Streit um Unterbringungskosten:Fränkisch-bayerischer Kleinkrieg um Schnappschildkröte Suarez

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Die Schnappschildkröte Suarez (Foto: N/A)

Eine Gemeinde in Nordbayern bringt das Tier in der Münchner Auffangstation unter. Als die ihre Rechnung präsentiert, bekommt der Bürgermeister Schnappatmung.

Von Olaf Przybilla, Röttenbach/München

Die Schnappschildkröte Suárez, die vor zwei Wochen nach zweijähriger Fahndung im fränkischen Röttenbach von einem Beamten arretiert und in die Ausnüchterungszelle einer Polizeiinspektion gesperrt wurde, lebt inzwischen in München. Das Tier hat sich dort in kurzer Zeit einen Ruf als auffällig sanftmütiger Vertreter seiner Art erarbeitet, zumindest hat Suárez noch keiner anderen männlichen Schnappschildkröte ein Bein abgebissen, was auf einen ausgewogenen Charakter schließen lasse, sagt Markus Baur, Chef der Reptilienauffangstation. Dorthin wurde Suárez nach seinem Tag in der fränkischen Zelle überführt.

Es könnte also alles so schön sein: Suárez, anlässlich seines Auf- und wieder Abtauchens vor zwei Jahren nach einem bissigen Fußballer aus Uruguay benannt, wurde dingfest gemacht. Er sonnt sich in München, frisst sich so durch und neigt zum Bauchansatz. Was aber normal sei bei Männern in dem Alter, sagt Baur. Er schätzt Suárez auf mehrere Jahrzehnte alt. Trotzdem sorgt das Reptil für Verwicklungen seit seiner Festnahme. Fast ist man geneigt, von einem fränkisch-bayerischen Krötenkleinkrieg zu sprechen, widerspräche das nicht so eklatant dem Naturell, das Reptilienfachmann Baur dem Tier attestiert.

Der Zoff um die Kröte hat begonnen mit einem Kampf um die Kröten. Jedenfalls hat der Bürgermeister von Röttenbach das so interpretiert, als kurz nach der Überführung von Suárez eine Art Rechnung auf seinem Tisch landete. Das Schreiben aus München war fälschlicherweise an eine benachbarte Verwaltungsgemeinschaft adressiert, da fing's ja schon mal an, aber das hätte Bürgermeister Ludwig Wahl noch wie ein Mann ertragen. Nicht aber den Inhalt des Schreibens. Mehrfach habe er laut auflachen müssen während der Lektüre, sagt Wahl: Ah, ein Komiker erlaubt sich einen Krötenscherz, wie feinsinnig.

Was den Krötenkrieg auslöste

Bis er am Ende unsicher wurde, noch mal zu lesen begann, allmählich das Lachen einstellte und zur Überzeugung kam: Die meinen das ernst. Weil die Kröte mit der Stationsnummer 506 / 16 in seiner Gemeinde gefunden worden sei, müsse diese für die ersten 28 Kalendertage inklusive "Routinediagnostik" einen Pflegesatz von etwa 500 Euro bezahlen. Finde sich danach "kein rechtmäßiger Eigentümer", dann bleibe die Kröte auf Station.

Und dann? Wahl rechnete hoch, dass die Gemeinde, sollte es der Kröte belieben, noch einige Jahre zu leben, für Suárez' Pflege den Gegenwert eines Einfamilienhauses berappen müsste. Und ja, sagt Wahl, dann hätte man die Kröte eben zurückgeholt und auf dem Röttenbacher Bauhof großgezogen, da ist es auch schön.

Das wiederum verführte die Münchner Seite zur Replik, der Bürgermeister aus Franken habe offenbar ein Leseproblem. Nach den 28 Tagen sei der Krötenpflegesatz nämlich gar nicht mehr aufzuwenden. Und überhaupt sei man absolut nicht scharf auf den alten Schnappfranken. Weil von der Sorte, wenn auch nicht aus Franken, habe das Heim schon 17 Stück. "Meinetwegen", wurde Baur von der Bild zitiert, "holt er seine Schildkröte morgen ab, in sein Dorf am anus mundi." Der Bürgermeister vom Hintern der Welt, spätestens da drohte es leicht persönlich zu werden.

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Zwei Jahre fahndete die fränkische Polizei nach der Schnappschildkröte - bis ein Beamter sie stellt und zupackt. Nochmal würde er das jedoch nicht machen.

Von Olaf Przybilla

Jetzt ist wieder Wahl an der Reihe. Er sagt, jeder müsse ja selbst wissen, was er so loslässt. Aber erstens habe er kein Lese-, sondern das Münchner Krötenheim eher ein Schreibproblem. "Dieses Anschreiben kann man nicht anders lesen, als wir es gelesen haben." Zweitens tangiere ihn das nicht mal peripher, dieses anus mundi. Der Ort liege im Dreieck zwischen Erlangen, Herzogenaurach, Bamberg. Baugrund sei sehr begehrt. Da stehe man drüber.

Baur schlussendlich bittet um Abrüstung. Das mit dem Welthintern sei ein Missverständnis gewesen. Der Standardbrief für stationierte Reptilien werde dieser Tage überarbeitet, womöglich sei der tatsächlich missverständlich. Und außerdem sei es doch am wichtigsten, dass es "dem betagten Herrn" in München offenbar prächtig gefalle, er ein "sympathisches Wesen" an den Tag lege und gerade nicht, wie seiner Gattung gerne unterstellt wird, "irgendein Monster" sei. Darüber wiederum freut sich der Bürgermeister. Wundert sich aber nicht: "Er wurde ja lang genug in Franken sozialisiert."

© SZ vom 08.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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