Erneuerbare Energien:Der dramatische Niedergang der Biogas-Technologie

Erneuerbare Energien: Biogas ist die teuerste erneuerbare Energie: Die Produktion einer Kilowattstunde Biogas-Strom kostet zwischen 15 und 22 Cent.

Biogas ist die teuerste erneuerbare Energie: Die Produktion einer Kilowattstunde Biogas-Strom kostet zwischen 15 und 22 Cent.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)
  • Noch vor wenigen Jahren galt Biogas als die Wunderenergie schlechthin.
  • Doch inzwischen zeigen sich auch Nachteile: Der Maisverbrauch ist gigantisch. Und die Energiegewinnung ist teuer.
  • Nachdem die Bundesregierung die Förderung gestoppt hat, fürchten viele Bauern nun, ihre Anlagen aufgeben zu müssen.

Von Christian Sebald

Josef Götz ist ein Biogas-Bauer wie aus dem Bilderbuch. Der Landwirt aus Markt Indersdorf (Kreis Dachau) zählte 2001 nicht nur zu den ersten Bauern in Bayern, die auf ihrem Hof ein solches Kraftwerk errichtet haben. Heute liefert Götz mit seiner 1,5-Megawatt-Anlage Strom für 3000 Haushalte. Und er versorgt ein Gewerbegebiet, eine Schule samt Hallenbad und demnächst ein kleines Wohngebiet mit Nahwärme.

Außerdem haben die Stadtwerke München einen Teil von Götz' Anlage mit anderen zu einem virtuellen Groß-Kraftwerk zusammengespannt. Sie werfen es immer dann an, wenn irgendwo in ihrem Versorgungsgebiet der Stromverbrauch unerwartet nach oben schnellt oder die Spannung im Netz gehalten werden muss - per Mausklick.

Das ist so ziemlich das Modernste, was man mit einer Biogasanlage machen kann. Der Bauer Götz sollte also ein gemachter Mann sein. Doch mitnichten. "Wenn die in Berlin bei ihrem Anti-Biogas-Kurs bleiben, muss ich meine Anlage womöglich bald zusperren", klagt er. "So wie viele andere Biogas-Bauern in Bayern auch."

Großer Vorteil: Biogas lässt sich speichern

Es ist eine denkwürdige Geschichte mit der Biogas-Technologie. Wohl keine andere erneuerbare Energie erlebt einen so dramatischen Niedergang wie sie. Dabei ist es erst ein paar Jahre her, da galt Biogas als die Wunderenergie schlechthin. Tatsächlich ist Energie aus Biogas eine ebenso einfache wie bestechende Sache.

Man braucht nur einen geschlossenen Behälter, dazu Mais, Getreide, Gülle oder andere Abfallstoffe aus der Landwirtschaft - und Bakterien. Sie wirken auf das sogenannte Substrat ein, und es entsteht Biogas. Gas, aus dem man Strom und Wärme herstellen und das man aufbereitet ins Erdgasnetz einspeisen und als Kraftstoff tanken kann. Gas, das man immer dann verbrennen kann, wenn man seine Energie benötigt. Windräder und Sonnenkollektoren liefern Energie nur, wenn der Wind weht und die Sonne scheint. Biogas ist außer Wasserkraft derzeit die einzige erneuerbare Energie, die sich speichern lässt.

Deshalb halten viele Experten Biogas für unverzichtbar für die Energiewende. In Bayern gab es denn auch Jahre, in denen 250 Anlagen und mehr errichtet wurden - pro Jahr. Als 2011 die Energiewende ausgerufen wurde, waren Götz und die anderen Biogas-Bauern zuversichtlich, dass eine sorgenfreie Zukunft vor ihnen läge.

Welche Nachteile diese Form der Energiegewinnung hat

Doch weit gefehlt. Schon bald setzte der Niedergang ein. Mit dem Boom verschärfte sich die Kritik, denn Biogas hat auch gravierende Schwächen. Die zentrale: Die meisten Anlagen werden mit Mais betrieben, Mais ist die Biogas-Pflanze schlechthin. Je mehr Anlagen entstanden, desto mehr Mais wurde angebaut. Die Folgen für die Böden, das Trinkwasser, die Artenvielfalt und das Landschaftsbild sind dramatisch.

Aber auch die Bauern gerieten unter Druck. Der Maisverbrauch der Anlagen ist gigantisch. Deshalb schnellten die Pachtpreise für Ackerland nach oben. In Biogas-Regionen wie dem Rottal mussten schon Landwirte aufgeben, weil sie bei den Pachtpreisen nicht mithalten konnten.

Vor eineinhalb Jahren kam der große Schlag: Die große Koalition stoppte die Förderung von Biogas-Anlagen. Der Boom riss abrupt ab. In Bayern, dem Biogas-Land Nummer eins in Deutschland, sind seither keine 20 Anlagen mehr neu in Betrieb gegangen. Gleichwohl ist das Biogas-Potenzial im Freistaat nach wie vor beträchtlich.

Was die Politik zum Niedergang des Biogases sagt

Die aktuell 2376 Anlagen hier bringen es auf eine Gesamtleistung von 834 Megawatt. Das ist ungefähr so viel wie ein modernes Gaskraftwerk oder ein kleines Atomkraftwerk hervorbringt. Zusammen produzieren die bayerischen Biogas-Kraftwerke denn auch etwa 7,4 Milliarden Kilowattstunden Strom, sie decken damit acht Prozent des Bedarfs hierzulande.

Doch nun droht offenbar auch den vorhandenen Anlagen Gefahr. Viele von ihnen sind so alt, dass sie in fünf oder sechs Jahren aus der Förderung fallen. Denn das ist die Grundregel bei den erneuerbaren Energien. Den fixen Abnahmepreis für den Strom, den sie produzieren, gibt es nur für 20 Jahre - egal ob es sich um Wind, Sonne oder eben Biogas handelt.

Die Förderung sollte ihnen ja nur zum Durchbruch verhelfen, sagt zum Beispiel der Münchner SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post, keinesfalls aber in eine Dauersubvention ausarten. In anderen Worten: Die Förderung sollte die erneuerbaren Energien im Lauf der Zeit so verbilligen, dass sie sich selbst überflüssig macht.

Bei Biogas-Anlagen ging diese Rechnung nicht auf. Mit Produktionskosten von 15 bis 22 Cent je Kilowattstunde bleibt Biogas-Strom nach wie vor die teuerste erneuerbare Energie. Nur Strom aus Windparks auf See dürfte noch teurer sein. Zum Vergleich: An der Leipziger Strombörse kostet die Kilowattstunde Strom derzeit ungefähr drei Cent. Anlagenbetreiber wie Josef Götz befürchten deshalb, dass sie nicht nur keine Gewinne mehr machen, wenn sie in fünf Jahren aus der Förderung fallen.

Sondern nicht einmal mehr ihre Kosten hereinholen. Dann aber bleibe nur die Stilllegung des Kraftwerks. Agrarminister Helmut Brunner (CSU), der sich in der Vergangenheit stets für die Branche eingesetzt hat, befürchtet, dass es in den nächsten Jahren vielen Biogas-Bauern an den Kragen gehen könnte. "Wir brauchen jetzt schnelle und unbürokratische Lösungen", sagt er. "Denn es geht ja nicht nur um die Bauern. Sondern um die Energiewende."

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