Studium:Ministerium rät angehenden Lehrern vom Gymnasium ab

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Büffeln für die Arbeitslosigkeit: Wer heute nach der Schule selbst Lehrer am Gymnasium werden will, sollte sich das ganz genau überlegen.

(Foto: imago/Westend61)
  • In einem Monat beenden 800 angehende Gymnasiallehrer ihr Referendariat.
  • Im Februar werden aber nur 75 Stellen an den 300 Gymnasien neu besetzt.
  • Die besten Chancen haben Referendare, die Informatik, Physik, Musik oder Kunst studiert haben.
  • Trotz Bestnoten bleibt vielen nur die Umqualifikation für die Mittelschule.

Von Anna Günther

Auf den 19. Februar 2016 warten alle, die mit bayerischen Schulen zu tun haben, seit Monaten. Denn am 19. Februar werden die nächsten Referendare fertig. Die 800 angehenden Gymnasiallehrer hoffen, möglichst an den 300 staatlichen Gymnasien übernommen zu werden. Bildungspolitiker, Schulleiter und Lehrer hoffen, möglichst viele dieser 800 auch an Mittel- und Berufsschulen verteilen zu können. Denn dort sind die meisten Übergangsklassen angesiedelt, dort werden die meisten Lehrer gebraucht, um Flüchtlingskinder in Deutsch zu unterrichten.

Aber im Februar werden traditionell nur wenige Stellen besetzt, die etwa durch Pensionierungen oder Elternzeit frei geworden sind. Laut einem Schreiben des Ministeriums an die Gymnasien sollen 75 junge Lehrer eine Beamtenstelle bekommen. 50 werden an Berufs- und Fachoberschulen eingestellt. Gute Chancen haben jene Referendare, die Informatik, Physik, Musik oder Kunst studiert haben.

Allen anderen bleiben trotz Bestnoten befristete Jobs und die Warteliste - oder die Umqualifikation für die Mittelschule. Bis zu 180 Lehrer könnten in dem auf zwei Jahre angelegten Projekt sofort einen Platz bekommen. An der Berufsschule sind es bis zu 60 Plätze. Der Freistaat lockt sogar mit unbefristeten Beamtenstellen. Das reicht offenbar nicht als Anreiz. Denn die Seminarlehrer sollen ihre Referendare "nochmals mit Nachdruck auf diese Beschäftigungsmöglichkeit" hinweisen, heißt es in dem Schreiben.

Deutlich weniger Bewerber an der Mittelschule

Bewerber für die Berufsschulen gibt es genügend. Laufbahn, Lohn und Fachlehrerprinzip gleichen dem Gymnasium. Ganz anders sieht es an der Mittelschule aus - entsprechend gering ist das Interesse: Selbst wenn das Kultusministerium alle Interessenten nimmt, blieben weit mehr als die Hälfte der Plätze frei. Ende Dezember richtete sich das Angebot vor allem an Bewerber, die Deutsch, Englisch oder Mathematik unterrichten. Mittlerweile darf sich bewerben, wer Lust hat. Offenbar hofft man im Ministerium auf Nachzügler.

Denn die Not ist groß. In Oberbayern gibt es noch immer unbesetzte Beamtenstellen an Mittelschulen. Die Kinder, die im Herbst an Bahnhöfen und den bayerischen Grenzen begrüßt wurden, kommen spätestens in den nächsten Wochen in die Schulen. Mehr als 160 Millionen Euro will Minister Ludwig Spaenle für die Integration der Flüchtlingskinder in Bayerns Schulen ausgeben. 1079 Beamtenstellen sind eingeplant, Budget für 600 weitere Lehrer ist da.

Doch die Wartelisten sind abgeräumt, die nächsten Volks- und Realschullehrer werden erst im Sommer fertig. Sogar Pensionisten und Lehrer in Elternzeit werden derzeit angeschrieben. Den Einsatz von Studenten ohne praktische Ausbildung wollen zwar alle vermeiden, er wird aber als letztes Mittel offen gehalten.

