Studiengebühren in Bayern bleiben:Opposition vergleicht Koalition mit Hühnerstall

Die Studiengebühren in Bayern bleiben doch. Vorerst zumindest. Nach einer stundenlangen Krisensitzung haben CSU und FDP die Entscheidung vertagt. Nun droht der Streit um die Abschaffung der Gebühren zur Dauerbelastung für die bayerische Regierung zu werden. Für die Opposition ist die Koalition am Ende.

Mike Szymanski

Schwarz-gelbe Koalition in Bayern

CSU-Chef Horst Seehofer und FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger bei den Koalitionsverhandlungen im Jahr 2008. Nun kriselt es gewaltig zwischen den beiden Parteien. Schuld ist der Streit um die Studiengebühren.

(Foto: dpa)

Der Streit um die Abschaffung der Studiengebühren in Bayern droht zur Dauerbelastung für die bayerische Staatsregierung zu werden. Auch nach einem mehr als fünfstündigen Krisengespräch in der Münchner Staatskanzlei konnten sich CSU und FDP nicht auf eine gemeinsame Position in dieser Frage verständigen. Es bleibt vorerst bei den Studiengebühren.

CSU-Chef und Ministerpräsident Horst Seehofer sagte am späten Abend: "Wir haben dazu unterschiedliche Auffassungen." Die CSU möchte einem Volksentscheid im Wahljahr 2013 zuvorkommen, von dem Seehofer glaubt, ihn nicht gewinnen zu können.

Die FDP blieb jedoch in den Verhandlungen hart: Sie will für die Beibehaltung der Studiengebühren kämpfen. "Die Studiengebühren haben zu dem hervorragenden Niveau der Hochschulen beigetragen", sagte FDP-Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. "Wir sind nicht zu einem Konsens gekommen." Die Koalitionspartner vertagten die endgültige Entscheidung auf den Januar.

Scharfe Kritik kam am Sonntag von der Opposition. "Wenn es noch eines Beispiels bedurft hätte, dass diese Koalition am Ende ist, dann haben wir es jetzt", sagte die Grünen-Spitzenkandidatin Margarete Bause. "In der Koalition geht es zu wie in einem Hühnerstall. Alle flattern wild durcheinander und haben Angst vor dem Fuchs - der Meinung des Volkes", sagte sie. Es sei "geradezu grotesk", dass die CSU jetzt aus Angst vor den bayerischen Bürgern die selbst eingeführten Studiengebühren freiwillig kassieren wolle.

SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher erinnerte an das jahrelange erbitterte Festhalten der CSU an den Studiengebühren: "Wehrpflicht, Atompolitik, Praxisgebühr, Länderfinanzausgleich, Donauausbau, G8/G9 und jetzt die Unimaut. Die nervösen CSU-Kurswechsel werden immer rasanter und ungenierter. Selten waren Protest und Widerstand einer Partei gegen die eigene Politik so eindrucksvoll wie heute", sagte der SPD-Politiker.

Der Initiator des Volksbegehrens gegen die Studiengebühren, Michael Piazolo von den Freien Wählern, kritisierte, die Koalition habe mit ihrer Entscheidung, an den Studienbeiträgen festzuhalten, eine einmalige Chance verspielt. Dass die Koalition jetzt böswillig auf Zeit spiele, sei zudem ein weiterer Beweis für deren Regierungsunfähigkeit. "Wir stehen bereit, unser Volksbegehren durchzuführen und zum Erfolg zu bringen", betonte Piazolo.

Die Gefahr ist nur vorerst gebannt

Voraussichtlich zum Jahresbeginn wird die Eintragungsfrist für das vorgeschaltete Volksbegehren beginnen. CSU und FDP wollen bereits vor Beginn der Eintragungsfrist ihre Gespräche wieder aufnehmen. Es ist denkbar, dass CSU und FDP ihre Entscheidung auch davon abhängig machen, ob überhaupt genug Unterschriften für einen Volksentscheid zusammenkommen. Seehofer geht davon aus, dass dies gelingt. In der FDP hat man Zweifel.

Der Konflikt über die Studiengebühren hat sich in den vergangenen Tagen zu einer schweren Regierungskrise ausgeweitet. Einzelne Abgeordnete aus der CSU haben der FDP bereits mit dem Bruch der Koalition gedroht. Seehofer erklärte hingegen: "Die Koalition steht." Die Gefahr ist jedoch nur vorerst gebannt.

Der Regierungschef wollte der Koalition die wochenlange, womöglich mehrere Monate andauernde Belastung durch ein Streitthema innerhalb des Bündnisses ersparen. Auch Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sprach als Teilnehmer der Koalitionsrunde am Samstag von einer "Frage von politischer Klugheit".

"Pistole auf die Brust gesetzt"

Im Landtag wird die Opposition voraussichtlich durch eine Reihe von namentlichen Abstimmungen versuchen, einen Keil in die Regierungskoalition zu treiben. CSU-Abgeordnete müssen weiter für die Studiengebühren stimmen, obwohl sie sie am liebsten abschaffen würden. Es ist fraglich, wie lange die Parlamentarier der CSU diesen Druck aushalten. Seehofer sagte: "Bei unterbrochenen Gesprächen gilt der Koalitionsvertrag." Dort sind die Studiengebühren festgeschrieben. "Auf dieser Grundlage wird abgestimmt."

Das Treffen am Samstag war von erheblichen Spannungen begleitet worden. CSU-Fraktionschef Georg Schmid sprach vor Beginn des Gesprächs von "keiner einfachen Situation", in der sich die Koalition befinde. Zwar bekundeten Schmid wie auch Seehofer, weiterhin als Koalition zusammenarbeiten zu wollen. Ein Scheitern schließen sie offenbar selbst nicht mehr aus. Schmid sagte: "Wir diskutieren über die Fortsetzung guter Politik." Seehofer hatte am Freitagabend schon gesagt, er wolle, dass die Koalition weiterarbeitet. "Wir müssen schauen, dass die Frage des Koalitionsbruchs gar nicht auftaucht, indem wir das Problem lösen."

Die FDP-Vertreter waren gemeinsam zur Sitzung in der Staatskanzlei gekommen und hatten dadurch ihre Geschlossenheit demonstriert. Vize-Regierungschef Martin Zeil sagte: "Wir wollen keinen Krach und wir machen keinen Krach." Sabine Leutheusser-Schnarrenberger kritisierte jedoch vor dem Beginn der Gespräche die Angriffe aus der CSU auf den kleinen Koalitionspartner. "Wir bauen keine Drohkulisse auf. Das hat leider unser Koalitionspartner gemacht", sagte sie. Die CSU habe der FDP die "Pistole auf die Brust gesetzt".

Seinen eigentlich für den Abend geplanten Besuch beim Presseball in Augsburg sagte Seehofer ab. Es sei ihm zu spät geworden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: