Studie zu Masttieren:"Millionenfacher Verstoß gegen das Tierschutzgesetz"
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Von Christian Sebald, München
Nach der Veröffentlichung der Studie über das Leiden der Mastschweine machen Tierschützer Druck auf die Staatsregierung, die Zustände in der konventionellen Schweinehaltung zu beenden. "Jetzt sind Agrarminister Helmut Brunner und Umweltministerin Ulrike Scharf gefordert", sagte die Vize-Chefin des Tierschutzbundes Bayern, Tessy Lödermann. "Die Studie belegt wissenschaftlich, was wir seit Jahren sagen: Die konventionelle Schweinemast ist ein täglicher und millionenfacher Verstoß gegen das Tierschutzgesetz." Die Grünen-Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger fordert Brunner auf, nur noch Mäster zu unterstützen, die in eine tiergerechte Schweinehaltung investieren.
Nach der Studie der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) leiden neun von zehn Mastschweinen aus konventioneller Haltung an schmerzhaften Entzündungen ihrer Beingelenke mit bis zu tennisballgroßen Geschwülsten und rötlich-wunder, in schlimmen Fällen sogar blutig-eitriger Haut. Die Deformationen rühren von der Haltung der Tiere in Ställen mit Spaltenböden her. Auf Spaltenböden wechseln sich Trittbalken mit knapp zwei Zentimeter schmalen Spalten ab, durch die der Kot und der Urin der Tiere fallen und leichter entsorgt werden können. Die Böden sind für die Tiere nicht nur deshalb eine Qual, weil sie auf ihnen nicht wirklich sicher stehen und laufen können. Sondern weil mit zunehmendem Gewicht ihre Beingelenke so strapaziert werden, dass es zu den schmerzhaften Deformationen kommt.
Bio-Schweinen geht es besser
Dabei zeigt die Studie, die unter Leitung des Veterinärmediziners Professor Manfred Gareis entstand, dass es auch anders geht. Die Wissenschaftler untersuchten auch Schlachtschweine aus ökologischer Mast. In Biobetrieben sind Spaltenböden verboten, die Tiere haben viermal so viel Platz wie in konventionellen Höfen und können ins Freie. Das Ergebnis: 86 Prozent der Bio-Schweine entwickeln keinerlei Deformationen an ihren Beingelenken, bei den anderen 14 Prozent stellten die Forscher "geringgradige Veränderungen" (Gareis) fest.
"Wer sicher sein will, dass sein Schweinebraten aus artgerechter Haltung kommt, für den ist Bio das Mittel der Wahl", sagt deshalb Daniela Krehl von der Verbraucherzentrale Bayern. Bio-Schweinefleisch ist freilich mit einem Marktanteil von 1,5 Prozent ein Nischenprodukt. Der Grund: Es ist wenigstens doppelt so teuer als das aus konventioneller Mast. Doch Tierwohlsiegel für Fleisch aus konventioneller Haltung haben sich bei den Verbrauchern nicht durchgesetzt. Konventionell erzeugtes Schweinefleisch mit dem Tierschutzlabel des Tierschutzbunds kommt auf nur 0,15 Prozent Marktanteil.
Bauernverband will eine Folgeuntersuchung
Beim Bauernverband (BBV) nimmt man die LMU-Studie ernst. "Wir sind seit Längerem mit Professor Gareis im Gespräch", sagt Johann Ertl, der BBV-Referent für Schweinehaltung, "unser Ziel ist eine Folgeuntersuchung". Denn für den BBV sind "wesentliche Fragen" offen. "Aus der Studie ergibt sich kein kausaler Zusammenhang zwischen den Deformationen und der Haltung der Tiere", sagt der BBV-Referent Ertl. "So wussten die Forscher gar nicht, aus welchen Betrieben die Schweine kamen. Außerdem müssen auch andere Faktoren abgeklärt werden, die Genetik der Tiere zum Beispiel oder die Fütterung."
Agrarminister Helmut Brunner (CSU) ist da schon einen Schritt weiter. Er hat bereits vor drei Jahren einen "runden Tisch tiergerechte Nutztierhaltung" gegründet, zu dessen Treffen auch Tierschützer und Verbraucherschützer eingeladen sind. Außerdem hat der Minister besondere Förderprogramme für Bauern eingerichtet, die zum Beispiel in Schweineställen auf die Einstreu von Stroh setzen statt auf Spaltenböden. Stroh im Stall ist nach Überzeugung von Tierärzten die beste Vorsorge gegen die massenhaften Gelenksentzündungen. Allerdings ist diese Haltungsform etwas teurer und aufwendiger als ein Spaltenboden.