Streit um Staatstrojaner:Opposition attackiert Innenminister

SPD und Grüne attackieren Innenminister Herrmann: Mit dem Einsatz des Staatstrojaners habe sich der Innenminister "kaltschnäuzig" über Gerichtsbeschlüsse hinweggesetzt. Jetzt fordern sie eine umfassende Aufklärung über den Einsatz.

Frank Müller und Marlene Weiss

Der Einsatz fragwürdiger Computer-Spähprogramme sorgt bei den Landespolitikern für erregte Debatten. Am Dienstag sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU), bis zum Abschluss der Datenschutz-Überprüfung werde es keine Überwachungsmaßnahmen mehr geben. Die Fraktionen von Grünen und SPD fordern in Dringlichkeitsanträgen eine umfassende Aufklärung im Plenum des Landtages am Mittwoch. Die SPD forderte, künftig nur mit der Rechtsprechung des Verfassungsgerichts konforme Software einzusetzen.

Trojaner-Wirbel um Bayerns Innenminister

Wirbel um Staatstrojaner: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wird von der Opposition im Landtag scharf kritisiert. SPD und Grüne fordern Aufklärung.

(Foto: dapd)

Die Software sollte nur verschlüsselte Online-Telefongespräche abhorchen - man nennt das Quellen-Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Darüber hinaus machte sie alle 30 Sekunden eine Bildschirmaufnahme, was das Landgericht in Landshut im Januar für rechtswidrig hielt.

Am heikelsten ist die nach Angaben des Chaos Computer Club im Trojaner versteckte Funktion, die es erlaubt, den Computer nahezu fernzusteuern. Denn das ist Online-Durchsuchung, die nur zur Gefahrenabwehr erlaubt ist, nicht zur Strafverfolgung.

Herrmann bestreitet, dass es die Funktion gebe. Die Grünen im Landtag sind dennoch empört: Herrmann habe "kaltschnäuzig" darüber hinweggetäuscht, dass es mit dem Beschluss des Landshuter Landgerichts ein klares Verbot für das Abgreifen von Screenshots gebe, sagte Innenexpertin Susanna Tausendfreund.

Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung müssen klar getrennt bleiben", sagt der FDP-Landtagsabgeordnete Andreas Fischer. "Es darf keine Online-Durchsuchung durch die Hintertür geben." Auch die Screenshots gehen für ihn zu weit: "Ich habe gleich nach der Landshuter Entscheidung gesagt, dass das nicht geht, diese Position vertrete ich jetzt erst recht - diese Software kann mehr, als sie können darf."

Das Innenministerium sieht die Dinge anders, und argumentiert, dass es noch kein höchstrichterliches Urteil zu Bildschirmaufnahmen gibt. Zudem fällte das Landgericht in Landshut nur einen Beschluss auf eine Beschwerde hin; damit handelt es sich nach Angaben des bayerischen Justizministeriums um einen rechtlich nicht allgemein bindenden Einzelfallentscheid. "Ich hätte mir aber gewünscht, dass man die Software vorerst nicht mehr einsetzt", sagt Fischer.

Franz Schindler, Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bayerischen Landtag, hält eine Trennung von Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung prinzipiell für unmöglich. "Man kann keine Software entwickeln, die nur das Erlaubte tut, ohne andere Lücken zu reißen ", sagt er. Dass das LKA sich darüber im Klaren war, was es da einsetzte, glaubt er nicht: "Das war eher Schludrigkeit", sagt er. Die Einsätze wurden jedoch auch nach dem Gerichtsentscheid fortgesetzt, mindestens bis zur ersten Anfrage der Landtags-Grünen im Februar 2011.

Jetzt soll der Landesbeauftragte für Datenschutz, Thomas Petri, die Sache klären. Dass er nicht gleich nach dem Landshuter Beschluss tätig geworden sei, liege an einer Besonderheit im bayerischen Datenschutzgesetz, sagt Petri: "Ich darf nicht in laufende Ermittlungen eingreifen." Wenn er einmal während des Verfahrens und einmal anschließend prüfe, um die Änderungen zu kontrollieren, arbeite er doppelt. "Im Kommunalbereich und von den Durchsetzungsmechanismen her ist Bayern Spitze", sagt er. "Aber weltanschauungsbedingt gibt es bei der Inneren Sicherheit natürlich Unterschiede zwischen der Sicht des Landesbeauftragten und der des Innenministers."

Joachim Hanisch (Freie Wähler) will jetzt das Untersuchungsergebnis abwarten: "Es ist nicht erwiesen, dass die richterliche Anordnung überschritten wurde." Für Manfred Ländner (CSU) ist dagegen schon klar, dass die Vorgänge "nicht gebilligt werden dürfen". Am deutlichsten wird Aleks Lessmann von der Piratenpartei Bayern: "Ein Staat, in dem Behörden meinen, sie stünden über Recht und Gesetz, ist kein Rechtsstaat, sondern eine Bananenrepublik", sagt er.

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