Im Ministerium scheint man langsam ratlos darüber zu sein, wieso zwar viele Referendare gegen die schlechte Jobsituation protestieren, aber diese Chance nicht nutzen. "Das fällt irgendwann auf die Lehrer zurück", sagt ein Eingeweihter. Der Chef des Bayerischen Philologenverbandes, Max Schmidt, hat Verständnis für seine Referendare. Einerseits. "Das ist schwierig für die jungen Leute: Die Kinder sind viel jünger, die Klientel ist eine andere, die Anforderungen sind als Klassenlehrer ganz anders."

Zulassungsbeschränkung zum Referendariat

Aber Schmidt ist auch Realist. Die Jobsituation ist schlecht und wird es bleiben. "Sogar das Ministerium sagt, dass es keine echten Mangelfächer mehr gibt", sagt er. Aber viele Referendare hofften darauf, dass weitere Stellen nachgeschoben werden und sie doch noch ans Gymnasium kommen. "Ich glaube das eher nicht."

Und die Flüchtlingskinder werden noch nicht sofort an die höheren Schulen kommen, zu anspruchsvoll sind die Fach- und Fremdsprachen. Schmidt wünscht sich Voraussicht vom Ministerium, spezielle Sprachförderstunden an jeder Schule. Bei 300 Gymnasien wären das etwa 50 Stellen.

Das Ministerium warnt im Internet und an den Unis mittlerweile regelrecht davor, Lehramt auf Gymnasium oder Realschule zu studieren. Besonders gilt das für Geisteswissenschaften und moderne Sprachen. Offenbar ohne Erfolg. Die Staatsregierung kriegt den "Schweinezyklus" nicht in den Griff: Die Jahre, in denen Lehrer bestimmter Fächer fehlen, wechseln sich weiter mit Zeiten ab, in denen es zu viele gibt.

Die Zulassungsbeschränkung zum Referendariat soll die alljährliche Schwemme an arbeitslosen, laut protestierenden Junglehrern verhindern. Statt wie bisher alle Studenten nach dem ersten Staatsexamen in die Schulen zu schicken, sollen nur die besten oder begehrtesten sofort ihr Referendariat beginnen. Alle anderen müssten bis zu drei Jahre warten. Bayern ist eines der wenigen Bundesländer, das noch keine Schranke im Gesetz verankert hat.

Entrüstung bei Studenten und Lehrerverbänden

Doch der Sturm der Entrüstung von Lehrerverbänden und Studenten war so groß, dass die Staatsregierung offenbar ihren selbstgesetzten Zeitplan nicht halten kann. Der Ministerrat soll sich Ende Januar erneut mit der Änderung des Lehrerbildungsgesetzes befassen. Damit dürfte das Gesetz nicht wie geplant im April in Kraft treten. Es gebe wohl noch Gesprächsbedarf in der Staatsregierung, hört man aus der Opposition - mit durchaus süffisantem Unterton.

Der Tenor war bei allen Gegnern gleich: Gerade jetzt, da händeringend Lehrer gesucht werden, dürfe die Staatsregierung keine Begrenzung schaffen. Zumal auch Bildungsforscher diese für wirkungslos halten und Studenten ohne Referendariat keinen richtigen Abschluss haben. Die Unis sollten eher alternative Abschlüsse schaffen.

Im Internet laufen mehrere Petitionen gegen die geplante Gesetzesänderung. Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft will mit Vertretern der Studenten ihre etwa 21 000 Unterschriften im Landtag übergeben - sogar CSU-Lokalpolitiker haben den Antrag unterschrieben.

Trotzdem ist es unwahrscheinlich, dass die Staatsregierung das Gesetz kippt. Auch wenn es intern brodeln soll. "Die schieben sich gegenseitig die Schuld zu", hört man im Landtag. Der Kultusminister betonte, dass die neue Regelung nicht bedeute, dass er sie auch anwende. Spaenle und sein Haus sollen wenig von der Schranke halten, die CSU-Abgeordneten gelten als treibende Kraft, die keine Lust haben, jedes Jahr aufs Neue ihren Wählern die protestierenden Lehrer zu erklären.

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