Studenten in Bergnot:So lief die Rettung der Indonesier am Watzmann

Wenn der Watzmann ruft - Zum Wandern in die Berchtesgadener Alpen

Der Watzmann verlangt auch erfahrenen Bergsteigern einiges ab. Für Freizeittouren bei schlechtem Wetter und ohne Ausrüstung ist er nicht geeignet.

(Foto: Elke Richter/dpa)

Normalerweise holen die Helfer zwei oder drei Menschen vom Berg. Diesmal waren es 14 Studenten aus Indonesien, die sich auf dem Watzmann verirrt hatten - und Bergwacht und Polizei zu einem außergewöhnlichen Nachteinsatz zwangen.

Von Heiner Effern, Ramsau

Der Notruf vom Watzmann ging bei der Bergwacht Ramsau am Sonntag gegen 20 Uhr ein. Zwei Menschen, hieß es anfangs, könnten nicht mehr vor und zurück, steckten orientierungslos im etwa 20 bis 30 Zentimeter hohen Schnee fest. Bald schon wurde klar, dass sich eine ganze Gruppe beim Aufstieg zum 1930 Meter hoch gelegenen Watzmannhaus verirrt hatte.

Eine historische Nachtwindenaktion

Es waren 14 indonesische Studenten, die aus ganz Deutschland für ein Abenteuer am Berg angereist waren. Das wird für die offensichtlich unerfahrenen Bergsteiger wohl unvergesslich bleiben: Die Hubschrauberstaffel der Polizei bezeichnet die Rettung der Studenten als die größte Nachtwindenaktion ihrer Geschichte.

Der Pfingstsonntag war regnerisch und kalt, die Gipfel der Berge waren im Berchtesgadener Land kaum zu sehen. "Ein Sauwetter, es hat enorm weit runtergeschneit", sagt Bergwachtmann Eder. Die Studenten im Alter von 23 bis 25 Jahren starteten ihre Tour trotzdem am Königssee. Im Schnee verpassten sie jedoch den richtigen Weg, gerieten ins Watzmannkar und stapften noch bis auf eine Höhe von etwa 1800 Metern hinauf. Dort gaben sie so erschöpft auf, dass sie nicht einmal auf ihren eigenen Spuren zurückgehen konnten.

Wie die Rettung per Helikopter genau ablief

Der erfahrene Bergretter Eder schloss aus den dürftigen Angaben der völlig orientierungslosen Gruppe, dass er genau dort suchen musste. Beim zweiten Versuch konnte er Rufkontakt zur Gruppe herstellen, die in der Dämmerung auch mit Taschenlampen auf sich aufmerksam machte. Hinübersteigen konnte er von seinem Standort aus aber nicht. Zu diesem Zeitpunkt herrschte laut Polizei zudem auch noch dichter Nebel im Watzmannkar.

Neben zwei Polizeihubschraubern wurde deshalb auch die Alpinpolizei alarmiert. Dazu waren 14 Bergretter aus Ramsau und zwei aus Berchtesgaden im Einsatz. Letztere kümmerten sich um das Tanken der Helikopter am Boden. Als sich im Laufe des Abends die Wolken verzogen, konnten wie geplant die Hubschrauber die Rettung übernehmen. Einer war mit einer Wärmebildkamera ausgerüstet, einer mit einer Seilwinde, mit der Patienten in die Maschine gezogen werden können.

Am Seil ließ sich ein Bergretter zur Gruppe hinab, setzte ein Mitglied der Gruppe in den Tragegurt und klickte ihn fest. Dann zog sie die Winde nach oben. Wenn mit zwei bis drei Studenten an Bord das Maximalgewicht des Hubschraubers erreicht war, flog er die Kührointalm an, da im Tal der dort aufkommende Nebel das Landen erschwerte. Zudem ermöglichte der kurze Flugweg eine schnellere Rettung der anderen Studenten.

"Von einer weiteren Tour wurde der Gruppe dringend abgeraten"

"Erst kamen die Mädels dran, dann die Burschen", sagte ein Polizeisprecher. Eine so große Gruppe habe zuvor noch nicht per Seilwinde gerettet werden müssen. "Sonst sind das höchstens zwei oder drei Leute." Auf der DAV-Alm versorgten zufällig anwesende Bergsteiger zunächst die durchnässten und unterkühlten Indonesier mit Tee und Decken.

Fast bis Mitternacht zog sich der Einsatz hin, zumeist flog der Pilot bei völliger Dunkelheit. Ein solcher Einsatz erfordere höchste Konzentration, sagt Markus Leitner, Sprecher des BRK im Berchtesgadener Land. Er kennt solche Bedingungen. "Die erfordern eine reibungslose Verständigung zwischen Rettern und Hubschrauber-Crew."

Die Piloten würden mit sogenannten Bildverstärker-Brillen fliegen, mit denen sie die Umgebung zwar taghell, aber nur mit eingeschränktem Blickfeld, zweidimensional und einfarbig sähen. Retter am Boden dürften sie auf keinen Fall mit Lampen oder anderen Lichtquellen direkt anleuchten, weil sie sonst geblendet würden.

"Man hätte die dort auch zu Fuß runtergebracht"

"Nächtliche Hubschrauber-Windeneinsätze sind keine Selbstverständlichkeit und erfordern große Erfahrung und Routine der Besatzung." Das Abschätzen von Entfernungen zum Boden oder zu einer Felswand sei nur mit viel Flugerfahrung und mit Hilfe zusätzlicher Informationen der Retter im Gelände möglich, sagt Leitner.

Die Bergretter nahmen den vierstündigen Einsatz trotzdem gelassen. "Man hätte die dort zu Fuß auch runtergebracht", sagt Einsatzleiter Eder. Es wäre dann halt "viel mehr Action" nötig gewesen. "Wir sind froh, dass wir die Unterstützung der Hubschrauber hatten." Absturzgefahr habe nicht bestanden. Die Rettungssaison am Watzmann habe dieses Jahr ohnehin ruhig angefangen, sagt Thomas Meeß, der stellvertretende Bereitschaftsleiter der Ramsauer Bergwacht. Das sei nun wohl vorbei.

Seine Männer sind für einen Großteil des Watzmanns zuständig, der besonders im Sommer Bergsteiger aus ganz Deutschland und darüber hinaus anzieht. Immer wieder retten sie auch Menschen, die ohne geeignete Vorbereitung und passende Ausrüstung ihre Tour aufgeben müssen. Deshalb überrascht sie die Auskunft der Kollegen von der Polizei nur wenig, dass sich die Studenten aus Indonesien leichtfertig selbst in Gefahr gebracht hätten.

Die Gruppe sei "zum Teil mit nicht tauglichem Schuhwerk ausgerüstet" gewesen und hätte "viel zu schwere Rucksäcke" dabei gehabt, hieß es nach dem Einsatz. Die 14 jungen Frauen und Männer, die alle mit einem Schrecken davonkamen, konnten auf der bewirtschafteten Kührointalm übernachten. Damit sollten sie ihr Abenteuer beenden, rieten ihnen die Polizei. "Von einer weiteren Tour wurde der Gruppe dringend abgeraten", heißt es.

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