Streit um Spitzenkandidat:Freie Wähler hadern mit Adenauer-Enkel

"Kokettieren mit Extremismus": Im Düsseldorfer Bundestagswahlkreis des Freie-Wähler-Spitzenkandidaten Stephan Werhahn sind Mitglieder mit rechtslastiger Vergangenheit aktiv. In Bayern gibt es empörte Reaktionen - auch Parteichef Aiwanger macht sich nun Sorgen.

Von Katja Auer und Christian Sebald

Der Wirbel um den FW-Spitzenkandidaten der Freien Wähler bei der Bundestagswahl und Adenauer-Enkel Stephan Werhahn hält an. Inzwischen werfen nicht nur Freie Wähler in Mittelfranken dem 59-jährigen Rechtsanwalt und Unternehmer vor, sich für seine Bundestagskandidatur ausgerechnet den Wahlkreis Düsseldorf ausgesucht zu haben. Dieser stand immer wieder wegen rechtslastiger Umtriebe und einiger Mitglieder mit rechtsextremer Vergangenheit in der Kritik. Auch FW-Chef Hubert Aiwanger sagt, Werhahns Kandidatur in Düsseldorf beinhalte "politischen Sprengstoff, den wir im Wahlkampf überhaupt nicht brauchen können". Werhahn solle sich deshalb überlegen, "ob er nicht besser in einem anderen Wahlkreis antritt", sagte Aiwanger. "Zumal er etliche attraktive Angebote hat."

Die Freien Wähler in Wendelstein und anderen mittelfränkischen Kommunen hatten sich am Sonntag "wegen rechten Beigeschmacks" von Werhahn scharf distanziert. Mit der geplanten Nominierung des FW-Spitzenkandidaten ausgerechnet in Düsseldorf sei der Anschein des "Kokettierens mit Extremismus" entstanden. Die Freien Wähler in Düsseldorf sind seit Jahren umstritten, weil der frühere Neonazi Torsten Lemmer und der Ex-Republikaner Jürgen Krüger zu ihren Mitgliedern zählen.

Krüger, der 2010 die Republikaner verlassen hat, ist Mitglied der Stadtratsfraktion der Freien Wähler. Der Ex-Neonazi Lemmer, der einst ein prominenter Musikproduzent in der rechten Szene war und sich 2001 an einem Aussteigerprojekt des Theatermachers Christoph Schlingensief beteiligte, ist Geschäftsführer der Stadtratsfraktion. Beide haben sich von ihrer rechten Vergangenheit distanziert.

Den Mittelfranken reicht das nicht aus. Das erklärte ein Vertreter der dortigen Freien Wähler, der aus Angst vor rechtsextremistischen Drohungen seinen Namen nicht öffentlich machen will. Zugleich forderten die Mittelfranken Werhahn erneut auf, nicht in "bei der Chaostruppe" in Düsseldorf anzutreten.

Auch Freien Wähler in NRW sind auf Distanz zu der Düsseldorfer Ortsgruppe. So gehören die Düsseldorfer nach wie vor nicht dem FW-Landesverband an. "Wir haben zwar aktuell keinerlei Hinweise auf rechte Umtriebe dort", sagt Martina Dietz, die Geschäftsführerin der Freien Wähler in NRW, "aber sie stehen gleichsam unter Beobachtung." Und Rüdiger Krentz, der Chef der Landesvereinigung der Freien Wähler in NRW, bekennt offen, dass er Lemmer wegen dessen Neonazi-Vergangenheit nicht in die Landesvereinigung habe aufnehmen wollen und das auch nach wie vor nicht tun würde.

Die Düsseldorfer weisen die Vorwürfe strikt zurück. Es sei offenkundig, dass zwei von mehr als 160 Mitgliedern der Ortsgruppe einen rechten Hintergrund hatten, heißt es in einer Erklärung der Stadtratsfraktion. "Dies wurde nie beschönigt oder versteckt." Aber die beiden seien längst aus der rechten Szene ausgestiegen, dies sei durch zahlreiche Veröffentlichungen dokumentiert. Auch Werhahn hatte am Sonntag erklärt, "dass man Menschen, die sich politisch verirrt haben, wieder zu politischer Verantwortung heranziehen kann, wenn sie sich geläutert haben."

FW-Chef Aiwanger denkt da offenbar anders."Wir wollen auf keinen Fall mit Rechten oder rechtem Gedankengut in Verbindung gebracht werden", sagte er. "Werhahn sollte schnell die entsprechenden Konsequenzen ziehen." Angesichts der klaren Worte ist der Adenauer-Enkel jetzt ins Nachdenken gekommen. "Ich nehme die Vorwürfe sehr ernst und werde sie gründlich prüfen", sagte Werhahn am Montag. Bis Freitag will er entscheiden, ob er bei seiner Kandidatur in Düsseldorf bleibe oder sich für einen anderen Wahlkreis entscheide.

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