Süddeutsche Zeitung

Streit zwischen Rathaus und Brauereien:Freibier für Deggendorf

Nicht die Platzhirsche, eine Münchner Brauerei darf das neue Festzelt des Deggendorfer Volksfests betreiben. Ein lokaler Anbieter reagiert nun - und plötzlich macht das böse Wort Korruption die Runde.

Hans Kratzer

Die behagliche Kreisstadt Deggendorf gilt zu Recht als das Tor zum Bayerischen Wald und ebenso als das Epizentrum der bayerischen Knödelkultur. Überhaupt zeichnet sich Deggendorf durch viele Annehmlichkeiten aus. Wenn es ums Bier geht, dann spielt die Donaustadt jedoch eine eher unglücklich Rolle. Wer erinnert sich nicht mit Schaudern an den Beginn des Wintersemesters, als die Stadt den neuen Studenten Freibier spendierte, aber keiner ging hin. Und schon schlittert Deggendorf in die nächste Bierkrise, die lokalen Medien unken bereits vom Deggendorfer Bierkrieg.

Tatsächlich hat der Konflikt binnen weniger Tage eine bemerkenswerte Schärfe angenommen, was sich darin manifestiert, dass die Oberbürgermeisterin Anna Eder und ihre Kollegen vom Rathaus und vom Stadtrat sogar unter Korruptionsverdacht geraten sind. Ausgangspunkt des Malheurs war das Deggendorfer Volksfest, das um ein drittes Bierzelt erweitert werden soll. Seltsamerweise beschloss die Stadtführung hinter verschlossenen Türen, dass nicht die regionalen Brauereien Arco, Irlbach und Aldersbach dieses Zelt beliefern werden, sondern der Münchner Augustinerbräu.

Kein Wunder, dass die Lokalmatadore diese Entscheidung als Schlag gegen den heimischen Mittelstand interpretierten. Nicht nur deshalb, weil sie sich selber seit Jahrzehnten einem komplizierten Verfahren unterziehen müssen, um die Festzelte beliefern zu dürfen. "Beim viel größeren Gäubodenfest in Straubing wäre so ein Vorgehen nicht möglich", sagt Simon Freiherr von Poschinger-Bray, der Chef der Brauerei Irlbach.

Noch größer ist der Ärger in der Brauerei Arco in Moos, der einzigen Brauerei im Landkreis Deggendorf. Brauereidirektor Holger Fichtel beurteilt das Procedere der Stadt als unfair und unverschämt, außerdem wittert er im Rathaus "wirtschaftliche Inkompetenz und Vetterleswirtschaft". Überdies erklärte die Brauerei, dass "bei uns im öffentlichen Leben stehende Personen anrufen, wenn sie eine private Feier haben." Freibier für Großkopferte? Lokale Medien zögerten nicht, das Wort Korruption in die Welt zu setzen.

Oberbürgermeisterin Anna Eder (CSU) schlug freilich sofort zurück. Sie verwahrte sich dagegen, dass Deggendorfer Beamte, Politiker und Stadträte bei der Brauerei Arco um Freibier betteln würden. Dieser Vorwurf sei eine Unverschämtheit, schimpfte Eder. Die Brauerei Arco wiederum legte nun Lieferscheine vor, die belegen, dass Anna Eder für eine Geburtstagsfeier von Arco mehrere Hektoliter Freibier und alkoholfreie Gratisgetränke erhalten hatte.

Frau Eder verlangte daraufhin von allen Mitarbeitern der Stadtverwaltung und des Stadtrats Erklärungen über Freibierannahmen, die der Staatsanwaltschaft Deggendorf, die in der Sache Vorermittlungen eingeleitet hat, vorgelegt werden sollen. Sie selber stritt jegliche Vorteilsnahme ab. "Das habe ich nicht nötig. Wenn, dann hat die Brauerei Arco das freiwillig gemacht", sagte sie. Die Lieferung will sie nun nachträglich bezahlen.

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Quelle:
SZ vom 10.12.2010/tob
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