Streit um Lokalfernsehen:Lizenzvergabe am Biertisch

Streit um Lokalfernsehen: Ein Zelt auf dem Straubinger Gäubodenvolksfest: Hier fand auch schon mal ein Medientag der BLM statt.

Ein Zelt auf dem Straubinger Gäubodenvolksfest: Hier fand auch schon mal ein Medientag der BLM statt.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Ein Präsident, der am Biertisch Zusagen macht für die Übernahme eines Fernsehsenders? Das behauptet ein ostbayerischer Großverleger. Bei der Medienzentrale will man das nicht so stehen lassen. Doch Martin Balle fühlt sich um ein Versprechen betrogen - und droht schon mal mit dem Ende der bayerischen Gemütlichkeit.

Von Wolfgang Wittl

In "Zelt 7" auf dem Straubinger Gäubodenvolksfest geht es betont bayerisch zu: Zur Unterhaltung wird ausschließlich Blasmusik gespielt, die Küche serviert alte Klassiker in neuem Gewand: Weißwürste vom Grill mit Chilikraut oder Birnenobatzda mit Bauernbrot. Um das zünftige Kulturprogramm kümmert sich die lokale Tageszeitung, manchmal kommen aber auch vermeintlich sperrige Themen zum Zug wie am 14. August 2012: "Um die Verunsicherung der Verbraucher bei der Nutzung der digitalen Medien abzubauen", lud die Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) zum Medientag "total digital".

Diskutanten beim Medienstammtisch waren unter anderem Martin Balle, der Verleger der Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung, sowie BLM-Präsident Siegfried Schneider. Anscheinend hatten die beiden sogar noch mehr zu besprechen: die Übernahme eines regionalen Fernsehsenders, bei der sich nun die Frage stellt, ob jemand (sich) womöglich zu viel versprochen hat. BLM-Präsident Schneider gerät in dieser Angelegenheit jetzt in die Schusslinie.

Am 9. Januar, knapp fünf Monate nach dem Treffen auf dem Gäubodenfest, meldete die Landshuter Zeitung, dass sie anstelle des ausbezahlten Norbert Haimerl neuer Hauptgesellschafter des Regionalfernsehens Landshut (RFL) sei. Die Geschäfte führe bis auf Weiteres Martin Balle, dessen Familie weite Teile der ostbayerischen Medienlandschaft beherrscht. Zum Firmenimperium gehören neben den beiden Tageszeitungen auch Anzeigenblätter, ein Internetportal sowie Anteile an mehreren Radio- und Fernsehsendern.

Er freue sich, nun auch "für den Raum Landshut ein hochwertiges Lokalfernsehen zu machen", ließ Balle sich zitieren. Allerdings hatte er sich zu früh gefreut. Denn wie die Süddeutsche Zeitung wenig später berichtete, hatte die BLM keineswegs ihre Zustimmung für die Übernahme des RFL erteilt, von der Balle wohl fest ausgegangen war.

Wahl neuer  BLM-Präsident

BLM-Präsident Siegfried Schneider: Hat er dem Verleger Martin Balle am Biertisch zuviel versprochen?

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Keines Risikos bewusst

Am Sonntag erklärte Balle nun im Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks, er vertraue auf das Wort von BLM-Präsident Schneider, das dieser ihm am Rande eines Volksfests gegeben habe. Wörtlich sagte Balle: "Es war mit dem Präsidenten (Schneider) und seinem Hausjuristen so abgesprochen, dass wir die Firma (RFL) mit diesen beiden Partnern kaufen dürfen. Über den Weg, wie wir das tun, gab's keine Absprachen, und da stört sich die BLM dran."

In der Tat stieß Balles öffentliches Vorpreschen laut SZ-Informationen auf Missfallen - zumindest schrieb die BLM die ursprünglich bis 2017 laufende Sendelizenz für das RFL neu aus. Begründung: der Gesellschafterwechsel sowie das Interesse anderer Bewerber.

Balles Interpretation: Die Lizenz sei neu ausgeschrieben worden, "weil die BLM den Eindruck hat, dass sie selber angreifbar wird über den Weg, den wir gegangen sind". Er, Balle, sei sich nach Schneiders Wort keines Risikos bewusst gewesen und "gehe jetzt davon aus, dass mir der Präsident kein Risiko zumuten will". Für eine aktuelle Stellungnahme war Martin Balle nicht zu erreichen.

Gefährdete Meinungsvielfalt

Ein Präsident, der am Biertisch Zusagen macht für die Übernahme eines Fernsehsenders? Bei der BLM will man das nicht so stehen lassen. Zwar räumt Schneider Gespräche mit Balle ein, allerdings habe man dem Verleger verdeutlicht, "dass für die Vergrößerung seines Anteils am Regionalfernsehen Landshut vor einer Umsetzung auf jeden Fall die Befassung des Medienrats erforderlich ist". Die Meinungsvielfalt im Versorgungsgebiet müsse gewährleistet sein, weshalb Balle im Landshuter Hörfunk wohl sein Stimmrecht in Programmfragen beschränken müsste.

Auch BLM-Geschäftsführer Martin Gebrande, der laut Balle ebenfalls über die "einmal angedachte Lösung" informiert gewesen sein soll, distanziert sich. Balle habe Fakten schaffen wollen, die er später im Medienrat genehmigen lassen wollte: "Das ist ein ungutes Verfahren."

Die für Medienpolitik zuständige Staatskanzlei stellt sich hinter ihren früheren Leiter, den jetzigen BLM-Präsidenten Siegfried Schneider. Die Vergabe von Sendelizenzen erfolge in einem autonomen Verfahren der BLM unter Beteiligung der zuständigen Organe, heißt es: "Das ist auch hier der Fall." Walter Keilbart, der Vorsitzende des BLM-Fernsehausschusses, verweist ebenfalls auf formale Verfahren, welche einzuhalten seien. Über Vorgespräche sei er nicht informiert.

Das Ende der bayerischen Gemütlichkeit

Martin Balle, Verleger des Straubinger Tagblattes

Der neue Boss: Verleger Martin Balle hat die Abendzeitung gekauft und will Print-und Onlineausgabe erhalten.

(Foto: Armin Weigel/dpa)

Medienräte zeigen sich verblüfft über den öffentlichen Disput. Achim Werner, der medienpolitische Sprecher der SPD, will nicht ausschließen, dass es bei einem Volksfest zu solchen Gesprächen kommen kann - "aber sicher nicht zu einer juristisch gültigen Vereinbarung". Er halte es für ausgesprochen ungeschickt, den Präsidenten jener Institution, von der man etwas brauche, "jetzt derart in die Bredouille zu bringen", sagt Werner. Die Bewerbungsfrist für die Lizenz endet am 13. März, neben Balle soll es zwei weitere Interessenten geben.

Für die Verlegerfamilie spreche, dass sie - ungeachtet aller Medienkonzentration - bereits über Erfahrung mit Fernsehen verfüge, heißt es aus der BLM. Balle sagte dem BR, dass er fest mit der Vergabe an ihn rechne. Falls es wider Erwarten anders kommt, wäre es mit der bayerischen Gemütlichkeit aber schnell vorbei. Dann wolle er auf Schneiders Wort pochen und die BLM finanziell belangen.

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