Streit um Studiengebühren in Bayern:Koalitionsbruch mit Ansage

Wie zwei Züge, die aufeinander zurasen: CSU und FDP verhalten sich im Bayerischen Landtag bei der Debatte um die Studiengebühren wie in einem absurden Theater. Wenige Monate vor dem eigentlichen Wahltermin könnte die Koalition zerschellen.

Frank Müller und Mike Szymanski

Bayerischer Landtag

Zerschellt die Koalition? Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP) am Mittwoch im Landtag.

(Foto: dpa)

"Jeden Tag" werde er nun für seine Position und die Abschaffung der Studiengebühren werben. Horst Seehofer am Montag.

"Damit ist die Sache jetzt erledigt. Ich werde nicht jeden Tag Stellung nehmen." Horst Seehofer am Mittwoch.

Es ist einer jener Tage, an denen der Ministerpräsident vorwiegend auf blumige Andeutungen setzt, auf Sätze, die irgendwo anfangen und im Ungefähren enden. Die haben den Vorteil, dass sie alles bedeuten können und auch das komplette Gegenteil. Er baut sich dann im Landtag vor Journalisten auf und sagt Sprüche wie den, dass "jedes Gleis ein Ziel hat". Aber wohin dampft der Seehofer-Express gerade, gibt es überhaupt noch einen zusammengekoppelten schwarz-gelben Zug, der in eine gemeinsame Richtung fährt? Viele Äußerungen am Rande des Landtagsplenums an diesem Mittwoch hinterlassen eher den Eindruck, dass die Koalition den Crash schon im Fahrplan hat, dass es spätestens nach dem Volksentscheid zum Platzen der Koalition kommen könnte.

Es bleibt offen, ob Seehofer genau dies und damit einen Wahltermin schon im Frühjahr will. Oder ob er darauf baut, dass das Thema schon irgendwann wieder verschwinden werde, nach der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren im Januar, wenn die FDP vielleicht doch noch umfällt.

Die Frage, ob die Koalition wenige Monate vor dem eigentlichen Wahltermin an den Studiengebühren zerschellt, wird jedenfalls immer brisanter: Denn klar ist: Nach einem möglichen Votum der Bürger im Volksentscheid gegen die Studiengebühren müssen Regierung und Landtag dazu Stellung nehmen.

Aber wie soll das eine in der Frage zerstrittene Koalition gemeinsam bewältigen? Seehofer hat selbst Spekulationen darüber befördert, dass die CSU dann mit der Opposition stimmen würde - das wäre der Koalitionsbruch. Am Mittwoch weigert sich Seehofer vor der Sitzung des Plenums noch minutenlang, diesen Satz vor laufenden Kameras auszusprechen. Aber er dementiert ihn auch nicht.

In der Debatte sagt er ihn dann indirekt, obwohl er angekündigt hatte, gar nicht reden zu wollen. "Dann muss die bayerische Staatsregierung und anschließend, ob man will oder nicht, muss dieses Parlament eine Entscheidung treffen", sagt er: zustimmen oder ablehnen. "Eines geht nicht", fügt Seehofer hinzu, und das müsse jeder in der Regierung und im Parlament wissen: "dass die Staatsregierung oder die Mehrheit im Parlament hier erklärt, wir haben keine Meinung, und das Volk soll entscheiden". Seehofer betont: "Wir werden zum Zeitpunkt X eine Entscheidung treffen müssen und darüber müssen wir auch reden."

Wie im absurden Theater

Es ist eine Debatte der kuriosen Fronten, die an diesem Mittwoch im Landtag stattfindet. Die erste Diskussion im Parlament seit dem schwarz-gelben Krach vom Wochenende wird zu absurdem Theater. Vorab kann man noch Seehofer und FDP-Fraktionschef Thomas Hacker beobachten, wie sie sich draußen im Gang freundlich, aber konzentriert besprechen. Seehofer legt Hacker die Hand auf die Schulter. Das kann ein Zeichen der Wertschätzung sein. Oder drückt Seehofer den deutlich kleineren Hacker ein Stück nach unten? Vermutlich, schließlich handelt es sich um Seehofer, macht er beides zugleich.

Hacker spielt derzeit eine Schlüsselrolle im Koalitionsspektakel um die Studiengebühren. Er hält die FDP unerschrocken auf Kurs gegen Seehofers Wendemanöver - und das obwohl es auch in seiner Fraktion Skeptiker gegen die Studiengebühren gibt. Hacker rechnet schon vor der Debatte mit Seehofers Volten ab, vor denen er eine Absprache mit der FDP vermisst hat. "Das erwarte ich von einem vernünftigen, klar agierenden Kabinett und in der Verengung auch vom Landesvater." Auch Landeschefin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger macht Druck: "Heute wird sich zeigen, ob die CSU sich koalitionstreu verhält."

Denn die Opposition hat einen trickreichen Dringlichkeitsantrag eingebracht: Der Landtag solle Horst Seehofers Position zu den Studiengebühren unterstützen. Das klingt nach dem Einfachsten von der Welt, ist aber natürlich eine Falle, wie sie SPD, Grüne und Freie Wähler der Koalition nun ständig stellen werden. Die CSU unterstützt zwar Seehofer, darf dem Antrag aber keinesfalls zustimmen, weil sie sich damit gegen die FDP wenden würde. Also muss die CSU gegen ihre Überzeugung stimmen, diesen Kurs hält sie auch durch.

Die Opposition bewegt sich auf ähnlich absurdem Terrain: Sie muss der CSU vorwerfen, dass sie gerade ihre eigene jahrelange Politik verrät - obwohl sie damit haargenau auf Oppositionsmeinung einschwenkt.

SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher macht das Spektakel sichtlich Spaß. "Das einzig Verlässliche an dieser bayerischen Staatsregierung ist ihre Unverlässlichkeit", sagt er und spricht von "Regierungschaos". Rinderspacher: "Diese schwarz-gelbe Regierung löst keine Probleme, sie löst Probleme aus." Auch Michael Piazolo (Freie Wähler) kann das Geschehen kaum fassen: "Innerhalb von Stunden ändern 90 Abgeordnete ihre Meinung, das ist unglaublich", sagt er an die Adresse der CSU. "Über 90 Prozent der Abgeordneten wollen die Studiengebühren abschaffen. Dann tun Sie's doch!" Da muss sogar Horst Seehofer lachen.

Auch FDP-Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch lächelt mitunter belustigt in sich hinein, während Grünen-Spitzenkandidatin Margarete Bause die CSU filetiert. "Was für ein Erscheinungsbild", ruft sie aus - und gibt Seehofer ein vergiftetes Lob mit. Natürlich seien die Studiengebühren schädlich für die soziale Balance, sagt sie ähnlich wie Seehofer zuvor. Aber anders als Seehofer denke sie "nicht erst seit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs so".

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