Süddeutsche Zeitung

Streit um zwei Schweine:Dicke Luft im Kurgebiet

Lesezeit: 2 min

Sie sind klein, borstig und helfen einer Physiotherapeutin bei der Betreuung von behinderten Kindern. Jahrelang hat sich niemand in Bad Kissingen an den Schweinen Bella und Paula gestört. Doch nun hat die Besitzerin ihr Gehege verlagert.

Von Katja Auer

Das Szenario wiederholt sich: Irgendwo in Bayern will jemand Schweine züchten, viele meistens, weil es sich sonst nicht rentiert. Dann regen sich die Nachbarn auf, weil Schweine stinken und grunzen, und weil jemand, der Schnitzel mag, deswegen noch lange keinen Schweinemastbetrieb nebenan haben mag. Dann gründen sich Bürgerinitiativen, es werden Petitionen geschrieben, es gibt Gerichtsverhandlungen, und am Ende wird der Schweinestall dann nicht gebaut. Oder eben doch. Soweit, so altbekannt.

Nun streiten sie auch in Bad Kissingen um Schweine, allerdings nicht um Tausende, sondern nur um zwei. Um zwei kleine. Um Bella und Paula. Die beiden Minischweine wohnen im Garten eine Physiotherapiepraxis im Kissinger Kurgebiet, und der ist zugleich ihr Arbeitsplatz.

Seit vier Jahren setzt Therapeutin Heide Balzer-Ruhl die Tiere vor allem für die Behandlung von behinderten Kindern ein. "Ich lasse sie über die Borsten streichen", erzählt sie, und der Erfolg sei sichtbar. "Spastiker öffnen ihre Händchen, Kinder kriegen eine ganz andere Gesichtsmimik", sagt sie. Seit bald 40 Jahren betreibt sie ihre Praxis im Kurgebiet. Auch Therapiehunde setzt sie dort zur Behandlung ein.

Das ist nun alles lange gut gegangen, offenbar störte sich niemand an den Schweinchen. Als Heide Balzer-Ruhl allerdings ihr Haus dämmte und Bella und Paula anfingen, die Platten anzufressen, da mussten sie ihr gewohntes Terrain räumen. Das Gehege wurde verlagert, dabei etwas vergrößert und grenzt nun direkt an die Terrasse der Nachbarn. Die sollen davon überrascht worden sein, als sie aus dem Urlaub zurückkamen.

"Schweinehaltung ist im Wohngebiet nicht zulässig"

Mit der Kommunikation scheint es nicht richtig gut gelaufen zu sein bei der ganzen Schweinerei, zwar haben viele Nachbarn nichts gegen die Therapietiere, nur eben mit jenem Paar hat sich die Therapeutin nicht unterhalten. Und diese Nachbarn beschwerten sich nun bei der Stadt. Darüber reden wollen sie allerdings nicht.

"Die haben die genau vor der Nase", sagt Stadtsprecher Thomas Hack, und das sei auch wörtlich zu verstehen. Dabei beteuert die Besitzerin, dass die Schweinchen weniger streng riechen als ein Hund, da sie vegan ernährt werden. Maiskörner, Karotten, Knäckebrot, "weil sie kein Fett ansetzen dürfen". Und die Hinterlassenschaften der Tiere würden dreimal am Tag eingesammelt. Dennoch, die Nachbarn sind nicht angetan.

Im Rathaus wird eine Entscheidung fallen müssen, dabei lässt Hack durchaus Verständnis für beide Parteien durchblicken. Rechtlich allerdings ist die Sache eindeutig: Auch wenn ein Tierarzt den Schweinchen beste Lebensumstände bescheinigt hat und aus seiner Sicht nichts gegen die Haltung spricht, ist sie dennoch nicht erlaubt. Aus baurechtlichen Gründen. "Schweinehaltung ist im Wohngebiet nicht zulässig", sagt Hack. Und dann auch noch im Kurgebiet, wo es ja besonders erholsam zugehen soll.

Bella und Paula logierten in den vergangenen vier Jahren in ihrem Garten also wenigstens in einer rechtlichen Grauzone. "Es hätte eigentlich nicht sein dürfen, aber es hat sich niemand beschwert", sagt Hack. Und auch jetzt hofft man im Rathaus auf eine einvernehmliche Lösung des tierischen Problems. Man dürfe nicht vergessen, dass die Nachbarn Rechte hätten, aber andererseits seien die Schweinchen schon "eine putzige Angelegenheit".

Therapeutin Heide Balzer-Ruhl setzt ebenfalls auf Harmonie. Man hätte sich doch sicher einigen können, sagt sie, sie wolle doch keinen Streit mit den Nachbarn. Wenn die doch nur auf sie zugekommen wären, bevor sie sich bei der Stadt beschwerten. Die Tiere wegzugeben, das wäre ein schwerer Schritt für die Physiotherapeutin. Noch ist nicht klar, was aus Bella und Paula wird. Und die sind jetzt immerhin ein bisschen berühmt. An diesem Donnerstag kommt das Fernsehen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1673481
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 16.05.2013
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.