag im Allgemeinen Ausschuss der Stadt besprochen. Stimmt dieser zu, könnte Bayerns erster Trinkerraum schon bald öffnen.

Der Bahnhofsvorplatz im Stadtteil Oberhausen sei seit zehn Jahren ein Treffpunkt für Drogen- und Alkoholsüchtige, sagt Wurm. Er möchte Räume mieten, wo diese Menschen von zwei Sozialpädagogen etwa 20 Stunden pro Wochen betreut werden, Arztsprechstunde inklusive. Das soll die Situation am Helmut-Haller-Platz entschärfen. Auch wenn die Alkoholsüchtigen dort nur rumstehen und ratschen würden, die Passanten und Anwohner empfänden es subjektiv als bedrohlich, sagt Ordnungsreferent Wurm.

"Der Platz ist natürlich polizeilich bekannt", sagt Thomas Rieger, Sprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Nord. Nebenan liegt eine Substitutionspraxis, ein Anziehungspunkt für Abhängige. Die Zahl der Polizeieinsätze sei im vergangenen Jahr signifikant gestiegen, sagt Rieger. "Das Gros der Einsätze hat mit hilflosen Personen im Rauschzustand zu tun." Die Polizei steht dem Trinkerraum grundsätzlich positiv gegenüber: "Einen betreuten Aufenthalt können wir uns schon vorstellen. Dann steht die Gruppe unter Aufsicht, das Phänomen wird kanalisiert und steht nicht mehr so im Fokus der Öffentlichkeit."

Die CSU sieht die Idee kritisch. "Wir haben klare Vorbehalte gegen das Projekt", sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Stadtrat, Leo Dietz. "Wir wollen zuerst klären, ob es einen Verdrängungseffekt gibt" - ob die Trinker also einfach woanders ihre Flaschen öffnen. Außerdem stehe infrage, ob die veranschlagten Kosten von bis zu 150 000 Euro dem erzielten Ergebnis gerecht würden. Hat die CSU einen alternativen Lösungsvorschlag?

Die Ministerin ist gegen eine Trinkerstube

"Es wird niemand ein Konzept aus dem Ärmel schütteln, bei dem wir sagen können, jetzt ist alles gut", sagt Dietz. "Dass wir ein soziales Problem haben, ist allen klar. Die Szene gehört einfach zu unserer Gesellschaft." Der CSU-Ortsvorsitzende von Oberhausen, Thomas Lidel, fürchtet, dass das Problem durch das Café noch größer wird. "Je komfortabler man es macht, desto mehr Leute werden angezogen." Als Alternative schlägt er vor, mehr Streetworker einzustellen.

Keine gute Idee, meint der Geschäftsführer vom Stadtjugendring, Helmut Jesske. "Man muss sich die Klientel dort anschauen. Da sind eher Erwachsene, wir helfen Jugendlichen." Und die meiden den Platz ohnehin, sagt seine Kollegin Christine Paula. "Er hat auch bei ihnen einen schlechten Ruf." Der Platz sei bereits ein Ersatz für den Hauptbahnhof. "Dort kann sich wegen der Bauarbeiten keine Szene mehr treffen. Jetzt verlagert sich das Geschehen", so die Leiterin der Offenen Jugendarbeit. Die Punks wandern zum Rathausplatz und die Trinker eben zum Oberhauser Bahnhofsvorplatz.

Auch Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hält Trinkstuben für keine gute Idee. "Im Vordergrund muss stehen, dass den Menschen aus ihrer Sucht geholfen und diese nicht verstetigt wird. Auch sollte ihnen nicht das Gefühl vermittelt werden, sie passten nicht mehr ins Stadtbild. Gegen eine reine Wärmestube dagegen wäre nichts einzuwenden." Mehr als nur ein Plätzchen zum Aufwärmen hat das Straßenmagazin Hempels in Kiel organisiert. Dort laufen seit 2003 und 2010 zwei Kneipen für Obdachlose mit Alkoholproblem - mit großem Erfolg, wie Harald Ohrt vom Leitungsteam sagt. 40 bis 50 Leute kämen täglich. "Die Stabileren stehen selbst hinter der Theke. Und wer Hilfe will, bekommt sie."

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