Flug ins Büro:Ein Pendler schwebt im siebten Himmel

Pascal Bouygues lebt in Stuttgart und arbeitet in Oberschleißheim: Doch statt mit dem Auto kommt er mit seinem Tragschrauber ins Büro - staufrei, aber nicht immer stressfrei.

Corinna Nohn

Der wohl prominenteste Auftritt eines Gyrocopters liegt schon etwas zurück: Es war 1967, als Sean Connery alias James Bond in "Man lebt nur zweimal " über eine Vulkanlandschaft fegte und Raketen auf Bösewichte ballerte. Pascal Bouygues ist jedoch kein James-Bond-Typ. Er ist klein und rundlich, und während er aufs Taxi zum Flugplatz wartet, tippt er wild auf Navi und Smartphone ein - die beiden Geräte sind seine einzigen Hilfsmittel, um gleich, in der Luft, den Weg in Richtung Schwäbische Alb zu finden.

Gyrocopter

Mit seinem Gyrocopter fliegt Pascal Bouygues täglich von Stuttgart nach Unterschleißheim.

Mit diesem Technikfreak soll man fliegen? In einen Gyrocopter steigen, der aussieht wie ein Motorradbeiwagen mit Propeller? Ohne Dach und Schleudersitz? Pascal Bouygues macht das mehrmals in der Woche, denn er wohnt in Stuttgart und arbeitet in Unterschleißheim. Eine gute Stunde benötigt er für die Strecke, weit weniger als mit dem Auto. Der IT-Fachmann ist froh, dass ihn mal jemand begleitet - Kollegen, die auf derselben Strecke mit dem Auto oder Zug pendeln, haben immer dankend abgelehnt.

Jetzt gibt es eh kein Zurück mehr. Das Taxi ist auf dem Flugplatz in Oberschleißheim angekommen, und man will ja nicht als Feigling dastehen. Vielleicht wäre das anders, wenn Pascal Bouygues jetzt schon erzählen würde, wie er seinen ersten Flug nach einer halben Stunde abgebrochen hatte.

Obwohl er schon als Kind Pilot werden wollte, hätte ihn seine Höhenangst fast am Boden gehalten. Aber er erzählt das erst oben, und deshalb läuft man ihm hinterher: durch den Biergarten, wo ihn alle zu kennen scheinen, durch das Jägerzauntürchen mit dem Schild "Zutritt ohne Piloten verboten", in Richtung Startbahn.

Bouygues zieht seinen knallgelben "Gyro", wie er nur sagt, aus der Halle; dort parkt die Maschine zwischen gut 50 anderen auf Hochglanz polierten Kleinflugzeugen. Noch mal die Rotoren auf eventuelle Risse abtasten, an allen Schrauben ruckeln, nachtanken. Und dann stellt er fest: zu wenig Öl. "Wahrscheinlich würde es reichen, aber da bin ich übervorsichtig." In der Flugfahrt sind alle per Du, und da gibt man sich auch mal ein Kännchen Öl aus. Zehn Minuten später ist der Gyro also startklar. Helme und Kopfhörer aufsetzen, einsteigen, im Funkturm neben der Startbahn wartet schon ein Kollege darauf, das Okay zum Abheben zu geben.

"Nur auf die Fußleisten treten, nicht auf den Boden - der trägt dein Gewicht nicht, alles Kunststoff", warnt der Pilot. Der Gyro rollt los, es folgt ein weiterer Sicherheitshinweis: "Ganz übel wäre es, wenn du etwas fallen lässt - wenn das in den Motor fliegt, dann geht der kaputt. Alles klar?" Keine 30 Meter braucht der Gyro, um auf Touren zu kommen, dann steigt er zügig in die Luft, auf 700, 800 Meter.

Der Wind zerrt am Helm und an der Jacke, die Hände klammern sich an die Beine, um nicht mitgerissen zu werden. Es ist ja alles offen, nur den Piloten schützt eine kleine Windschutzscheibe. "Da hinten ist es heftiger, ich fliege deshalb nicht ganz so schnell", gibt Pascal Bouygues übers Mikro durch. Das heißt: 120 statt 150 Kilometer pro Stunde. Unten zieht Dachau vorbei, man sieht genau, wer einen Pool im Garten hat.

Ein paar Minuten später, in Königsbrunn, sind es diese riesigen Trampoline, die es diesen Sommer überall im Angebot gab. Der Ausblick reicht fast bis zur Schwäbischen Alb, phantastisch; die Hände lockern ihren Klammergriff ein wenig.

"Ich bin total fluggeil"

Mit dem Flugzeug zur Arbeit pendeln - da fallen einem Spitzenmanager oder Typen wie Jens Lehmann ein. Als der ehemalige Nationaltorwart beim VfB Stuttgart unter Vertrag stand, wollte er gern weiterhin mit seiner Familie in der Villa in Berg am Starnberger See residieren. Er ließ sich daher ein paar Mal mit dem Hubschrauber zum Training abholen. Doch das kam bei seinen Nachbarn nicht gut an: Lehmann musste sich einen Landeplatz außerhalb der Ortschaft suchen.

Zwar ist Pascal Bouygues auf ähnlicher Strecke unterwegs wie einst der Fußballstar. Aber er könnte es sich gar nicht leisten, wie Lehmann 1000 Euro pro Flugstrecke zu zahlen; ihn kostet ein Flug gut 100 Euro. Außerdem will er ja nicht nur schneller von A nach B kommen: "Ich bin total fluggeil", sagt er selbst. Seit 2003 sind Gyrocopter in Deutschland zugelassen, vor etwa vier Jahren war Bouygues einer der Ersten, der darin seinen Flugschein machte.

Mittlerweile hat der 36-Jährige, der in Paris geboren ist, seinem Fluglehrer einen Gyrocopter abgekauft. Tragschrauber sind nicht so teuer wie Kleinflugzeuge, aber eine neue Maschine kostet 50.000 Euro aufwärts. Um das Hobby zu finanzieren, bietet Pascal Bouygues auch Rundflüge an.

Zwischen seinen Durchsagen an die Flugsicherheit schwärmt er: "So gut ist die Sicht nur zwei- oder dreimal im Jahr." Er fliegt nicht bei jedem Wetter. Ein Gewitter wäre lebensgefährlich, auch bei starkem Regen oder Nebel lässt er den Gyro stehen, dann fährt er mit dem Auto oder übernachtet in Unterschleißheim.

Er hat schon mehrere brenzlige Situationen erlebt. Westlich von Augsburg deutet er auf ein Wäldchen, da schlug mal ein Blitz keine 200 Meter von ihm ein. Es blieb bei dem einen Blitz, und er flog weiter. "Sonst wäre ich einfach runtergegangen, auf irgendein Feld." Das hat er mal bei heftigem Sturm gemacht. Unten, am Boden, hatte ihn der Bauer damals erstaunt empfangen. Trotz dieser Erlebnisse sagt der Pilot: "Ich fühle mich sicher im Gyro, er liegt so ruhig in der Luft."

Da naht schon das Stoppelfeld, das der Flugplatz sein soll. Irgendwie ist es doch gar nicht so wild - kaum zu glauben, dass der Gyro mit 130 Sachen durch die Luft saust. "Oben merkt man die Geschwindigkeit nicht, das sieht man nur näher am Grund." Zum Beweis rast er noch mal mit voller Geschwindigkeit ganz nah über den Boden und dreht eine enge 180-Grad-Kurve. Der Gyro scheint innezuhalten, er hängt schräg in der Luft. Das hatte dann doch noch einen Hauch von James Bond.

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